CALI, 23.05.2024, Merlin, Stuttgart

Mein erstes Konzert nach der About Pop, und dann gleich ein besonders erfreulicher Anlass. Die Multimedia-Künstlerin Caroline d’Orville aka Cali feiert den Releases ihres ersten Albums. „COOL.“ heißt es, das heute erscheint und einige wohlbekannte lokale Musiker:innen auf den Studioaufnahmen versammelt. Die Liveauftritte im typischen stilprägenden Minimal-Setup aus Bass, Gesang und Schlagzeug haben wir schon hier und da gesehen. Heute sieht das Setup im Merlin aber besonders aus. An beiden Enden der Bühne steht ein komplettes Schlagzeug, in der Mitte ein Synthesizer und eine Gitarre. Erwartet uns hier ein Schlagzeug-Inferno à la Osees oder King Gizzard?

Zum Warm-up gibt es erstmal ein Mini-Set von Blue Milk. Ein Projekt der Venezolanerin Lilian Gonzalez, die auch bei Horizontaler Gentransfer und Diplomatic Fun musiziert. Minimaler Trap in Englisch und Spanisch, ganz souverän mit der entsprechenden Coolness vorgetragen. Seit Langem mal ein Support-Slot, der durchaus hätte länger sein dürfen.

Das Merlin ist mit ca. 70 Besucher:innen recht gut besucht. Darunter einige bekannte Gesichter der Stuttgart Musikszene. Cali betritt die Bühne mit ihrem Schlagzeuger Philipp Knoth, mit dem sie bereits beim Peter Muffin Trio musiziert hat. Sensationell ist ihr schillernder Kunststoff-Mantel, der – halb Panzer – direkt aus der Requisite einer Star Wars Episode stammen könnte. Dazu die goldene Schärpe, die sie schon in anderen Band-Setups getragen hat. Die ist genialerweise am Gurt ihres Basses befestigt und ich kann mich jedesmal wieder dafür begeistern, wie sich die Musikerin durch simples Überstreifen der Bassgitarre in eine Superheldin verwandelt. Keine Frage: Madame d’Orville versteht ihren Auftritt als Gesamtkunstwerk. Sie starten ihr Set im gewohnten Duo-Setup mit der Single „Durchgeknallt“. Bass, Schlagzeug und Gesang, das ist schon ziemlich radikale Reduktion und etwas spröde.

Im Laufe des Sets gesellt sich Kali (aka Edward Hunt) am Synthesizer hinzu und wenig später Deborah Vilchez (Perigon u.a.) am zweiten Schlagzeug. Der Abend nimmt an Fahrt auf, die zweite Single „Egal“ ist ein ähnlich irrer Trip wie das dazugehörige Video, das Doppelschlagzeug entfaltet seine volle Wirkung. Der Bass ist böse knarzig verzerrt, Calis Gesangsvortrag erinnert mich an die coolen Frauen der frühen NDW. Überhaupt sind Malaria und Gudrun Gut nicht die schlechtesten Referenzen hier. Es gibt übrigens kaum einen Song, der die Zuhörenden nicht durch Tempo- oder Rhythmuswechsel fordert. Leichte Kost ist das keinesfalls.

Die Zugabe startet mit einer überraschenden und mutigen Coverversion. Bettina Wegeners „Kinder (Sind so kleine Hände)“, das von unzähligen Klampfer:innen zu Tode gecovert wurde, bringt Cali solo mit Bass. Und was mit einzelnen wohlklingenden Tönen beginnt, steigert sich mit jeder Strophe, wird immer verzerrter und bedrohlicher. Respekt, das ist die vielleicht beeindruckendste Version, die ich bisher gehört habe und lässt mich in ihrer Eindringlichkeit schaudern. „Flusenteppich“ ist dann wieder ein klassischer Cali-Song (der mich ein wenig an Siouxsie denken lässt) und der einer der wenigen ist, die man auch auf Streaming-Plattformen hören kann. Denn auch hier geht Cali einen konsequenten Weg: Wer das gesamte Album haben will, muss einen Tonträger erwerben.

Setlist

Durchgeknallt
Zeit
Talking Water
Mr. Tom
Egal
Nagellack
Interlude
Ame Soeur
Frage (neu)
Strada

Kinder (Sind so kleine Hände)
Flusenteppich
Ayla

Cali

Blue Milk