FISCHER-Z, 30.04.2024, Im Wizemann, Stuttgart
Bewährte Methode zur Altersbestimmung: Anteil der Konzert-Handies im Querformat ermitteln. Bei Fischer-Z satte 100% Landscape-Modus, ergo 100% Boomer, 0% Generation TikTok. Und der Gig-Blogger mitten in seiner Altersgruppe. Richtig überraschend ist das nicht, denn schon bei unseren letzten Konzertbesuchen 2017, 2020 und 2022 zeichnete sich ab, dass der inzwischen bald 70-jährige John Watts zwar eine sehr treue Fan-Gemeinde hat, dass er vom 80s-Hype unter den Jungen aber nicht profitiert. (Oder ist dieser Hype auch schon wieder vorbei?) Ob es jetzt daran liegt, dass viele in der Generation 50plus nicht mehr so auf Konzerte gehen, oder ob der knackige Eintrittspreis von 50 Euro den einen oder die andere abgehalten hat; die Halle des Wizemann ist jedenfalls diskret bei Zweidritteln abgehängt. Dabei haben die letzten Konzerte durchweg überzeugt und mit „Triptych“ ist ein absolut hörenswertes neues Album am Start.
Wie er schon in unserem Interview klarmachte, hat er ein besonderes Verhältnis zu Russland. Und so schlägt er – nach dem obligatorischen „Hello, Stutti!“ – mit seinen zwei Opener-Songs – „Remember Russia“ und „A Plea“ vom aktuellen Album – einen souveränen Themen-Bogen über 45 Jahre seiner Polit-Pop-Songs. Die schon immer den stärksten Teil seines Œuvres ausmachen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, schiebt er auch gleich nach, dass es überall großartige Menschen gäbe, in Russland wie in Syrien, Iran oder Israel – sie würden halt alle von Arschlöchern regiert.
Sehr schön ist, dass seine solide aufspielende Band bei den alten Titeln relativ nah an der reduzierten Form der Originale bleibt und nicht, wie beim Gig 2017, mit Girlanden versieht. Mit „Wax Dolls“, „Tightrope“ und „Man in Someone Else’s Skin“ bringt er dann erstmal ein paar weniger bekannte Tracks, was das ohnehin noch nicht übermäßig aufgeheizte Publikum eher zurückhaltend aufnimmt. Das wird aber auch der einzige ruhige Teil des Abends bleiben. Denn ab jetzt folgt ein Hitfeuerwerk, das mit „Room Service“ beginnt und bis zum Ende des offiziellen Teils wirklich alles bietet, was das Fan-Herz begehrt. Ein guter Teil davon vom epochalen „Red Skies Over Paradise“ Album, darunter natürlich auch „Cruise Missiles“ und „Berlin“. (Der Sound ist übrigens durchweg brillant. Tut der große Molton-Vorhang eventuell der Akustik gut?)
Ein Höhepunkt des Konzerts ist allerdings ein Solo-Set mit Akustik-Gitarre, in dem Watts „The Hamburg Beat“ und (erstmals gespielt) den Song „Super Moon“ zum Besten gibt. Was mir schon beim Corona-Gig im Römerkastell klar wurde, bestätigt sich hier: Fischer-Z braucht nicht mehr als John Watts, seine unverwechselbare Stimme, seine einnehmende Art, seine enorme Bühnenpräsenz – und eine Gitarre. Als es dann doch heiß wird auf der Bühne, wartet die korrekt in Jacketts gekleidete Band tapfer ab, bis der Frontmann sich endlich seines Sakkos entledigt und noch kurz eine eherne Regel der britischen Kleiderordnung ausgibt: „Jackets first, trousers second.“
In Vorbereitung auf das erwähnte Interview habe ich das aktuelle Album „Triptych“ sehr zu schätzen gelernt und so bin ich fast versucht, mehr von den neuen Songs zu fordern. Ein Satz, den Watts garantiert noch nie auf einem Konzert gehört hat. In der Zugabe bringt er zwar noch „Still on the Train“ vom besagten Neuling, aber mit „Nefertete“ oder der bösen Brexit-Abrechnung „Amoral Vacuum“ hätten noch mindestens zwei weitere Titel einen Platz auf der Setlist verdient.
Mit zwei ausgiebigen Zugabe-Runden, die natürlich das obligatorische „Marliese“ enthalten, endet nach knapp zwei Stunden ein weiterer Fischer-Z-Abend, der keinen Zweifel daran lässt, dass mit John Watts ein Großer der britischen Popkultur deutlich besser altert als viele seiner Altersgenossen. Und ich habe keine Zweifel, dass er in zwei bis drei Jahren mit einem neuen Album an gleicher Stelle seine Fans empfangen wird.