EN ATTENDANT ANA, JFR MOON, 03.04.2024, Merlin, Stuttgart
Die Band hat sich laut Legende nach einer Kellnerin einer Brüsseler Bar benannt, auf die die Musiker*innen warten mussten, da besagte Ana einen rowdyhaften Gast zurechtweisen musste, bevor sie die Getränke servieren konnte.
Musikalisch bewegen sich EAA auf ihren Alben zwischen New Wave und sympathisch verspieltem Schrammelpop; Musik die ihre Spannung aus den Gegensätzen einer sowohl leichten, als auch ernsthaften Weltbetrachtung zieht. Eine Betrachtung der Welt im Zustand der Absurdität. Kann man somit gar, den Bandnamen betrachtend, einen Beckettschen Bezug herstellen? Lassen wir uns also überraschen welche Gefühlszustände heute Abend auf der Bühne vermittelt werden.
Doch zuerst betritt JFR MOON als Support-Act die Bühne. Moon, auch bekannt als Mitglied der Postpunk Band Human Abfall, hat im letzten Jahr sein neues Album „In A Bubble“ veröffentlicht. Dieses ist eine gelungene Mixtur aus Indiepop mit Synthesizern, eine spannende Mischung aus tanzbarer Eingängigkeit und Ernst.
Das Set beginnt sehr relaxt, die Gitarre ist geradezu luftig, die Rhythmusgruppe zurückhaltend und der Gesang von Fabian Drung aka JFR MOON geradezu lakonisch. Das erinnert mich in seiner Entspanntheit an den Surfsound der späten Sechzigerjahre. Diese Lässigkeit wird zunehmend in den Synthie-Pop überführt, der sich eindeutig im musikalisch reichhaltigen Repertoire der Achtziger bedient. Doch trotz all dieser Reminiszenzen gelingt es Drung dies alles sehr heutig klingen zu lassen. Die Musik ist aber nicht nur gefällig, sie hat auch Widerhaken. Kuriose Sounds, die Streckenweise an frühe Computerspiele erinnern, sind ebenso vorhanden, wie auch psychedelische Elemente und Synthiesounds die aus einem 80er Filmsoundtrack a la „La Boum“ stammen könnten.
Dies macht großen Spaß und verbreitet gute Laune, was natürlich auch an den musikalischen Qualitäten der Band liegt und der sichtlichen Spielfreude der Musiker*innen. Das wird vom Publikum begeistert aufgenommen und mit euphorischem Beifall quittiert. Als Zugabe gibt es dann noch eine sehr stimmungsvolle Singer/Songwriter Solodarbietung von Fabian Drung.
Das Konzert von EN ATTENDANT ANA beginnt mit dem zarten, sehr gefühlvollen Gesang von Margaux Bouchaudon und einem fast schon ephemeren Gitarrensound, der abrupt an Tempo zulegt um kurz darauf von Camille Fréchous Trompetenspiel ergänzt zu werden. Schnell ist klar, das ist wirklich perfekt gemachter Indiepop. Ich bin unmittelbar von der Band aus Paris, die sich aktuell auf ihrer ersten Deutschlandtour befindet, begeistert und wenn ich in die Gesichter des Publikums schaue, geht es nicht nur mir so. Die Rhythmik wird durch das tolle Drumming von Adrien Pollin und dem lässig gespielten Bass von Vincent Hivert zunehmend treibender und der Sound komplexer. Das ist deutlich mehr als Schrammelpop und Indie, das ist ein spannendes Amalgam unterschiedlichster Genres; von Indie über New Wave bis zu Jazz reicht dieser eklektische Sound. Dies wirkt aber nie gewollt, nie künstlerisch überambitioniert, es bleibt ein jederzeit organischer Gesamtsound, der durch den sehr charmanten, in Teilen chansonhaften Gesang von Bouchaudon, komplettiert wird. Die Musik geht nach Vorn, ist treibend und bekommt, vor allem wenn die Trompete einsetzt, einen melancholischen Unterbau. Gegen Mitte des Sets gibt es eine auf französisch gesungene und sehr gefühlvoll vorgetragene Coverversion von Carson Parks 1967 geschriebenem Song „Something Stupid“, der in der Version von Frank und Nancy Sinatra zum Hit wurde. Das ist ganz zauberhaft.
Im Anschluss legt das Tempo zu, die Rhythmik intensiviert sich, ein Saxophon kommt hinzu, was für eine wohldurchdachte Irritation sorgt und den Hörer fordert; Langeweile kommt daher, trotz der immer noch vorherrschenden Harmonik, definitiv nicht auf. Das Konzert bleibt nicht nur spannend, nein es gewinnt sogar noch an Spannung hinzu. Diesen Spagat aus wohligen Harmonien und irritierenden Dissonanzen muss man erstmal hinbekommen und nicht genug, es werden noch weitere Einflüsse und Bezüge hörbar, psychedelisches und krautrockiges entführen in eine eigene Welt, aber auch Easy-Listening Anleihen die an Stereolab erinnern, verführen uns Konzertbesucher. Und all dies passiert in straffen 50 Minuten.
Doch zum Glück gibt es Dank des überwältigenden Applauses noch eine Zugabe. Hier zeigt sich auch die Qualität des neuen Gitarristen (ich muss leider gestehen, dass ich seinen Namen nicht richtig verstanden habe), der erst seit wenigen Wochen Teil der Band ist, da er nun einen Song spielt, den er noch nicht proben konnte und dies wirklich souverän meistert. Nach einer Stunde ist diese musikalische Reise, die mit ihren Spannungsbögen und der unglaublichen stilistischen Breite mehr als überzeugte, nun leider vorbei. Ein Konzertabend getragen von harmonischen Melodien, einer unterschwellig mitschwingenden Melancholie und einer positivistischen Grundstimmung die die Vorfreude auf den Sommer befeuert.
Und hier sind wir dann doch vielleicht bei Beckett, diese dargebotene Vielstimmigkeit der Gegensätze, die so gut die Absurdität unseres Seins beschreibt. Ich hoffe, dass wir nicht vergeblich auf ein baldiges Wiedersehen mit EN ATTENDANT ANA warten müssen.
Ach ja, was noch unbedingt erwähnt werden muss: dieser vielschichtige Sound wurde ganz vorzüglich abgemischt!
En Attendat Ana
JFR Moon
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