STRASSENMUSIKFESTIVAL JUBILÄUMSKONZERT, 16.05.2024, Blühendes Barock, Ludwigsburg
Eigentlich schon fast ein wenig peinlich: In zwanzig Jahren haben wir Gig-Blogger es nicht einmal geschafft, beim Straßenmusikfestival in Ludwigsburg vorbeizuschauen. (Ok, es gibt uns „erst“ 15 Jahre, aber trotzdem!) Da ist das Jubiläumskonzert, das auch gleichzeitig das Warm-up zur About Pop darstellt, der ideale Anlass, gleich zwei Leuchtturm-Events der lokalen Musikszene zu würdigen und diese Scharte auszuwetzen. Vor der Bühne, die im spektakulär schönen Blühenden Barock vor dem Residenzschloss aufgebaut ist, versammelt sich bereits um 19 Uhr ein ansehnliches Publikum. Ein fast feierlicher Rahmen, bei schönster Abendsonne, überwölbt von einem dunklen Himmel, der nichts Gutes verheißt.
Nach der knappen Eröffnung mit kurzweiliger Vorstellung der Veranstalter und Sponsoren starten die Bach Brothers den Reigen von insgesamt fünf Gigs, die man innerhalb von drei Stunden über die Bühne bringen will. Die Brüder Simon (22) und Immanuel (16) aus dem Kaiserstuhl sind die Gewinner des SONGS-Wettbewerbs der Popakademie und nutzen ihre 15 Minuten für einen absolut souveränen Auftritt. Der Opener ist „Fliegen“ , ihr Gewinner-Song mit zweistimmigem Harmoniegesang (nur Geschwister passen in den Stimmen so gut zusammen) und einem leicht jazzigen Posaunensolo. Der geschmeidige Singer-Songwriter Pop kommt beim Publikum und der versammelten Prominenz (wir sehen u.a. den Intendanten der Schlossfestspiele und den Gründungsprofessor der Popakademie) bestens an. Mit ihren sympathisch unbeschwerten Ansagen haben sie die Herzen der Zuschauer:innen jedenfalls sofort gewonnen.
Nahtlos weiter geht es mit der (in Berlin lebenden) Neuseeländerin Teresa Bergman. Sie ist, wie alle weiteren Bands des Abends, Gewinnerin des Publikumsvotings eines der vergangenen Straßenmusikfestivals, und bringt diese typische zwingend einnehmende Art auf die Bühne, die so vielen Straßenmusiker:innen zu eigen ist. Es ist ihr erster Gig nach einem halben Jahr Pause nach einer Knie-OP und sie bekennt, dass sie sich „auf ein Kühlpack und ein Bier“ nach dem Gig freut. Ihr leicht angejazzter Soft-Pop mit Folk-Wurzeln wird von ihrer unfassbar nuancenreichen Stimme dominiert. Die manchmal recht komplexen Songs mit überraschenden Wendungen lassen sich zwar schwerlich als Straßenmusik vorstellen, funktionieren in diesem Setting mit einem sehr aufmerksamen Publikum hervorragend.
Publikumsliebling und eine echte Straßenmusikfestival-Erfolgsgeschichte sind Beranger. Das Duo war schon mehrfach vertreten, hat letztes Jahr den Publikumspreis gewonnen und bekennt ganz offen, dass Ludwigsburg ein ganz wichtiger Punkt in ihrer Bandgeschichte sei. Mit ihrer unfassbar dynamischen Mischung aus Neoklassik, Bombastrock und großen coldplay’schen Melodien reißen die zwei mühelos jedes Publikum mit und erst recht dieses, das zu einem guten Teil aus ihren Fans zu bestehen scheint. Sie haben schon längst den Sprung in die Clubs und Säle geschafft, ClubCANN und Scala haben sie mal eben ausverkauft und wir nehmen uns fest vor, Beranger nochmal anzuschauen.
Natürlich gibt es auf dem SMF auch viele Coverbands, wie wir erfahren haben. La Diri soll eine der besten sein, hat auch bereits gewonnen und covert sich mit viel Professionalität und Publikumszuspruch von Gipsy Kings über „Nel blu, dipinto di blu“ (VOOO-LAA-REE!) zu Annenmaykantereit. Sicher etwas für Firmenevents und Hochzeitsparties, aber leider nichts für den Gig-Blog.
Dramatischer Höhepunkt des Abends ist der Auftritt der Rikas. Mit Sicherheit eine der besten Bands, die die Region Stuttgart zu bieten hat und deren Wurzeln in der Straßenmusik einen großen Teil ihres Charmes und ihrer geradezu zwingenden Bühnenpräsenz ausmachen. Dramatisch allerdings eher wegen des Himmels, der von Blitzen durchzuckt wird und ein fettes Gewitter ankündigt. Die Songs der Rikas sind federleichte, wunderschön arrangierte, soulige Popsongs mit Anleihen im Softrock und Yacht Rock. Technisch brillant und scheinbar mühelos dargebracht, unmöglich einzelne Musiker des Quartetts hervorzuheben, da hier die Mannschaftsleistung zählt. Bis zu vier(!)-stimmiger Harmoniegesang, dazu verschiedenste Klangfarben in den Einzelstimmen. Das ist einfach wunderschön und ein würdiger Abschluss eines Jubiläumskonzerts, das die gesamte Spannbreite der Straßenmusik präsentiert hat und Lust macht auf die nächsten 20 Jahre Straßenmusikfestival.