OVERKILL, EXHORDER, HEATHEN, KEOPS, 18.04.2023, LKA Longhorn, Stuttgart
Nachdem der persönliche Konzerttisch zuletzt funky mediterranes mit Nu Genea und avantgardistisches mit Imperial Triumphant bot, heute also bodenständige Thrash-Hausmannskost. Gähnend öde Kulinarikvergleiche, geht ja gut los.
Auf der LKA-Seite war der Abend nur mit Overkill angekündigt, so dass der frühe Konzertbeginn 18:30 Uhr etwas seltsam anmutete. Aber siehe da, mit Keops, Heathen und Exhorder werden noch drei weitere Bands spielen. Mit Heathen und Exhorder sind sogar zwei bekanntere Namen dabei. Dafür ist der inflationsbereinigte Ticketpreis für die gebotene Qualität und Quantität mehr als fair, imho.
Keops aus Kroatien, hört hört, spielen schon, als ich 18:33 Uhr die Halle betrete. Das Quintett kommt aus Rijeka. Einer Stadt, in der schon Österreicher, Ungarn und Italiener rumfuhrwerkten, und deren Phase einer Besetzung im Jahr 1919 durch italienische Anarcho-Faschisten ein bizarres historisches Alleinstellungsmerkmal darstellt. Und international (Hammerüberleitung!) klingen auch Keops. Irgendwie traditioneller Heavy Metal gemischt mit härteren und tiefer gestimmten Gitarren samt leichten Progeinschlag hier und da. Die raspy Stimme des Sängers erinnert mich etwas an Virgin Steeles David DeFeis. Für meinen Geschmack ein ganz passabler Auftakt, aber das lahme Megadeth-Cover von “Symphony Of Destruction” hätte wirklich nicht sein müssen.
Pausenbeobachtung: War ich beim deutlich spärlicher besuchten Imperial Triumphant Konzert immerhin noch einer von zwei Maskenträger*innen (von der Band abgesehen), scheint die Ehre heute ganz allein mir zu gebühren. Alles Schlafschafe und ich bin jetzt plötzlich der aufrechte, die NWO durchschauende Querdulli? Im Hintergrund läuft ABBA. Verwirrend.
Heathen kommen aus der capital city of Thrash, San Francisco natürlich. Mit dem Debütalbum, das 1987 rauskam und fast schon etwas late to the Thrashparty war, und dem Zweitwerk, über dessen Veröffentlichung 1991 sich schon der alles wegfegende Seattle-Tsunami aufbäumte, hatten sie damals weniger kommerziellen Erfolg, als die überdurchschnittliche Musik es verdient hätte. Große Unterscheidungsmerkmale zu anderen Genre-Bands war und ist der hohe und klare Gesang David Whites, sowie das oft melodiöse Spiel der beiden Gitarristen. Thinking Men’s Thrash. Auch Fans von Queensryche oder Nevermore, die “dramatisch” klingende Musik mögen, können hier auf ihre Kosten kommen. Okay, das Sweet cover “Set Me Free” nehmen wir mal aus. Wie 2011 ein abwechslungsreicher, musikalisch hochwertiger Auftritt, der mir diesmal sogar besser gefallen hat als damals. Mehrmalige “Heathen” Sprechchöre durch Großteile des Publikums dienen als Beweis.
Erfreulich straff durchgetaktet mit kurzen Umbaupausen ist der Abend organisiert. Evtl. könnte man den Veranstaltern hochdotierte Jobs im Vorstand der Deutschen Bahn zukommen lassen. Nur so ‘ne Idee. Übrigens laufen diesmal Ramones und Dee-Lite in der Umbaupause!?
Exhorder kreuzten vor kurzem meinen Weg bei der Klolektüre eines alten Metal Hammers. Da echauffierte sich der Autor in der Plattenreview über “Slaughter In The Vatican” wie schlimm und geschmacklos das Plattencover sei, in der ein Papst zum Galgen geführt wird. Seltsam wie brav und staatstragend-bürgerlich Deutschlands führendes Metalmagazin manchmal war.
Das Instrumental “Incontinence” zeigt als Einstieg gleich mal, dass das Quartett musikalisch deutlich weniger feingeistig die Sache angeht als Heathen. Harte Riffs, wilde Tempiwechsel, rasend schnelle Parts. Anscheinend soll die Band Pantera maßgebend geprägt haben. Hört man eher auf Platte raus als live. Ist aber völlig Wurst, denn der Auftritt ist eine Wucht. Banger folgt auf Banger. Der Sound und das Zusammenspiel ist top. Irgendwie knuffig in der Optik und präzise präsent im Sound der Basser Jason Viebrooks. Herausragend das Schlagzeugspiel Sasha Horns, der auch bei den hervorragenden Melechesh trommelte. Dort als Sasha “Sin” Horn. Okayer Nickname für einen Metalmusiker, aber noch Lichtjahre entfernt vom Spitzenplatz in dieser Kategorie: Tom Necrocock der tschechischen Master’s Hammer.
Auch der zweite Gitarrist Waldemar Sorychta weist eine prominente Mitwirkhistorie auf. Er war Gitarrist bei den legendären Grip Inc., und somit Bandmate von Drumgott Dave Lombardo. “Ostracized” eben dieser Band wird dargeboten. Hebt sich vor allem durch das geringere Tempo und den mächtigen Groove vom Rest des Sets ab.
Mastermind Kyle Thomas ist der so wütend wie sympathisch wirkende Chef auf der Bühne. Brüllt sich gut intoniert durch die Songs, fordert die Leute auf am nächsten Tag auf die Arbeit zu pfeifen, und verneigt sich vor der Punkszene, die in der erfolglosen Frühzeit die Band mit offenen Armen empfing. “Desecrator” beschließt einen, für mich überraschend, starken Auftritt.
Overkill over Oder oder Over Kill? Egal! Interessanterweise erschien ihr neues Album “Scorched” letzte Woche am gleichen Tag wie Metallicas neuestes Werk. Da bleiben natürlich bei Thrashbands, die zu den prägenden Gestalten des Genres in den 80ern gehörten, Vergleiche nicht aus. Niemals auch nur annähernd den Erfolg habend wie Metallica, haben sie vielleicht auch kein Album, das an die Qualität der ersten Metallica-Alben rankommt. Im Gegenzug erfolgte aber auch kein kreativer Niedergang wie bei Lars Ulrich und Konsorten, deren letzte Alben eine quälende Angelegenheit für meine Ohren wurden. Overkill hingegen blieben sich und ihrem Stil treu, und was wichtiger ist: Wenn sie auch nie so heftig von der Muse geküsst wurden, um ein “Ride The Lightning” oder ein “Master Of Puppets” zu erschaffen, so umarmt sie die Muse doch immerhin noch und hat sie nicht weggestoßen. So kann man alle Overkill Alben gut anhören.
Eigentlich eine Thrashband, die es im Vergleich zu den Kollegen gerne mal langsamer angehen lässt, werden zuerst fast nur schnelle Songs neueren Datums wie “Scorched” und “”Electric Rattlesnake” gespielt. Der Sound ist druckvoller als bei den Vorbands. Die zu leisen Gitarren sind innerhalb kürzester Zeit auf das richtige Level hochgeschraubt. Bobby Blitz wirkt von den Bewegungen her ein wenig gealtert gegenüber “letztem” Mal (nun ja, 12 Jahre ist das her), stimmlich aber schrill und gut wie immer. “Hello From The Gutter” ist der erste Klassiker aus der Frühzeit.
Seltsamerweise reizten mich aber schon immer Overkills langsamere Songs mehr. “Skullcrusher” wird zwar nicht gespielt, aber das neue “Wicked Place” sowie das ältere “Horrorscope” sind ganz nach meinem Gusto. Ebenfalls toll ist “Long Time Dyin’”, welches als Beweis dient, dass Overkill auch in einer für Metal finsteren Phase wie 1997 Gutes abzuliefern im Stande waren.
Danach und inklusive der drei Zugaben kommen wieder Songs mit mehr Tempo dran. Die Befürchtung, dass die älteren Herrschaften auf der Bühne zum Ende des Sets aber müde würden, zeigt sich als völlig unbegründet. Im Gegenteil scheinen Overkill die zweite Luft zu bekommen. Die Klassiker „Elimination“, „Overkill“, „Rotten To The Core“ sowie „Fuck you“ heizen zum Abschluss das LKA nochmal auf Partytemperatur hoch. Da ist noch viel Leben im alten Thrashmetal-Leib.