HANS ZIMMER LIVE, 29.04.2023, Schleyerhalle, Stuttgart

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Foto: Patrick Grossien

Beim einleitenden Harfenspiel ist von den geschätzten 8.000 Zuhörern nicht ein Mucks zu hören.
Ach, Unsinn, so war´s ja damals bei Ennio Morricone in der Schleyer-Halle. Heute ist Hans Zimmer live hier. Die hibbelige Unruhe im Saal wird von einer Solopaukerei und Kauderwelsch-Geheul zweier Damen weggefegt. Mit einem Stück aus dem Dune-Soundtrack („House Atreites“) startet die knallbunte Trommelshow um kurz nach 8 in der ausverkauften Veranstaltungshalle. Eine ultra-breite LED-Wand wird hochgezogen, dahinter spielen etwa 30 Musikerinnen und Musiker vor einer noch größeren LED-Wand unter einem Sternenhimmel an Moving-Lights, Veranstaltungstechnikleistungsschau Hilfsbegriff. Die zwei zentral positionierten Drumsets und das dritte, rechts am Bühnenrand, werden von leichtbekleideten Frauen bearbeitet, die Perkussionslandschaft am linken Bühnenrand von einem Mann. „Mombasa“ aus dem Film Inception heisst das Stück.

Frack, weißes Hemd, Jeans und Turnschuhe, Halbglatze und Kugelkessel – Auftritt Hans Zimmer, 65 Jahre alt, geboren in Frankfurt am Main, „Video Killed The Radio Star“ One-Hit-Wonder mit The Baggles, 150 Filmmusiken, Oscar-Gewinner, Soundtrack-Gigant der Hollywood-A-Produktionen. Ziemlich talky ist er, begrüßt Stuttgart, kokettiert mit seinem englischen Akzent und stellt im Laufe des Abends viele seiner Musikerinnen und Musiker persönlich vor, gern mit einer kleinen Geschichte. Sein Wuschelhaar-Gitarrist z. B. trägt ein Fünf-Sterne-Abzeichen von McDonald´s, das er sich in seiner jahrelangen Arbeit als Burgerdiener dort erarbeitet hat und ihn immer daran erinnern soll, wo er herkommt und wie besonders es ist, nun die Saiten an der Seite Hans Zimmers hier auf der Bühne für ein so großes Publikum anschlagen zu dürfen. Alles schön glatt geschliffen mit kleinen Witzen, aber dennoch bemerkenswert.

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Foto: Patrick Grossien

Schräger wird das dann, als Hans Zimmer seine drei Haare schwenkenden Fiedel-Furien, seine Show-Streicherinnen, vorstellt. Hierzu ein sehr treffend formulierter Auszug aus der Konzertkritik vom 20.04.22 des RRB, die mit „Die opulente Fleischbeschau“ übertitelt ist:

„Irgendwann fällt aber eines auf, und wenn man erst mal anfängt darauf zu achten, wird die ganze Show richtig eklig. Auf der Bühne sind 80 Prozent Frauen und alle, aber wirklich alle in sexy Kostümen, mit kurzen Kleidern, hohen Stiefeln, zeigen viel nackte Haut, tragen Lederkorsett, was irgendwann mal als besonders hot gegolten haben muss. Die Männer hingegen tragen normal geschnittene Sachen. Das ist seltsam. Ab und an müssen sich die Frauen dann von Zimmer in den Arm nehmen und betatschen und loben lassen.“

Hans Zimmer live ist eine auf Filmmusik gründende Pop-Rock-Show im Musicalgewand, kein Filmmusikkonzert, oder treffender:

Popcorn für die Ohren

Hans Zimmers Filmmusiken sind eingängig, perkussiv, bombastisch und damit sehr publikumswirksam. Das Thema aus Fluch der Karibik ist aller erste Pop-Genialität: Aufbruchs-Tamm-Tamm, augenzwinkender Verweis auf Erol-Flynn-Piratenfilme, unendlich variierbar und dennoch immer wiedererkennbar, ein musikalischer Disney-Ride, geboren aus einem Drehbuch, das auf einer Disney-Ride-Idee basiert.

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Foto: Patrick Grossien

Für den Score zu Interstellar lässt sich Zimmer vom legendären Minimal-Music-Soundtrack des Films Koyaanisqatsi von Philipp Glass inspirieren, schafft aber für den sphärischen Science-Fiction eine eigene, aber immer leicht zugängliche Klangwelt.

Heute nicht zu hören ist der Kunstgriff für die Filmmusik für Bladerunner 2049: Zimmer versuchte hier erst gar nicht gegen den so untrennbar mit dem ersten Bladerunner verbundenen Vangelis-Soundtrack zu arbeiten, sondern führt ihn weiter, lässt ihn kälter und schärfer wirken, so wie die 2049er Bladerunner-Welt selbst.

Genauso spannend ist der wegweisende Soundtrack zu Christopher Nolans Film Inception aus dem Jahr 2010. Die bedrohliche Bratzigkeit ist zum Standard von großen Hollywoodfilmen geworden. Gleichzeitig bewegt diese Filmmusik auch mit dem melancholisch-romantischen „Time“, das letztlich nur aus einer Abfolge von sich wiederholenden Moll-Akkorden besteht und das Schicksal der sich in der Unendlichkeit der Traumzeitwelten verlierenden Liebenden beschreibt.

Bevor Hans Zimmer das zu Standing Ovations gerührte Publikum nach dem König-Der-Löwen-Duett tatsächlich mit „Time“ entlässt, wird zum James-Bond-Thema (Einleitung zur No-Time-To-Die-Suite) heftig mitgeklatscht und sich am lateinamerikanischen Tanz erfreut, der hierzu aufgeführt wird.

Inszenierung und Publikum haben sich gefunden. Die eigentliche Qualität der Musik kam dabei nur beiläufig zur Geltung.

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Foto: Patrick Grossien

Die Setlist:

House Atreides (Dune)

Mombasa (Inception)

Wonder Woman Suite

Man of Steel Suite

Gladiator Suite

Pirates of the Caribbean Suite

The Dark Knight Medley

[Pause]

Top Gun: Maverick

The Last Samurai Suite

The Dark Knight Suite

Dark Phoenix Suite

Interstellar Suite

The Lion King Suite

[Zugabe]

No Time To Die Suite

Paul’s Dream (Dune)

Time (Inception)

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