FUFFIFUFZICH, 15.01.2024, Im Wizemann, Stuttgart
Der Duden führt als Bedeutung des Worts „Freak“ diese beiden Möglichkeiten auf:
1. „Person, die sich nicht ins normale bürgerliche Leben einfügt, die ihre gesellschaftlichen Bindungen aufgegeben hat, um frei zu sein.“ 2. „Jemand, der sich in übertrieben erscheinender Weise für etwas begeistert.“
Da ließe sich eine muntere Erörterung verfassen, in welcher Weise die „Popfreaks-Reihe“ des Merlin dieser beiden Bedeutungen entspricht. Bevor ich hier aber mit dem Triptychon des Schulaufsatzes (Einleitung – Hauptteil – Schluss) starte, belasse ich es bei einem innigen Dankeschön an das Kulturzentrum in der Augustenstraße, dass sie sowohl in diesem als auch im kompletten Programm jahrein und jahraus Menschen eine Bühne geben, die auf vielfältigste Weise dieser schnöden Worterklärung ganz viel Leben und Liebe einhauchen.
Am vergangenen Montag folgte die Musikerin „Fuffifufzich“ schon zum zweiten Mal der Einladung des Merlins und da beim ersten Mal die gute Stube schon voll war, wurde für den zweiten Abend der freakigen Konzertreihe der Club des „Im Wizemann“ gebucht (den Reigen eröffneten am Samstag zuvor bereits die Bands „Dolphins“ und „Eazy“). Dieser war dann auch gut gefüllt, als der Support „Ulla Suspekt“ die Bühne betritt. Verzerrte Klänge ertönen, eine grüne Neonlichtröhre leuchtet auf, mit der diese Klänge auf oder mit oder durch einen Bass erzeugt werden. Kurze Pause. Musik vom Laptop, der erste Song „Ich zünd ‚ mich an“, welcher durch ein abruptes Fadeout beendet wird. Ulla Suspekt greift zum Bass und spielt diesen nun ohne Lichtschwert zu den Klängen von „Ich bin toxisch“. Die Songs werden durch das Betätigen eines großen roten Buzzers gestartet und Song für Song entsteht ein Bild dieses Sounds – rau, viel Post- und interessante Texte. „Peter, der Frauenbeater“ sei an dieser Stelle exemplarisch genannt.
„Fuffifufzich“ schiebt sich Stück für Stück mehr auf eine Ebene der Aufmerksamkeit, was dazu führt, dass eine euphorisierte mittlere dreistellige Zahl an meist jungen Menschen erwartungsfroh an einem Montag ins Wizemann pilgert. Am Ende des alten Jahres entstand eine Folge des ZEIT-Podcasts „Und was machst Du am Wochenende“, in der sie unter anderem verrät, dass sie „2018 mit Sonnenbrille und zurückgegelten Haaren auf die Welt“ gekommen sei. Und diese Welt scheint vor allem die Bühne gewesen zu sein, so selbstsicher und mit großer Freude an der Performance präsentiert sie sich von Beginn des Konzerts an. Da ist keine Phase der Eingewöhnung notwendig, kein Abtasten – es vermittelt sich sofort das Gefühl: Ich hab Lust, Ihr auch? Dann los!
Der erste Song des Abends ist ihr erster Song aus 2018 („Life is scheise du bist nicht dummi“), dem Jahr ihrer Geburt. Und gleich ist klar, vor und auf der Bühne ist die Lust sehr groß auf einen bewegten Abend, so sehr, dass einige Male ein E-Pad des Keyboarders JungTschoTscho Euphorie & Rhythmus ins Wanken gerät. Der Sound, das Bühnenlicht und der Bass von Lordi schieben gleich zu Beginn mächtig an und so klingen die Songs nach der ganz großen Bühne – Chapeau an die Menschen an der Technik. Zusammen mit der Bühnenpräsenz gefällt mir das noch um ein Vielfaches besser als auf dem heimischen Sofa. Zudem wird immer wieder deutlich, wie sehr das Trio sein Publikum schätzt und Situationen, in denen das E-Pad wieder aufgebaut werden muss, nutzt, um mit dem Publikum zu interagieren. Das wirkt keinesfalls anbiedernd, sondern zugewandt, wenn Fuffifufzich im Publikum auf Stimmenfang nach dem schwäbischen Lieblingswort des Publikums geht (über das genannte „Glotzböbbel“ lässt sich streiten, aber dazu ist dieser Abend zu schön), vom Band-Besuch der Böblinger Therme erzählt oder vier Besucher*innen einlädt, um zu „Party Hardy“ mit ihr auf der Bühne zu tanzen.
So wird im Laufe dieses verzückenden Abends jeder Song ein eigenes Highlight: „Schick Deluxe“ bewegt mit seinem herrlich hypnotischen Synthie-Pattern weitere Teile des Publikums zum Tanzen, einer der schönsten Publikums-Chöre der letzten Zeit ist bei „Heartbreakerei“ zu vernehmen, es wird zu „Zur Hilfe“ geschaukelt auf der Bühne (sieht sehr nach der Original-Schaukel von „Lucilectric“ aus), es wird Herbert Grönemeyers „Alkohol“ gecovert und mit „Kontrollverlust“ noch ein Hit aus dem Ärmel geschüttelt, der wirklich niemanden mehr ruhig stehen lässt. Doch auch genau das Gegenteil gelingt – andächtig wird gelauscht und geschwelgt in dieser herrlichen Version ihres Songs „Ciao amore mio“, die mich seit meiner Entdeckung jedes Mal wieder in übertrieben erscheinender Weise begeistert. Bis zum nächsten Mal in Stuttgart – es gibt noch viele Thermen zu entdecken und musikalische Herzen zu erobern.