POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Transparenzhinweis: Als unterstützender Mitveranstalter vom InDieWohnzimmer bin ich natürlich komplett befangen. Dieser Blog-Beitrag wird also noch subjektiver sein als all die anderen und journalistische Maßstäbe ignorieren. Mit etwas Glück wird es ein halbwegs interessanter Hintergrundbericht, sonst dient der Text zumindest als Abstandshalter zwischen Schmoudis unfassbar schönen Bildern.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Aufmerksame Leser:innen wissen: Als wir das Dreampop-Trio Postcards 2019 auf dem Maifeld sahen, wussten wir sofort, dass wir mit dieser Band unbedingt auch mal ein Konzert veranstalten wollten. Bei der Booking-Agentur rannten wir offene Türen ein und schon am 15. März 2020 hatten wir einen bestätigten Termin im Tiefbunker Feuerbach. Zwei Tage vor dem Termin musste die Band ihre Tour abbrechen, um gerade noch zurück nach Beirut zu fliegen, kurz bevor die Pandemie zur Schließung aller Grenzen führte. Der Kontakt blieb erhalten, ein Nachholkonzert wurde auf einen unbestimmten Zeitpunkt vereinbart.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Wenige Monate später mussten wir am Fernsehen mit ansehen, wie eine gigantische Explosion große Teile von Beirut zerstörte und wir fürchteten um das Wohl von Julia, Pascal und Marwan. Wie wir erst später erfuhren – und was sich auch massiv in ihrer Musik niedergeschlagen hat – haben Julia und Pascal dabei tatsächlich ihre Wohnung verloren und Pascal kam schwer verletzt ins Krankenhaus. (Heute Abend erfahren wir übrigens, dass der markante Doppelstock-Einsatz bei „Home is so Sad“ der Tatsache geschuldet ist, dass er bei der Aufnahme seine Beine noch nicht wieder benutzen konnte.) Die Hoffnungen auf ein Wiedersehen schwanden jedenfalls.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Zwei Jahre später wurde unser Traum dann doch noch wahr: Im Rahmen ihrer Deutschlandtour kamen die Vier (wir lernten Mischer und Produzent Fadi Tabbal als integrales Bandmitglied kennen) zu einem Bunkerkonzert und einem verlängerten Wochenende nach Stuttgart-Feuerbach. Die damalige Neu-Kollegin Britta hat das Event in ihrem Gigblog-Debüt wunderbar beschrieben. Durch den Pausentag gab es genug Zeit, sich besser kennenzulernen, gemeinsam zu grillen und ganz viel über die Lage im Libanon, Privates, Politisches und Kulturelles und über die unglaubliche Kreativität und Resilienz der Musiker:innen zu lernen. Eine baldige Wiederholung war schon beim Abschied ausgemachte Sache.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Am Rande eines Konzerts in der Manufaktur kam dann die spontane Idee auf, man könne Postcards doch auch mal hier auf die Bühne bringen, schließlich mussten am Bunker viele abgewiesen werden. Der Kontakt zwischen Manufaktur und Booking-Agentur war schnell vermittelt, der Deal kurzerhand eingetütet. Oha, so einfach hatten wir uns das nicht vorgestellt. Wir Wohnzimmer-Amateure hatten mal kurzerhand eine unserer Lieblingsband auf die renommierteste Konzertbühne der Region gehievt. Und alles, was wir jetzt noch tun mussten, war, uns möglichst intensiv an der Promo zu beteiligen. Challenge accepted!

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Als wir – nach einem Abendesssen mit der Band – zum geplanten Konzertbeginn um 20:30 im Garten der Manu sitzen, sind meine (Mit-)Veranstalternerven ordentlich gespannt: Gerade mal zwei Dutzend Gäste sind an uns vorbei in den Konzertsaal marschiert. Sollte unsere hoffnungsvoll gestartete Kooperation hier ein jähes Ende erfahren? Doch Nachrichten von Anreisenden geben Entwarnung, die Zuschauer:innen stehen im Stau. Frühlingsfest, VfB und Hans Zimmer in der Schleyerhalle, das ist eindeutig zu viel für Stuttgarts Straßen. Um 21:00 starten wir dann mit mehr als 100 Menschen im Saal, was angesichts der vielen Konkurrenzveranstaltungen ganz ok ist.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Das Konzert beginnt mit feierlichem, fast sakralem, mehrstimmigem Gesang und bringt neben bekannten Songs der drei Alben auch einige neue unveröffentliche. Sogar einen seltenen Ausflug in ihre Folk-Frühphase streuen Postcards ein. Wie schon damals im Bunker, wenn auch weit weniger wortreich, erzählt Julia über die Hintergründe der Songs und berichtet auch zur allgemeinen Freude von der kürzlichen Hochzeit mit Drummer Pascal. Die Songs wechseln zwischen ruhigen Dreampop-Nummern und noisigen Shoegaze-Krachern, wobei ich mir von letzteren viel mehr gewünscht hätte. Fadi Tabbal hat die hervorragende, aber auch anspruchsvolle Hausanlage locker im Griff und produziert einen betont halligen, kirchenartigen Sound auf einem fetten Bassfundament und zurückhaltenden Drums, während schwebender Gesang und Keyboards dominieren.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

Ganz ehrlich: viel mehr kann ich auch nicht berichten. Der Gig vergeht wie in einem Tunnel. Die Bühnenpräsenz des Trios ist beeindruckend und auch der Verlust einer Saite im letzten Konzertdrittel kann die atmosphärische Dichte nicht beeinträchtigen. Der Dynamik des Abends hätten etwas weniger ruhige Titel vielleicht ganz gutgetan. Und auch die zunehmende (?) Tendenz Richtung Pop nimmt der Darbietung etwas die Wucht. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, letztlich haben Postcards einmal mehr ihre überzeugenden Live-Qualitäten bestätigt.

POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steffen Schmid

P.S.: Dem übellaunigen Stammgast, der mich bei der Suche nach einem Platz im luftig bestückten Saal als „Idiot“ tituliert hat, empfehle ich freundlichst, an seinen Umgangsformen und Aggressionsmanagement zu arbeiten. Ansonsten muss einfach mal wieder erwähnt werden, dass das Publikum der Manu durch maximale Aufmerksamkeit und Wertschätzung gegenüber den Künstler:innen erfreut hat.

2 Gedanken zu „POSTCARDS, 29.04.2023, Manufaktur, Schorndorf

  • 1. Mai 2023 um 10:03 Uhr
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    Konzertbeschreibung wie immer sehr stimmig und zutreffend mit den Super-Bildern von „Steffen“ und seinen Aufnahme-Effekten.
    Zu „Umgangsformen“ gehört sicher auch, dass vor Konzertbeginn auf der Bassbox abgestellte, leere Getränkeflaschen nach Konzertschluss wieder der Ausgabestelle zugeführt werden…
    Für die barsche Art der Kommunikation entschuldige ich mich an dieser Stelle ausdrücklich, verweise aber darauf, dass das Wort „Idiot“ in diesem Zusammenhang nicht gefallen ist, sondern eher einer „Interpretation“ des Gesagten entsprochen hat…
    Das Publikum in der Manufaktur entspricht „immer“ der Beschreibung des Konzertberichtes. Aber es ist auch eine kleine Unsitte zu beobachten, dass kurz vor Konzertbeginn, großgewachsene Besucher nach vorne zur Bühne streben und keinerlei Rücksicht auf Besucher nehmen, die schon längere Zeit Ihren Stehplatz (freie Platzwahl) eingenommen haben, um sich dann demonstrativ vor Diese zu stellen, um einen freien Blick zur Bühne zu haben.
    Ich hoffe dies bei einem gemeinsamen Getränk mit Holger richtig stellen zu können…Klaus

  • 2. Mai 2023 um 08:12 Uhr
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    Oha, hallo Klaus, so hatte ich mir das persönliche Kennenlernen eines unserer eifrigsten Leser aber nicht vorgestellt. ;) Auf wen hätte ich den Satz „Ich ziehe eh immer die Idioten an“ denn beziehen sollen, wenn nicht auf mich? Ich versuche im Regelfall auch, niemandem direkt vor die Nase zu stehen, allerdings kann auch niemand erwarten, aus einigen Metern Abstand zur Bühne eine uneingeschränkte Sichtschneise zu haben. (Freie Platzwahl) Deshalb ja auch mein Vorschlag, sich einfach direkt an die Bühne zu stellen. So oder so: die Entschuldigung ist angenommen. Beim nächsten Gig trinken wir einen zusammen. Cheers, Holger.

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