W.A.S.P., 04.05.2023, LKA Longhorn, Stuttgart
Da radelt man frohgemut – den Wasentrubel zufrieden links liegenlassend – zum Wangener LKA, um unter nicht allzu vielen Gleichgesinnten einen entspannten Abend lang der Metal-Nostalgie zu frönen. Durfte ich die einst milde skandalträchtige Truppe aus Los Angeles schon anno 1986 als Support von Iron Maiden in der Böblinger Sporthalle erleben – seinerzeit ein eher mäßig beeindruckendes Mini-Spektakel, denn damals ordnete man die Band doch eher als Show-Act mit besonders klischeehaftem Bühnengebahren (mit einem Kreissägeblatt als Alleinstellungsmerkmal) ein.
Dass Bandboss Blackie Lawless mit häufig wechselnden Mitstreitern noch immer aktiv ist, hätte ich gerade W.A.S.P. nicht zugetraut, es gab aber über die Dekaden einen recht regelmäßigen Album-Output, der kommerziell jedoch keine Bäume mehr ausriss.
Umso erstaunter bin ich, als vor dem LKA ein freundlicher Headbanger aus Japan verzweifelt nach einem Ticket sucht. Hä, das wird doch nicht etwa ausverkauft sein? Eine (beim besten Willen) zweitklassige Metalband im Karriereherbst, deren drei, nun ja, Hits alle aus der ersten Hälfte der 80er stammen?
Und tatsächlich: zehn Minuten vor dem anvisierten Konzertbeginn ist das LKA knackvoll mit gutgelauntem Publikum durchaus auch jüngeren Alters. Es dominieren aber eindeutig stämmige Ü-50er im geschmackssicheren „Fuck Like A Beast“-Shirt, die sämtliche Wege in Richtung Bühne dicht machen. Mit reichlich Körpereinsatz wenigstens ein Bier an der langen Theke ergattert, finde ich mich mit meinem Schicksal ab: Der Gigblog berichtet diesmal von den hintersten Rängen. Zum Glück ist Fotograf X-tof rechtzeitig vor Ort, meine einzige Chance, Blackie Lawless in Spandex-Hosen und weißen Stiefeln aus der Nähe zu sehen.
Interesse weckt selbst von hinten eine merkwürdige Bühnen-Skulptur aus Schädel und Knochen, die wie eine okkulte Staffage aus Mad Max oder Game Of Thrones aussieht. Sie erweist sich als der pompöseste Mikrofonständer, den ich je gesehen habe – inklusive Podest, auf dem Blackie Lawless seine Kollegen wie Zwerge wirken lässt – sind sie auch nach einer spöttischen Interpretation des Bandnamens („We Are Shitty Players“, danke Wiki).
Auf der Tour zum 40. Geburtstag von W.A.S.P. klingt die Truppe aber gar nicht übel. Der immer leicht hysterische Gesang kommt sogar derart brillant und dominant aus den Boxen, dass die beiden Altkumpels und Metal-Veteranen, die ich prompt an der Theke treffe (selbstredend auch schon 86 dabei), leise von Playback-Verdacht munkeln. Will ich aber (wie zuletzt bei Kiss) gar nicht glauben, denn wider Erwarten finde ich das Konzert doch unerwartet unterhaltsam.
Natürlich werden genrekonform wirklich alle Klischees bedient (Macho-Posen, Double-Bassdrum, Powerballade), wobei das 75-minütige Set in bewährter Dramaturgie auf die drei Bandhits hinausläuft, die dann auch knackig rausgehauen werden: „Blind In Texas“; „I Wanna Be Somebody“ und natürlich „Animal (Fuck Like A Beast)“. Dazwischen wird eine ebenso unerwartete wie ehrenwerte Coverversion von The Whos „Real Me“ geboten, die den Rahmen des ansonsten recht biederen Glam-Metals (sagen wir mal im Mötley Crüe-Stil) deutlich erweitert.
Dass man sich zum Finale gar als Kämpfer für die Meinungsfreiheit im damaligen Konflikt mit dem PMRC (Parents Music Resource Center) der biederen Washington Wives um Tipper Gore herausstellt, ist vielleicht doch etwas vermessen, tut einem kurzweiligen Konzertabend aber keinen Abbruch. Noch immer in der hinteren Ecke des LKA verharrend, sind sich nicht nur die drei ergrauten Buddies einig, tatsächlich einen lustigen Abend souverän inszenierter Metal-Nostalgie erlebt zu haben.