HORIZONTALER GENTRANSFER, GAISMA, LIZA LAUDA, 09.09.2023, Sunny High, Stuttgart
Das große rote Tor zur Bahnhofstraße hin ist geschlossen, aber trotzdem ist heute die hochoffizielle Eröffnung des Sunny High im Zwischennutzungsprojekt „Prisma“ in Bad Cannstatt. Die Crowd, die den Weg um das riesige Gebäude herum in das monumentale Treppenhaus vor dem Club sucht, unterscheidet sich (noch) sichtbar von den Menschen, die hier sonst so unterwegs sind. Wir erkennen uns mühelos gegenseitig.
Neue Leute, mit denen „die Stadt das Quartier aufwerten“ will, sind eben auch Teil der Wahrheit von dem, was in der Schwabenbräu-Passage in den letzten anderthalb Jahren neben Kunstateliers, -Galerien und politischen Räumen erschaffen wurde: Das Sunny High, ein von einem Verein geführter Club mit Haltung, Awareness-Konzept und Verhaltenskodex für die Gäst*innen. Zu Sekt und Häppchen aus der benachbarten „Commons Kitchen“ beschreibt Heide Fischer, Mit-Initiatorin und -Vorständin, nochmal den ganzen Weg von der Namensfindung bis zur heutigen Eröffnung. Die Stadtverwaltung hat viele Steine in den Weg gelegt und gleichzeitig weggeräumt – die Stadt Stuttgart ist Vermieterin des ganzen Gebäudes. Nachtmanager Nils Runge ist da, hält eine aufrichtig gerührte Rede und ein Loblied auf alle, die in Stuttgart ihre Energie in solche Projekte und damit in Chancen für die ganze Stadt fließen lassen.
Nils weist auch noch kurz auf das neue „We are aware“-Kampage von stuttgartbeinacht also dem Popbüro, Clubs und Livemusikspielstätten hin, das an diesem Abend startet.
Der große Balkon des Sunny High mit Ausblick auf Bahnhof und S-Bahnen ist rappelvoll, genau wie die kleine Bühne, auf der Horizontaler Gentransfer nun als Opening-Act für Club und Abend spielen. Mit dem wuchtigen Schlagzeug in der Mitte, Lead- und Rhythmus-Gitarre, Bass, „Gesang und Geschrei“, manchmal aufgebrochen von zwei kleinen Casio-Keyboards auf umgedrehten Bierkisten, wird von der fünfköpfigen Band ein amtlicher Rock-Sound produziert. Die All Female-Band liefert eine Performance zwischen Musik und Sprechdarbietung.
Mit „Wimpernschlag“ geht es los, dann folgt schon das epische „Butterbrezel“ in dem Stuttgart, mit all seinen Eigenheiten, von Sauberkeit bis Feinstaub, wunderbar anhand dieses Lieblingsgebäcks seziert wird. Der Text geht über die nicht ganz so wuchtige Soundanlage beim ersten Mal ein bisschen verloren, bei der erneuten Zugabe wird später mehr zu verstehen sein.
Zwischen den Songs gibt es zwei längere Wort-Beiträge vom „Amt für Musik“, das Horizontaler Gentransfer freundlicher Weise für die Stadt betreiben. Aber es geht in den mal kurzen, mal langen Stücken nicht nur um den Kessel, sondern auch um Liebe, Klimawandel und (Alltags-)Rassismus: „Ching Chang Chong“ stellt die Frage, wie man bloß anhand des dämlichen Begriffs „Asiatinnen“ die Fünf auf der Bühne voneinander unterscheiden soll, wo sie doch vielleicht längst schwäbischer sind als alles andere?
Die Kostüme von Horizontaler Gentransfer sind handgeschneiderte Upcycling Jeans-Ware und überhaupt passt diese Darbietung wie angegossen zum Sunny High. Zu den letzten Stücken kommt noch etwas Bewegung ins Publikum, draußen ist derweil schon Einlassstop.
Zum Abbau und Umbau der Bühne für die nachfolgenden Acts läuft jetzt einfach eine Punk-Playlist vom Smartphone, an der Bar ist das kalte Bier schon aus und selbst wenn das jetzt nur Anlaufschwierigkeiten sein sollten, wird das hier drin vor den super coolen, schrägen Fenstern zum Innenhof hoffentlich nie ein perfekt durchgetakteter Erlebnis-Betrieb werden.
Zum House-Set der wunderbaren Gaisma – heute als Tumsi an den Turntables – ist der Dancefloor unter den bunten Licht-Schienen schon um halb Elf voll. Die „Live Electro Combo“ Liza Lauda rumpeln später neben und mit dem wild verkabelten Synthesizer von Herb Hört schon heftiger. Die DJs Vany und Claudi spielen noch bis morgens zum Sonnenaufgang. Danke Sunny High! Nur das Beste für die (begrenzte) Zeit hier. Shine bright!
Die nächsten Termine:
Samstag, 16.09.2023, 22:00 Uhr: Urban Acid Breakthrough (Acid, Breaks)
Samstag, 23.09.2023, 22:00 Uhr: „Punk as f*ck“ Lesung Aftershow-Party mit Punkrock Aerobix und DJane Mercy (Punkrock, Darkwave, Postpunk)
Samstag, 30.09.2023, 22:00 Uhr Uhr: OVRDUE Orakle (Rap Perfomance), Sulayman Ceesay, Jae, DJ Shirt, Leopardy (HipHop, Progressive House, Techno)