RUE DE LA MUSIQUE, 21.06.2024, Merlin & Superblock West, Stuttgart

24. Juni 2024 Holger 0 Kommentare Cäthe, Kara Orman, Oldseed

Wer, wenn nicht das Merlin, kann es schaffen, Barcelona und Paris in den Stuttgarter Westen zu bringen? Der verkehrsberuhigte „Superblock“, für den sich das Kulturzentrum immer vehement eingesetzt hat, ist an das Vorbild in der katalanischen Hauptstadt angelehnt, die „Rue de la Musique“ klingt verdächtig ähnlich wie eine Initiative in der französischen Metropole. Und was diese beiden Vorreiter in Sachen menschenfreundlicher Stadtplanung seit Jahren erfolgreich vormachen, wird nun auch für einen halben Tag in der Augustenstraße Realität. Der öffentliche Raum wird nicht von Wenigen zum Parken, sondern von Vielen zum Musizieren und Feiern genutzt.

Wir sind natürlich wegen der Musik da, werden aber vom allgemeinen Sehen-Und-Gesehen-Werden derart abgelenkt, dass wir sowohl den Auftritt der Songwriterin Dianush mit ihrem Elektronik-Pop nur aus der Ferne hören, als auch den der Tübinger Folk- und World-Music-Band DieVagari, die die fröhliche Menge aus Kindern, Eltern und Partyvolk ordentlich in Bewegung bringt.

Zum Auftritt des Duos Kara Oman sind wir dann endlich konzentriert bei der Sache und freuen uns über deren Mix aus orientalischer Musik und psychedelischen Sounds, der gerade mächtig en Vogue ist. Mit Saz, Gitarre, Schlagzeug und etwas Elektronik erzeugen Nazim Sabuncu und Jörg Bielfeldt eine Mixtur, die auf einem Straßenfest genauso gut wie im Club funktioniert – wovon wir uns kürzlich in der Rakete überzeugen konnten.

Genau zum Ende ihres Sets und damit zum Abschluss des Open-Air-Teils der Veranstaltung setzt leichter Regen ein, sodass ein guter Teil des Publikums zügig den Weg nach Hause antritt. Wir gehen jetzt aber mal davon aus, dass dies nur die erste Auflage der „Rue de la Musique“ war und dass wir uns bald wieder alle hier treffen. Die Musik-Fans, die noch nicht genug haben, machen sich auf den Weg in den Saal des Merlin, denn dort haben die Booking-Kooperationspartner vom Feierabendkollektiv noch zwei weitere Acts gebucht.

Den Indoor-Abend eröffnet der Kanadier Craig Bjerring aka Oldseed. Mit seinen minimalen, knochentrockenen Traditional-Folk-Songs und feinstem Picking ist er für mich die schönste Überraschung der gesamten Veranstaltung. Vor einem Publikum, das gerade von einem lärmigen Straßenfest herein gestolpert ist, hat er es aber nicht gerade leicht. Er nimmt es locker und würzt er seine Songs sparsam mit knappen, ironischen Kommentaren, im Wesentlichen lässt er aber einfach seine lakonischen Geschichten in den Songs wirken. Wunderbar, wie man diesem Genre, in dem doch alles bereits gesungen sein dürfte, noch eine neue Facette geben kann.

Und dann passiert etwas, das bei mir – der ich ja als notorisch begeisterungswillig bekannt bin – sehr selten vorkommt. Mit dem Auftritt der Hamburger Songwriterin Cäthe werde ich einfach nicht warm. Dabei hat sie eine ausgesprochen gute, soulige Stimme und mit Dirk Berger einen exquisiten musikalischen Begleiter, der sie mit dezentem Gitarrenspiel und feinstem Sound unterstützt. Vielleicht sind es die ausladenden Tanzbewegungen, die in diesem ruhigen Setting wie eine Art Over-Acting wirken, der überakzentuierte Gesangsvortrag oder die Texte, mit denen ich so überhaupt nichts anfangen kann, Cäthes Auftritt schafft es einfach nicht, dass bei mir der Funke überspringt. (Ok, wie so viele Blogger-Texte sagt dieser vermutlich eher etwas über den Autor als über die Musik. Sorry dafür, denn im Publikum finden sich durchaus viele begeistert applaudierende Zuhörerinnen.)