DEADLETTER, 20.06.2024, Manufaktur, Schorndorf

Braucht es eigentlich noch eine weitere Postpunk-Band mit grantigem Sprechgesang im Stile von Mark E. Smith? Ist der Markt mit Idles, Yard Act, Fontaines D.C. und Konsorten nicht schon ausreichend gesättigt? Nach dem hoch unterhaltsamen Abend mit Deadletter in der Manufaktur können wir feststellen: Ja doch, da geht noch was.
Die Platzierung an einem der wenigen warmen Frühsommerabende und die gleichzeitig stattfindende EM wirken sich auf den Besucherandrang aus. Mit 120 Zuschauer:innen ist die Halle der Manufaktur eher spärlich besetzt. Da demonstrative Bruddeligkeit zum Markenkern von Deadletter zu gehörten scheint, muss dies also nicht unbedingt an der spärlichen Kulisse liegen. Musikalisch erleben wir das Erwartete: Zwei gegeneinander mit scharfen Riffs agierende, deutlich verzerrte Gitarren, ein solide durchbollernder Bass, ein treibendes Schlagzeug und spärlich eingesetzte Saxophon-Akzente des einzigen weiblichen Bandmitglieds. Dass das Blasinstrument auch bei der Referenzband Act Yard Einzug gehalten hat, lässt mich – als jemand, der in den achtziger Jahren mit inflationärem Sax-Einsatz traumatisiert wurde – befürchten, dass ich hier ein Trend entwickelt. Wobei das Saxophon hier bei Deadletter, auch wegen des im Vergleich zum Album zurückhaltendem Live-Mixes, durchaus nicht stört. Im Gegenteil: Ich muss zugeben, dass es den besonderen Flavour ausmacht.

Frontmann Zac Lawrence ist jedoch der uneingeschränkte Mittelpunkt der Band. Er betritt die Bühne bereits mit entblößtem Oberkörper. Das lässt neben ausreichendem Selbstbewusstsein auch wilde Entschlossenheit zu härtestem Einsatz vermuten. (Dass ihm dies in Clubs, die ihre No-Shirt-No-Drink-Policy auch auf Bands ausdehnen, einen trockenen Abend bereiten würde, wie kürzlich erst kürzlich von lokalen Musikern berichtet, scheint auf der Insel eventuell noch nicht angekommen zu sein)

Der Gig beginnt mit „Credit to Treason“, einem bisher unveröffentlichten Titel, der auf dem September erscheinenden Debütalbum „Hysterical Strength“ als Opener zu finden sein wird. Der lakonisch-deklamierende Gesangsvortrag steht in krassen Gegensatz zu seiner raumgreifenden, exaltierten Bühnenaktivität. Kaum eine Rockpose wird ausgelassen, Vergleiche mit Iggy Pop oder Mick Jagger drängen sich auf. Überhaupt wird man den Eindruck nicht los, dass diese Band auf die großen Bühnen und Festivals brennt. Unermüdlich fordert Lawrence das Publikum auf, in die Nähe der Bühne zu kommen, was letztlich zu dem lustigen Umstand führt, dass der größte Teil der Halle komplett leer ist. Doch diese (lokale) Dichte, die nahezu pausenlose Abfolge des Songs und der äußerst engagierte Einsatz der Band tun ihre Wirkung: Das Publikum kommt ordentlich in Bewegung, und Lawrence lässt es sich nicht nehmen, gleich zwei Ausflüge von der Bühne zu machen.
Innerhalb einer guten Stunde spielen Deadletter fünfzehn Titel – darunter einige bisher unveröffentlichte – und schließen konsequenterweise den sehr intensiven Gig ohne Zugabe ab. Und wenn der Festivalsommer und der Album-Release die Erfolgs-Erwartungen erfüllen, würde es mich nicht wundern, wenn man bald – ähnlich wie bei Idles – staunend fragen wird: „Was? Die haben mal in der Manufaktur gespielt?“

Setlist
Credit to Treason
The Snitching Hour
Mother
Bygones
Madge’s Declaration
Hysterical Strength
Degenerate Inanimate
Hero
A Haunting
Mere Mortal
Fit For Work
Deus Ex Machina
Binge
It Flies
Zeitgeist
Holger… wie immer auf Ballhöhe… „Mick Jagger“ Jr. war auch dabei… Deadletter sollte man sich merken… ( gutes booking, dank Werner…)
Der Sänger von Deadletter heißt Zac Lawrence und nicht Cameron Miller und die Website, die zitiert wird, hat mit der Band nichts zu tun – leider schlecht recherchiert :-(
Vielen Dank für deinen freundlichen Hinweis, Sabine. Da haben wir uns wohl im Internet verlaufen. Wir haben die Passage entprechend korrigiert.
Hallo Holger, super, vielen Dank fürs Ändern! Ich finde die Band super, deshalb haben sie es schon verdient, dass man die richtigen Namen nennt. Ich hab mich jedenfalls sehr gefreut, dass man sie in der Manufaktur sehen konnte und sie waren genauso gut wie erwartet, ich hätte ihnen nur mehr Publikum gegönnt.