BRUCH, 21.10.2023, Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart

Bruch @ Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart
Foto: Steffen Schmid

Samstagabend in den Bunker. Man kennts. Bunkerkonzerte, nichts Neues in Stuttgart, statt Feuerbach heute aber im Westen bei Bruch aka Philipp Hanich, den man in Vergangenheit bereits einige Male in der Region sehen konnte. Mit der Erinnerung an nachhaltig beeindruckende Auftritte vor allem im Komma Esslingen, geht es die Stufen hinab in den Diakonissenbunker. Bruch ist leider gar nicht so viel mit seiner Musik unterwegs. Auch die Alben nehmen sich ihre Zeit. Weshalb erklärt vielleicht auch dieser Abend – und warum das auch so genau richtig ist.

Umso schöner die heutige Gelegenheit. Beim Erblicken des spartanischen Setups im UG kurzzeitige Wehmut, Bruch diesmal leider nicht im Bandgefüge. Es ist das einzige Konzert, ein One-Off in Stuttgart, bevor es zurück nach Wien geht. Die Wehmut ist verflogen, als uns ab halb 11 die markante Stimme in den Sumpf zieht.

Der „emotionally charged crooner in lugubrious gray-black“, wie ihn das Wiener Label Fettkakao einst bezeichnete, zeigt innerhalb einer Stunde eindrücklich, was an dieser Bezeichnung dran ist.

Bruch @ Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart
Foto: Steffen Schmid

Flächige Synthesizer schimmern erhaben und Hanichs durchdringende tiefe Stimme hallt gegen die Bunkerwände. Die Boxen knarzen und scheppern, Schwermut, Sehnsucht und Panik als bestimmende Bruch-Aura im Keller. Man findet sich wieder in einer schummrigen Eckkneipe, einem verranzten Punkbeisl, einem Bunker. Bruch umarmt den Schmerz in seinen Songs. Man soll nicht immer Suicide schreiben, heißt es, doch ist es dennoch eine adäquate Referenz und qualitativ mindestens ebenbürtig. Schön, dass es Bruch gibt.

Der leider kürzlich verstorbene Armin Hofmann von X-Mist Records, der die Musik von Bruch und dessen eigenem Label stets würdigte, fiel dazu treffend ein: „It’s challenging, distressed, demonic, upbeat, urgent and first class entertainment. Forget David Bowie! Forget Alan Vega! Here’s Bruch, the new King of Low Frequency“ und man möchte hinzufügen: Vergesst Elvis, Johnny Cash und Scott Walker. Die aufblitzenden Rock’n’Roll und Pop-Gesten wie die bewusste Dekonstruktion des Set Ups, nachhallende und verrauschte Gesangsmikros, seltene Ansagen und Mangel an Instrumenten machen zusätzlich sympathisch. Rezensionen sprechen von Hanichs „in Grabesstimme und spitzbübischem Pathos vorgetragenen“ Songs (Der Standard), man liest vom „unwiderstehlichen Strudel aus Angst“ (Rock-n-Blog) in der Musik Bruchs. Besser könnte man es nicht beschreiben.

Bruch @ Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart
Foto: Steffen Schmid

Es wird kaputter, fieser, kompromissloser. Hanich shoutet „Give me my medicine, give me my pill“ von einem Mikrophon ins andere, in beide zugleich wie einst Mark E. Smith und singt sich bei „Attention Addicts“ in den halben Wahn. Die sparsamen und krachenden Beats loopen schwindelerregend weiter im Hintergrund. In der Mitte des Sets dann das fantastische „Young Lovers“, eine Bruch-Nachbearbeitung seiner alten Band Dot Dash, die in „Trouble“ übergeht, dem Titelsong seines besten Werks „My name should be trouble“ (2014). Mit dem auf der Setlist als „Disappoint“ bezeichneten Track kündigt er knapp ein neues Album namens „The Harbour of the Broken Hearted“ an, das momentan in Arbeit ist.

Das wird noch etwas brauchen. Der geschäftige Münchner ist in seiner Wahlheimat Wien vor allem als bildender Künstler tätig (seine Plattencover, geometrische vielfarbige Formen, von ihm selbst) und betreibt zudem das Label Cut Surface, ehemals bekannt als Totally Wired Records. Nicht nur die schöne Referenz erneut an The Fall ist ein Zeichen des exzellenten Geschmacks, der tolle Output des Labels ist es ebenso.

Überhaupt Referenzen, die sich in seiner Musik und Umfeld zahlreich finden: Seine eben genannte ehemalige Band Dot Dash, benannt nach einem Wire-Song oder auch The Adverts, Hanich ist großer Fan, was er unlängst mit seinem Cover von „I surrender“ bestätigt hat – aber leider heute nicht spielt.

Bruch @ Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart
Foto: Steffen Schmid

„I’ll give you shelter, I will save you from harm“ tönt es blechernd aus den Boxen. Was Hanich da in „Gelotologie“ singt, will man ihm direkt glauben und spendet gerade in der momentanen Zeit so etwas wie Trost. Aufbauend düster.

Das Konzert ist fast schon vorbei, das Publikum für ein Ende noch nicht ganz bereit. Philipp Hanich hat „nur noch so an Urtraurigen“ dabei, wie er es im charmantesten Dialekt anmerkt und schließt sein knapp einstündiges Set mit dem niederschmetternd schönen „Mandelkern“ vom noch aktuellen Album „The Fool“.

Diese herzzerreißende Verletzlichkeit zieht sich durchs ganze Set. Der Mann in Lederjacke und den zwei Mikrofonen steht einsam in der Bühnenmitte, alle anderen allein mit sich selbst unter Menschen im angenehm gefüllten Bunker.

Es bleibt, was es ist. Ein düsterer Bunkerschwof mit starkem Nachhall.

Bruch @ Kulturbunker Diakonissenplatz, Stuttgart
Foto: Steffen Schmid

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