EDNA MILLION, 29.06.2024, InDieWohnzimmer, Stuttgart
Ich muss gestehen, die Wiener Musikerin Edna Million war mir bis vor kurzem noch völlig unbekannt, bis sie vor circa zwei Monaten in Dennis Schecks Literatursendung „Druckfrisch“ einen kurzen Auftritt hatte. Und dieser Auftritt war speziell, hatte es in sich, war er doch so ganz anders als das, was man sonst so musikalisch im Fernsehen vorgesetzt bekommt. Million saß in sich versunken auf der Bühne, ausgestattet nur mit akustischer Gitarre und in mystisches Licht getaucht. Der Sound düster, melancholisch, ihre Stimme an Leonhard Cohen erinnernd; eine reduzierte und doch zwingende Performance.
Schön, dass sie nun heute Abend diese emotionale, innerliche Musik im intimen Rahmen des InDieWohnzimmers präsentieren kann.
Und was für eine Überraschung, trotz des EM-Spiels Deutschland – Dänemark ist das Wohnzimmer voll, ja das Konzert ist ausgebucht. Ida Turek, wie die Musikerin mit bürgerlichem Namen heißt, ist eine geradezu existenzialistisch anmutende Künstlerin, wie sie hier, in sich versunken, nachdenklich, nur mit ihrer Gitarre auf dem Barhocker sitzt; in Schwarz gekleidet, kontrastiert von den roten Lippen. Welch intensive Ausstrahlung!
Ihr Set beginnt sie mit dem Titelsong ihres, im Frühjahr erschienenen, gleichnamigen Debütalbums „Pool“. Der Vergleich mit Cohen ist durchaus gerechtfertigt; ihre Stimme klingt, in einem künstlerisch positiven Sinne, fast schon verlebt. Der dunkle Ausdruck hat nichts Gekünsteltes oder Gezwungenes, er ist natürlich, echt und absolut überzeugend. Es ist der Ausdruck einer Künstlerin, die wohl schon einiges mit ihren erst 22 Jahren erlebt zu haben scheint, zumindest genug, um daraus für ihre Kunst schöpfen zu können. Wir hören ein Timbre, das einen in eine dunkle, urbane Speakeasy-Bar versetzt und somit am heutigen Abend, einen krassen Gegensatz zum heimeligen InDieWohnzimmer mit seinem malerischen Blick über Stuttgart-Feuerbach erschafft. Die zwingende, den Zuhörer gefangennehmende Düsternis der Musik, nimmt die sommerlich schwül drückende Abendstimmung auf – befinden wir uns noch in Stuttgart, oder schon im Big Easy New Orleans? – und zieht das mit aufmerksamer Spannung lauschende Publikum, in die Tiefe des Seins.
In der Tradition klassischer Singer-Songwriter Musik, die Wurzeln tief im Blues, erschafft Edna Million, mit ihrem minimalistischen, lakonischen Vortrag eine existenzielle Dringlichkeit. Dies ist Musik über den Versuch des sich Findens. Das ist alles sehr intim. Die verschiedenen Stationen ihres Lebens, von Wien nach Berlin, nach Schweden; das Suchen (nach sich selbst?), das diese Ortswechsel wohl notwendig macht, wird in ihrer Darbietung lakonisch geradlinig umgesetzt, was zwar stimmig ist und eine Sogwirkung erzeugt und doch, ein paar wenige Störelemente im musikalischen Vortrag würden der Gesamtwirkung vielleicht noch mehr Spannung verleihen.
Es ist aber, trotz dieses kleinen Kritikpunktes, ein gelungener, sehr atmosphärischer Konzertabend und immer wieder werden ihre musikalischen und poetischen Vorbilder hörbar, wie zum Beispiel Patti Smith und PJ Harvey, von der sie den Song „Driving“ covert.
Nach etwas mehr als einer Stunde entlässt uns dann Edna Million in die Schwüle der anbrechenden Nacht.