MAECKES, ÄTNA, 03.05.2024, Das K, Kornwestheim
„Das fühlt sich an wie der Beginn der Festivalsaison“, begeistert sich Inéz Schaefer im gut gefüllten Festsaal des Kornwestheimer Kultur- und Kongresszentrums „Das K„. Angesichts des etwas nüchternen Zweckbaus vielleicht eine etwas steile Ansage der Ätna-Sängerin, bezogen auf die äußerst positive Stimmung im Saal aber durchaus nachvollziehbar. Für die Auftaktveranstaltung des About Pop-Festivals ist es allerdings 100% wahr. Während wir – wie viele andere – die beiden ersten sogenannten Pre-Sessions verpasst haben, herrscht hier in der dritten Ausgabe guter Publikumszuspruch. Und wenn dieser Abend einen Vorgeschmack auf das Festival geben soll, kann man erfreut konstatieren: Dieses Event ist eine großartige Werbung und macht Lust auf mehr!
Es ist gar nicht so klar, ob mehr Zuschauer:innen wegen Ätna oder wegen des Lokalmatadoren Maeckes den Weg ins K gefunden haben, „den Weg gefunden“ gilt aber für fast alle, denn eine spätere Umfrage im Publikum ergibt, dass fast alle angereist sind (und sei es nur aus Stuttgart) und nur die wenigstens aus K-heim kommen. Ätna starten Punkt 20:00 Uhr mit ihrer Show, die von musikalischen Überraschungen, technischen Gimmicks und verrückten Design-Ideen nur so strotzt. Haben wir das Duo auf dem Mailfeld-Derby oder auch in der Dieselstraße in der Bühnenshow noch eher statisch wahrgenommen, gibt es hier keine ruhige Minute.
Zwischen zwei beweglichen Elektronik-Konsolen, dem Schlagzeug und der Keyboard-Station pendeln Inéz Schaefer und Schlagzeuger Demian Kappenstein permanent hin und her. Die elektronischen Tracks, die nur selten eine konventionelle Songstruktur haben, changieren von nervösen Breakbeats über stampfenden Techno bis hin zu irisierendem Gefrickel und theatralischen Elektro-Pop-Balladen. Bei den Stimmen wird kein Elektronikeffekt ausgelassen, Auto-Tune ist da noch der konventionellste. Dabei ist Inéz‘ Stimme, die seit ihrer Kooperation mit Peter Fox wirklich jeder kennt, schon allein ein Highlight in Ätna’s Performance. Für die frühe Stunde entwickelt sich jedenfalls eine gute Partystimmung. (Die nur dadurch ein wenig getrübt wird, dass man im „Das K“ den Bierdurst einer Partycrowd offenbar massiv unterschätzt hat und die Durstigen nach langem Warten nur lauwarmes Wulle gereicht bekommen).
Nach einer guten Stunde und mindestens vier Kostümwechseln, darunter irre Laserhandschuhe, Spiegelkugelhelm und Stiefel mit Hüpfmechanismus, ist das Publikum jedenfalls bestens aufgewärmt für Teil zwei des Abends. Die Umbaupause überbrücken wir, indem wir die FOMO ob des überwältigenden About-Pop-Festivalprogramms durch den Austausch ausgetüftelter Zweitagespläne unter Kontrolle zu bekommen versuchen. (Leider mit eher gegenteiligem Effekt)
Ganz ehrlich: Die Orsons, und damit auch Maeckes, hatte ich unter „Abiturienten-Hip-Hop“ abgelegt und mich nicht weiter damit beschäftigt. Zumindest was Maeckes betrifft, ein großer Fehler, wie sich heute herausstellen wird. Zunächst muss aber mal der geniale Schachzug gelobt werden, den in Kornwestheim aufgewachsenen Künstler ausgerechnet in seine Heimatstadt zu buchen. Klingt banal, ist aber auch für Markus Winter aka Maeckes ein besonders emotionales Erlebnis, hat er doch in seiner gesamten Karriere noch nie dort gespielt. Und dies wäre nun fast auch noch gescheitert, hat er sich doch kurz vor dem Gig derart am Arm verletzt, dass er selbigen in einer Stützkonstruktion tragen muss und die Präsentation seines aktuellen Werks „gitarren album“ ohne das notwendige Saitenintrument stattzufinden drohte.
Doch dieses Manko wandelt sich in einen Pluspunkt des Konzerts. Mit Bertram Burkert hat Maeckes nicht nur einen genialen Gitarristen angeheuert, die Interaktion zwischen den beiden setzt immer wieder erheiternde Impulse und Maeckes – ganz unbescheiden im silbernen Anzug – hat die verbliebene Hand frei, um mit der Nonchalance eines großen Entertainers seine Darbietung durch lässige Gesten zu unterstreichen.
Diese Darbietung besteht zu einem guten Teil aus den Songs seines neuen Albums und die haben mit Rap nur wenig zu tun. Es sind eher Popsongs oder gar Chansons mit großer erzählerischer Kraft und einer Menge Humor. Schon mit „aber alles gut“ hat er das Publikum in seinen Bann gezogen, „bucketlist“ ist eine eindrucksvolle und zutiefst persönliche Zusammenfassung seines bisherigen Lebens. Dramatisch, offenherzig und absurd. „dein name“ aus der (angeblichen) Reihe „kapitalistischer Liebeslieder“ entwickelt sich zu einem krassen Konzertmoment. Das Prinzip, dass er das Lied der Person widme, die ihn dafür zahle, und zwar so lange, bis jemand anderes überbiete, nimmt einen irren Verlauf. Nach dem Einstiegsgebot von 2 Euro ist der Preis innerhalb von drei Runden auf sagenhafte 100 Euro gestiegen, was selbst dem redegewandten Bühnenprofi die Sprache verschlägt. Und so singt er mit (bezahlter) Inbrunst:
Dieses Lied ist nur für <Diana>,
die ich wirklich gerne mag.
Nicht nur für ihre <blond>en Haare,
nein auch für ihre Art.
…
<Diana>, dieses Lied ist nur dich alleine auf der Welt
und daran wird sich auch nichts ändern,
außer jemand anders zahlt mir noch das doppelte Geld.
Mindestens genauso schön der Easy-Listening-Chanson „die parties der eltern als man noch kind war“ mit seinem überraschenden Perspektivwechsel. Der Song „der brand nach dem feuerwehrfest“, den er im Konzert wie auf dem Album als fünfteiliges Mini-Dramulett zwischen die anderen Songs verteilt, scheint – wie er selbst feststellt – nicht richtig zu zünden, wird aber konsequent durchgezogen. (Gut so, ich finde ihn unfassbar witzig.) Mit einem eigens für das Konzert generierten KI-Song, den er von seinem Handy abspielt und durch ironische Mimik untermalt, führt er die aufs erste Hören erschreckend glatte Professionalität und gleichzeitig peinliche Inhaltsleere dieser seelenlosen Kunstprodukte vor. Wer nun aber glaubt, in einer lustigen Nummernrevue gelandet zu sein, wird mit „liebesbrief von der f“ eines Besseren belehrt. Diese Ballade, der Brief eines fiktiven Soldaten von einer imaginären Front, entwickelt erst über die Strophen hinweg das ganze Grauen. Es stellt sich heraus, dass sich der Soldat in einem Krieg befindet, den sein Land angezettelt hat, nachdem man lange die Rechten unterschätzt hatte und diese an die Regierung gekommen sind. Großer Respekt und Dank für den eindringlichsten Polit-Song seit Danger Dans „Kunstfreiheit“!
Natürlich kann ein Maeckes-Konzert nicht ohne Hip-Hop und wildes Getanze stattfinden. Und so dreht er gegen Ende des Gigs nochmal richtig auf. Bei „Partykirche“ werden alle Register gezogen. Mit einer „Wall of Death/Love“, Bierduschen und Pogo wird das ehrwürdige Kongresszentrum dann doch noch in einen veritablen Club verwandelt und mit dem ersten Gig in seiner Heimatstadt hat der Kornwestheimer ein erstes Highlight der About Pop gesetzt! (Und ich muss mir eingestehen, dass ich diesen großartigen Künstler und Wortakrobaten weit unterschätzt habe. Definitiv ein Gig für die Bestenliste. Aber alles gut. ;) )