AD NAUSEAM, DEVOID OF THOUGHT, 29.03.2024, P8, Karlsruhe
Pope Francis macht es vor, wie es Jesus damals hätte machen sollen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme konnte er „leider“ an der Kreuzwegspassion nicht teilnehmen, jemand anderes musste ran. Hätte old J. damals ein Attest eingereicht (wg. Skoliose z.B.) wären uns so komische Tanzverbotstraditionen erspart geblieben. Ad Nauseam und Devoid Of Thought schert das aber eh nicht. Die kommen aus dem tiefkatholischen Italien, in dem Karfreitag nicht mal ein Feiertag ist. Also schert’s uns auch nicht.
Mal wieder eines dieser Blind Date Konzerte. Die Beschreibung der Bands auf der P8 Homepage klang überzeugend. Außerdem kann das P8 seit den Konzerten von Messa, Imperial Triumphant oder New Candys im letzten Jahr auf mich als Fan zählen. Tolle Halle, super Booking und stabiles Mindset (der gut sichtbare „Against All Antisemitism“-Banner mit Davidstern prangt z.B. einladend am Eingang).
Death Metal steht heute also auf dem Programm. Von den drei vielleicht bekanntesten Extreme-Metal Subgenres Thrash-, Black- und Death-Metal die Spielart, mit der ich noch am meisten fremdele. Außer den Debüts von Morbid Angel und Death konnte ich mit dieser Spielart bisher nicht so viel anfangen. Überzeugungsarbeit ist also angesagt.
Devoid Of Thought betreten kurz nach 21 Uhr die Bühne und erschaffen mit ihrer Musik einen faszinierenden Sog. Stellt der tiefe Gesang im Death Metal oft eine unüberwindbare Hürde für mich dar, verschwimmt der gutturale Vortrag von Andrea Collaro hier angenehm als weiteres Element im enorm dichten und komplexen Sound. Ein bisschen erinnert mich der apokalyptische Grundvibe dieser Musik an die letzten, fantastischen Alben der französischen Avantgarde Black Metaller von Blut Aus Nord. Ein verstörender Malstrom aus flirrender, düsterer Dämonenmusik. Und trotz dieser hypnotischen Ausstrahlung ist viel Abwechslung im Spiel. Tempiwechsel, rasende Blastbeats wechseln mit doomigen Parts…Ehrensache, dass wie so oft im Metal großes musikalisches Handwerk bei allen Bandmitgliedern zu konstatieren ist. Dickes Lob an den Soundmann, der es schafft dieses tief gestimmte, komplexe Knäuel für uns gut hörbar zu entwirren. Super Auftritt, der den Erwerb meiner dritten Death Metal CD am Merch nach sich zieht.
Der Auftritt von Ad Nauseam legt dann in Sachen Un-Poppigkeit noch einen nach. Vielleicht sogar noch eine Spur versierter an ihren Instrumenten, scheinen sich die Songs, gespielt wird das gesamte, letzte Album „Imperative Impercetible Impulse“, einzig und allein auf Dissonanzen aufzubauen. Nichts was man als harmonisch empfinden würde, keine Akkordwechsel, die irgendeine Er-, bzw. Auflösung bieten würde. Das erinnert mich teilweise an die Werke so großartiger RIO-Bands wie Present oder Univers Zero. Also nichts was man nach ein paar Takten nachpfeifen würde.
Die zwei Gitarren spielen dabei grundsätzlich immer eigene, sich zugleich ergänzende wie widersprechende Parts. Der Gesang ist, ähnlich wie bei der Vorband, dabei nur ein weiteres Sounddetail im Gesamtgefüge, und glücklicherweise auch nicht so grabestief wie bei anderen Death Metal Kolleg*innen. Auch hier ist im hypnotischen Gesamtkontext viel Raum für Komplexität und Abwechslung. Man könnte sich sogar vorstellen, dass besonders tolerante Liebhaber*innen avantgardistischer, moderner Klassik Gefallen daran finden können.
Circa eine Stunde dauert dieser so begeisternde wie sehr fordernde Trip. Für meine Ohren genau die richtige Länge, denn ein 60 Minuten lang andauernder Zustand der dissonanzbedingten ständigen Anspannung ist wirklich anstrengend. Das Outro wird dann ganz leise, und erinnert mich in seiner verstörenden Schönheit etwas an Twin Peaks. Ein sehr beeindruckender Auftritt, ein sehr intensives Erlebnis, und meine insgesamt vierte Death Metal CD wird sich am Merch geholt. Auf der Rückfahrt muss ich mir dann aber erst mal die Beach Boys oder Rumer anhören, bzw. Beides.
Ad Nauseam
Devoid of Thought