SARAH CONNOR, 12.12.2023, Porsche Arena, Stuttgart
Zwar nicht ganz weihnachtlich in Weiß gehüllt, sondern in strömendem Regen, machen wir uns heute auf zur Porsche Arena, um uns von Sarah Connor im Rahmen ihrer Weihnachts-„Not So Silent Night“-Tour wohlig in das besinnliche Jahresende begleiten zu lassen. Vorab kann ich schon mal verraten, dass das heute gesanglich das beste Konzert dieses Jahres werden wird. Sarah Connor gehört definitiv zu den Besten, die in unserem Land ein Mikro in die Hand nehmen.
Es braucht heute keine Vorband, denn als Sarah vom hinteren Ende der Arena mit dem „Christmas Train“ und ihrer wahnsinnigen Stimme alle an Bord holt und durch das Publikum wandert, wünscht man sich nur noch einen Glühwein in der einen und eine Bratwurst in der anderen Hand. Auch das Outfit für den heutigen Abend ist ein echter Hingucker, denn Sarah erstrahlt im lila Pailletten-Overall und funkelt von oben bis unten. Ähnlich ausladend wie das Festmahl an Heiligabend erwartet uns heute ein extrem üppiges 145-minütiges Programm. Auch auf der Bühne lässt sich Sarah nicht lumpen und zwischen riesigen LED-Podesten findet sich eine 10-köpfige Band ein, darunter ein Streichquartett. Das Resultat ist ein extrem starker, raumfüllender Sound, der Sarahs Stimme perfekt untermalt und den ganzen Abend über hin und her switcht zwischen Jazz, Swing, Rock, Gospel und viel Pop.
Beim zweiten Song „Jolly Time Of The Year“ fühle ich mich sofort entführt in ein verschneites kleines Dorf irgendwo in England, sitze mit Freunden in einem überdekorierten Pub, Eggnog trinkend und auf einer kleinen Bühne singt diese verdammt gute Künstlerin. Ja – wir haben erst vor kurzem „Liebe Braucht Keine Ferien“ angesehen und ich beneide Kate Winslet um ihr Häuschen und das kleine Dörfchen, in dem sie lebt.
Auch Sarahs Bühnenansprachen sind sehr nahbar und warm. Mal wird in ruhigeren Momenten mit der Ballade „Santa If You’re There“ der verstorbenen Oma gedacht, doch kommt auch der Spaß heute Abend nicht zu kurz. Denn Sarah kündigt an, im späteren Verlauf des Abends die Textsicherheit der Besucher zu überprüfen – natürlich eine Anspielung auf ihre legendäre Interpretation der deutschen Nationalhymne. Dabei soll sich herausstellen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ein Weihnachtskonzert besuchen und Probleme mit dem Text von „Oh Tannenbaum“ haben.
Mit eben jenem Klassiker schreitet Sarah von der Bühne herunter und stimmt ein Medley der deutschen Weihnachts-Evergreens an und überrascht immer wieder die Besucher mitten im Song, wenn sie ihnen das Mikrofon vors Gesicht hält. Auch für erleichterten Unbeteiligten ist dies ein Riesen-Spaß, denn mal überrascht eine wirklich gute Stimme und mal entfährt mir nur ein „um Himmels willen“. Auch die ganz kleinen dürfen nun zu Sarah rennen und dabei kommt die erfahrene Mutter von vier Kindern heraus. Sarah setzt eine Altersgrenze von 10 Jahren an, denn darüber haben die meisten schon Smartphones und darauf hat sie überhaupt keine Lust. Darum trollen sich innerhalb kurzer Zeit eine ganze Meute Knirpse um sie herum … darunter hat sich natürlich auch eine 16-Jährige geschlichen – mit Smartphone. Nicht ganz so charmant wird ihr die Bitte um ein Selfie verwehrt und Sarah singt auch mit den Kleinen ein Medley deutscher Weihnachtshits. „In der Weihnachtsbäckerei“ ist ein Selbstläufer, beinahe jeder Ton sitzt und es ist schön zu hören/sehen, dass diese Lieder niemals vergessen werden und für immer bleiben. Auch die englischen Klassiker werden mehr oder weniger textsicher von einigen Besuchern mit-“gesungen“. Manch einer versucht sich mit dem Vermeiden von Blickkontakt zu verstecken – vergeblich. Mein Highlight dieses Medleys ist der hawaiianische Weihnachtssong „Mele Kalikimaka“ von Bing Crosby und ich möchte Sarah nichts unterstellen, doch glaube ich, dass sie diesen Song nur, genauso wie ich, von „National Lampoon’s Christmas Vacation“ kennt.
Zurück auf der Bühne dürfen die Erwachsenen wieder Party machen, in einer rockigen Version von „Don’t You Know It’s Christmas“, welche auch den „Not So Silent Night“-Part des Abends einleiten. Es darf nun getanzt werden, auf und vor der Bühne und Sarah packt nun die Hits ihres Weihnachtsalbums auf den Tisch.
„1,2,3,4 Shots Of Patron“ und „Ring Out The Bells“ dürften dieses Jahr sicher an vielen Weihnachtsfeiern rauf und runterlaufen und nicht nur Sarah, sondern auch ihre Backgroundsänger laufen hier zur Höchstform auf. Doch mit dem vorletzten Song „Not So Silent Night“ ist Sarah in meinen Augen ein weihnachtliches Meisterwerk gelungen. Jede Zeile des Songs erinnert mich an die Heiligabende meiner Kindheit. Mal brennt das Essen an, kurz bevor die Gäste kommen, der jährliche Streit der Eltern beim Schmücken des Baums oder das schlechte Benehmen der lieben Verwandtschaft. Alles bringt Sarah in diesem Song unter und verbindet dies mit eingängig rockigen Riffs. Und am Ende des Abends haben sich alle wieder lieb und stoßen gemeinsam mit Eierlikör an und packen Geschenke aus.
Und wenn die Weihnachtsfeiertage hinter einem liegen? Dann überlegt man sich schon mal, was man sich eventuell für das neue Jahr vornehmen könnte. Was behält man bei und was soll sich ändern, wie werde ich die Weihnachtspfunde wieder los, wenn man sich nach drei Feiertagen beschämt im Spiegel begutachtet. Und Sarah hat auch für diesen Abend vorgesorgt und liefert uns mit „Happy New Year“ den Song für den Abschluss des Jahres gleich mit. Ihre gesamte Band versammelt sich mit Schnapsgläsern um das Piano herum und alle singen und tanzen gemeinsam und wünschen uns diesen Moment auf der Bühne an unseren Silvesterabenden.
Ich habe mich sehr auf dieses Konzert gefreut und wurde zu keiner Sekunde des Abends enttäuscht oder gelangweilt, was bei einem über zweistündigen Weihnachtskonzert kein allzu überraschender Effekt wäre. Nein, es war wie ein perfekter Weihnachtsfeiertag. Mal verträumt zu ruhigen Klängen auf Schneelandschaften blicken, die vor dem inneren Auge vorbeiziehen und auch die Party ist nicht zu kurz gekommen. Ein richtig toller Abschluss unserer diesjährigen Gig-Blog-Konzertreise und ich hoffe, unser aller Heiligabend beginnt mit Sarahs Worten:
Five in the morning
All so peaceful and cold
You could hear a pin falling
It’s beginning to dawn
Twenty-fourth of December
Once again, it is time
For a not so silent, not so silent night