SCORPIONS, THUNDERMOTHER, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

SCORPIONS, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

Foto: Alex Ritz

Ja klar, Scorpions spätestens nach „Winds of Change“ uncool finden kann jede und jeder – heute umso mehr, gut 30 Jahre später. Ich sehe das ein wenig anders und halte die Hannoveraner für die wichtigste deutsche Hardrockband der 70er und frühen 80er. Wer hatte damals – zumindest im Mainstream-Sektor – mehr zu bieten? Accept?

Okay, ich bin bei den Scorpions auch emotional involviert, kamen doch gleich zwei meiner ersten zehn selbst gekauften LPs aus Hannover, „Taken By Force“ (1977) und ‚Lovedrive“ (1979) – und beide finde ich bis heute sehr gut. Natürlich habe ich die Band als Teenager dann auch live gesehen – so auch am 23. November 1984 in der Schleyerhalle. Schon deshalb war ich doch sehr gespannt, was die alten Herren (teils personell runderneuert) schlappe 39 Jahre später noch zu bieten haben.

Erste Überraschung: Die Halle platzt aus allen Nähten, scheint annähernd ausverkauft zu sein. Langhaarige Kuttenträger*innen wie damals sehe ich keine, dafür rüstige Ü50er*innen, teils mit Kindern im Schlepptau. Willkommen in der heilen Welt, präsentiert von SWR1 (vermute ich einfach mal).

THUNDERMOTHER, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

Foto: Alex Ritz

Der Support aus Schweden kommt nicht nur bei mir gut an. Die drei kampfstarken Damen (plus Drummer) von Thundermother spielen grundsoliden Street-Rock’n’Roll mit überzeugendem dreistimmigem Gesang, irgendwo zwischen Girlschool und Runaways – ein rundum angemessener Support, würde ich sagen.

Während der Pause spaziere ich durch die Gänge der voraussichtlich bald abgerissenen Halle und frage mich, ob ich hier irgendjemanden im Publikum kenne, womöglich gar aus meiner vielleicht doch nicht so coolen Konzertblase? Ha, und gleich einen erwischt – der heute eher avantgardistisch orientierte Gitarrist aus Stuttgart raunzt mir aber gleich ins Ohr, dass ich ihn hier nicht gesehen habe. Auf der Raucherterrasse dann mehr bekannte Gesichter, so auch ein hiesiger Konzertveranstalter und ein Plattenladen-Betreiber, beide doch eher vom Punk kommend und deutlich unterm Altersdurchschnitt liegend. Im Gespräch bekennt man sich dann dazu, dass die Scorpions auch viele Jahre nach meiner Hardrock-Sozialisation für junge Männer eine wichtige Einstiegsband zur lauten Musik waren.

SCORPIONS, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

Foto: Alex Ritz

Dann geht es endlich los, mit prächtigem Lichtgewitter und bollerndem Sound von der großen Bühne mit Laufsteg ins motivierte Publikum. Hinten in der Halle klingt es in Cannstatt zwar wohl immer matschig, von der Pressetribüne aus fand ich es aber richtig beeindruckend – sehr laut, aber absolut präzise, druckvoll und sauber abgemischt. Vor allem Drummer Mikkey Dee, den man aus der Erbmasse von Motörhead gerettet hat, sorgt für mächtigen (Doppel-) Wumms, ein Metal-Drummer ganz nach meinem Geschmack.

SCORPIONS, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

Foto: Alex Ritz

Aber wie präsentieren sich eigentlich die beiden Veteranen in der Band, die seit mehr als 50 Jahren weltweit erfolgreiche Platten aufnimmt? Kann man mit Mitte 70 noch den Hardrock-Zampano auf der Bühne markieren? Gitarrist Rudolf Schenker gelingt das mit staunenswerter Leichtigkeit, der Mann ist topfit und hochmotiviert. Mit seiner Flying V macht er eine rundum beeindruckende und ausgesprochen muskulöse Figur und spielt heute nicht mehr nur die zweite Geige/Gitarre. Sänger Klaus Meine merkt man die Jahre allerdings deutlich an, mit hölzernen Trippelschritten bewegt er sich eher vorsichtig über die Bühne. Macht aber gar nichts, denn dafür singt er hervorragend – nicht mehr so brillant wie in den besten Jahren (und da war er fast so gut wie Ronnie James Dio), aber doch gut genug für eine 90-minütige Rockshow.

SCORPIONS, 21.05.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

Foto: Alex Ritz

Und die liefern die Scorpions auch. In der ersten halben Stunde kommen nur harte Rocknummern, dann gleich zwei, äh, Powerballaden und „Winds Of Change“ ist schnell abgehakt – vom Publikum aber doch euphorisch gefeiert. Mit meinen persönlichen Favoriten rechne ich ohnehin nicht, bin mit Songs wie „The Zoo“ und dem Instrumental „Coast To Coast“ aber schnell versöhnt.

Überhaupt fühle ich mich bestens unterhalten, finde den Auftritt rundum ehrenwert und völlig unpeinlich (im Rahmen des Genreüblichen) – keine Spur von Altherren-Metal oder gar geriatrischer Freakshow (ich hatte schon ein bisschen Angst). Mit den absehbaren Zugaben „Still Loving You“ und „Rock You Like A Hurricane“ schickt man ein erkennbar zufriedenes Publikum nach Hause – mich eingeschlossen.

Scorpions

Thundermother

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