CULK, VALTAVA, 18.05.2024, About Pop Festival, AKT, Pforzheim
Nach dem gestrigen Festivaltag, an dem einen immer wieder, ob des überwältigend vielfältigen Programms im Wizemann Areal, FOMO überkam, heute also der Tag der Clubs und anderer Locations. FOMO ist aber auch heute allgegenwärtig, es gibt einfach zu viele tolle Bands, die man gerne sehen möchte. Zum Glück gibt es ja den Gig-Blog, der versucht, über (fast) alles zu berichten.
In einer der anderen Locations bin ich also heute Abend, und zwar im AKT, dem Pforzheimer institutionellen Ausstellungsraum, der seit 2019 immer wieder mit komplexen Kunstausstellungen zu gesellschaftsrelevanten Themen von sich Reden macht. Aktuell ist hier die Ausstellung PUNK. SUBKULTUR. SOZIALISMUS. zu sehen. Eine Ausstellung, die den perfekten Rahmen für die beiden Bands Valtava, die heute mal wieder als Duo spielen werden, und Culk bietet, da nicht auf einer Bühne performt wird, sondern direkt innerhalb der Ausstellung, immersiv sozusagen. Beides zusammengenommen, diese einzigartige Location und die Tatsache, dass ich zwei meiner Lieblingsbands heute Abend hier besprechen darf, tröstet mich darüber hinweg, einige andere großartige Acts, die heute Abend in Stuttgart spielen, zu verpassen.
Gegen 19:15 betritt Jannick Reiser von Valtava mit seiner Gitarre die Bühne. Genau genommen gibt es keine Bühne, das Set ist wie gesagt direkt in der Ausstellung, Musikerinnen und Besucherinnen befinden sich auf Augenhöhe, was dem Ganzen eine sehr intime Atmosphäre verleiht. Jannick setzt sich, hat seine Gitarre auf dem Schoß, den Blick auf sein Instrument gerichtet. Im Hintergrund erstrahlt die Projektion eines sich sanft im Wind wiegenden Rapsfeldes. Erste zurückgenommene Gitarrenklänge erfüllen zart den Raum. Einfach schön, das Publikum lässt sich sofort fallen und lauscht. Nach circa fünf Minuten kommt Alexandra dazu, stellt sich hinter das Drumset und erweitert diesen Klangraum mit ihrem sensiblen Spiel und zartem, nur sporadisch eingesetztem Gesang. Das ist fast schon minimalistisch zu nennen und gerade durch dieses vorsichtige Vorgehen, durch ihre Zurückhaltung, entsteht etwas Ephemeres. Valtavas Musik mäandert durch den Raum, löst ihn geradezu auf. Musik und Visual gehen eine unglaublich dichte Symbiose ein, was bei mir die Assoziation eines sich langsam dem Ende zuneigenden, wunderbaren Sommers auslöst.
Doch Valtava wären nicht Valtava, wenn sie es einem zu leicht machen würden. Im Verlauf werden dissonante Elemente hinzugefügt, ein bisschen muss der geneigte Hörer ja trotzdem gefordert werden, reiner Wohlklang ist schließlich nicht alles. Und was toll ist, durch diese subtil eingesetzten Dissonanzen wird der hypnotische Sog nicht zerstört, er bleibt erhalten und gleichzeitig wird der Spannungsbogen des Konzerts erweitert. Gegen Ende setzt dann nochmals Alexandras zarter Gesang ein, der sehnsuchtsvoll durch den Raum schwebt. Nach 45 Minuten geht ein wunderbares Konzert zu Ende, ruhig und doch so intensiv.
Nach einer kurzen Umbaupause betreten Culk die Bühne, um ihr Set mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums „Generation Maximum“ zu beginnen. Einem Song über eine Generation, für die es schwer ist, die Hoffnung und den Glauben an die Zukunft nicht zu verlieren. Culks Texte haben eine extreme Kraft, große Empathie und reflektieren unsere Zeit mit enormem Tiefgang; für mich ist Sophie Löw aktuell eine der besten Songschreiberinnen. Texte mit dieser Tiefe und poetischen Kraft findet man nur ganz selten. Und die sensible Intonation Löws lässt einen dies auch in jedem Moment spüren. In dieser ungewöhnlichen Raumsituation, die rohen Ausstellungsräume und die das Set umgebenden Arbeiten der Ausstellung, lassen in Kombination mit der dichten, intensiven Musik Culks eine unglaublich zwingende Stimmung entstehen, deren man sich nicht entziehen kann. Culk spielen, wie schon im Februar im Merlin sehr kraftvoll. Jakob Herber am Bass und Christoph Kuhn am Schlagzeug erzeugen massive Rhythmen; Johannes Blindhofer an der Gitarre geht nach vorne, mit teils shoegazigem Hall der im A.K.T; besonders durchdringend ist. Punkige und noisige Elemente stellen eine in sich absolut stimmige Verbindung zur Ausstellung her.
Ebenso wie die Texte Sophie Löws. Texte wie im Song „Nacht“, in dem sie beschreibt, wie es sich als Frau anfühlt, sich bei Nacht alleine auf den Heimweg zu begeben. Die Angst vor sexuellen Übergriffen, wie Frau dazu genötigt ist, ein zweites, bequemes Paar Schuhe einzupacken, um diese nach dem Weggehen anzuziehen; man könnte ja in die Situation kommen, flüchten zu müssen. Unerträgliche Zustände. Und dies in einer Ausstellung, in der es unter anderem um Feminismus und Widerstand gegen patriarchale Herrschaftsstrukturen geht. Das hat schon eine ganz große, nachdenklich machende Intensität. Das alles ist zwingend, Kopf und Körper bewegend.
Ein komplexer Konzertabend bestehend aus zwei sehr unterschiedlichen Performances von zwei Bands, die absolut zu überzeugen wissen. Ein in sich mehr als stimmiges Liveerlebnis.