GLENN HUGHES, 05.05.2024, Im Wizemann, Stuttgart
Auf diesen Abend freue ich mich schon lange. Eines meiner ersten, selbst gekauften Musikalben war Black Sabbaths „Seventh Star“. Ein Outlyer im Katalog der Band, was unter anderem an Sänger Glenn Hughes liegt. Diesen Winter bin ich dann noch durch das Lesen seiner Autobiografie in das Glenn Hughes Rabbithole gefallen. Trapeze, Deep Purple, Gary Moore, Black Sabbath, KLF, Black Country Communion, just to name a few, eine endlose Liste an Mitwirkungen teils Musikgeschichte schreibender Platten. Zusätzlich Soloalben noch und nöcher, von denen ich an dieser Stelle sein 1977er Werk „Play Me Out“ empfehlen möchte. Eine reich instrumentierte und arrangierte Soulplatte, die Hughes Liebe zu Musikern wie Stevie Wonder dokumentiert. Wenn man von einer Musiklegende sprechen darf, dann ist das hier der Fall.
Gegen 20 Uhr darf aber erst mal die Band Rook Road aus dem Saarland ran. Beim Lesen der Rahmendaten „Saarländer Band, die Classic Rock spielt“ kommen bei mir erstmal ungute Vibes auf. Bitte kein hemdsärmeliger, bierwampiger Altherrenrock, bei dem der Zeiger auf der Cringe-Skala permanent am Ausschlagen ist. Doch, etwas überraschend für mich, die ersten 30 Minuten des Auftritts finde ich ziemlich super.
Rook Roads Musik bietet viel, was das Hören interessant macht. Die Songs bewegen sich oft im getragenen Tempo, werden aber selten langweilig, da man nicht schon eine Minute vorher weiß wie der Song weitergeht. Verschiedene, gut ineinandergreifende Parts mit interessanten Akkordfolgen. Kein Prog, aber ein durch die 70er inspirierter, schwerer Heavy Rock mit gut tarierter Hammondorgel und epischer Note. Vor allem der erste Song erinnert mich etwas an die Musik Europes der letzten Platten.
Wäre der Auftritt nach 30 Minuten beendet gewesen, hätte er mich extrem angetan zurückgelassen. Aber nachdem eine Ballade mit „für die Mädels“ angekündigt wird, und dieser Song mir tatsächlich zu schmalzy und unoriginell ausfällt, trübt sich etwas der Gesamteindruck. Konnte man 80er Bands für solche „Ausfälle“ noch dadurch entschuldigen, dass die Plattenfirma das so wollte, wegen Airplay, Verkäufe etc., fällt dieses Argument doch eigentlich heutzutage weg. Der abschließende, auch etwas simple Hardrocker ist für mich hörbarer, hält aber nicht das Niveau der ersten 30 Minuten. Trotzdem, ich nehme einen insgesamt guten Eindruck mit in die Umbaupause.
Zurück zu Glenn Hughes. Fast ebenso legendär wie sein musikalischer Beitrag war auch seine Drogensucht. Kokain war der Grund, warum Glenn vor allem in den 80ern sich den Ruf als einer der unzuverlässigsten Musiker erwarb, der sein musikalisches Talent verschwende. Seit über 25 Jahren clean und mittlerweile über 70 ist es kaum zu glauben, dass er im Gegensatz zu den meisten ähnlich alten Rocksänger*innen noch singt, als sei er 20. In einem Interview meinte er, dass neben viel Wasser trinken und schlafen ein weiteres Geheimrezept für diese Gesangsleistung sei, keine Angst zu haben beim Singen.
Dies wird gleich mal nachdrücklich untermauert beim ersten Song des Auftritts. Das famose „Stormbringer“ aus dem gleichnamigen Deep Purple ist einer von vielen, meist nicht stark genug gewürdigten Songs aus dieser Ära der Band. Die aktuelle Tour feiert ja das 50-Jährige Bestehen des „Burn“ Albums von Deep Purple. Das erste von drei Alben Mitte der 70er, in denen die Band mit Glenn Hughes und David Coverdale gleich zwei neue Sänger in der Formation hatte. Der deutlich funkigere, souligere Sound dieser Platten samt drogenbedingter Dysfunktionalität während der Tourneen sorgte dafür, dass diese Schaffensphase der Band gerne etwas untergeht. Völlig zu unrecht wie dieser Abend zeigen wird.
Mit einem Iren am Schlagzeug, einem Niederländern an den Keyboards und einem Dänen an der Gitarre hat er eine höchst kompetente Band neben sich, die genug Raffinesse hat, den Sound und das Gefühl dieser drei Platten wiederzubeleben. Vor allem Søren Anderson an der Gitarre hat die Ritchie Blackmore Trademarklicks samt Fender Stratocaster Sounds perfekt drauf, bringt aber auch genug seines eigenen Stils mit ein. Was zwangsläufig nicht „imitiert“ werden kann ist das Wechselspiel der Stimmen der damaligen Formation. Es gibt eben nur einen, der wie David Coverdale singen kann, bzw. konnte, und das ist er selbst. Aber in diesen Momenten wird einem eben auch klar, was für eine absolut herausragende, einzigartige Band das damals gewesen war.
Der fast zweistündige Auftritt wird mit Schlagzeug- und Gitarrensoli etwas gestreckt, auch sind die Song-Outros manchmal etwas lang geraten, aber das ist jetzt arge Mäkelei. Denn eigentlich ist man über jede Sekunde froh, die man mit Glenn Hughes heute Abend zusammen verbringen kann. Seine Gesangsleistung ist beeindruckend, seine Stimme so ein einzigartig wie essenzieller Bestandteil der eigenen Musikerinnerungen, dass man gar nicht anders kann, als permanent angefasst zu sein. Ganz nebenbei ist er auch noch ein kompetenter Bassist, geht manchmal vielleicht auch etwas unter.
Die Songauswahl bietet das Beste aus den drei Platten „Burn“, „Stormbringer“ und „Come And Taste The Band“. Ich hätte mir vielleicht noch „You Can Do It Right“ (bin mir nicht mehr ganz sicher, ob das kurz angespielt wurde) gewünscht, aber das war’s auch schon. Schön, dass auch Tommy Bolins kurzer Beitrag zur Bandgeschichte mit den ganz hervorragenden „Gettin‘ Tighter“ und „You Keep On Moving“ gewürdigt wird. Bei letzterem gibt es goose bumps galore, der Konzertbesucher neben mir taucht in seine eigene Welt ab. Episch und soulig zugleich, ein typisches Markenzeichen des damaligen Deep Purple Sounds.
Eine sehr erfreuliche Tatsache dieses Konzerts ist es, dass wir hier nicht nur mit Nostalgie überschwemmt werden, sondern auch erfahren, dass Hughes weiterhin nicht ans Aufhören denkt. Und zwar erfreulicherweise nicht nur was das Touren angeht, sondern auch das Erschaffen neuer Musik. In diesen Tagen wird nicht nur das neue The Black Country Communion Album erscheinen, ein weiteres Soloalbum von ihm ist ebenfalls geplant.
Es gibt nur natürlich nur einen möglichen Abschluss für diesen Abend, und das ist der Song „Burn“. Paradoxerweise für viele Fans, auch diejenigen, die eigentlich Deep Purple nur mit Ian Gillan akzeptieren, möglicherweise der beste Song der Band. Ein Song der sowohl Speed- als auch Power-Metal vorwegnimmt. Riff, Verse, Chorus, die Soli, alles an diesem Song ist ein Meisterwerk. Und so endet ein Legendenabend, der alles gehalten hat, was er versprochen hat.