IMPERIAL TRIUMPHANT, ALTERATION, 15.04.2023, P8, Karlsruhe

IMPERIAL TRIUMPHANT, ALTERATION, 15.04.2023, P8, Karlsruhe

Foto: Madita Nair

Wir haben fest mit Knoten in den Hirnwindungen gerechnet, wenn Imperial Triumphant ihre experimentelle Kopulation von Free-Jazz und atonalem Black Metal in unsere Gehörgänge zimmern, doch es wurden noch so viel mehr an visuellen und akustischen Elementen auf uns losgelassen, dass diese Aussage dem Abend nicht annähernd gerecht werden würde.

Nun hat es uns auch das erste Mal in das P8 in Karlsruhe verschlagen und mit dem modernen Konzertsaal hätte ich beim ersten Anblick der Location von außen so gar nicht gerechnet. Ich hatte mit einem größeren Ansturm an experimentierfreudigen Black Metallern und Jazz-Liebhabern gerechnet, sind doch Imperial Triumphant momentan der „heißeste Shit“ der Szene. Doch merken wir recht schnell, dass es heute ein eher entspanntes Konzert mit viel Platz werden wird – zumindest für den Körper. Geist und Sinne werden später richtig rangenommen.

Heute Abend dürfen Alteration aus Karlsruhe die Bretter vorab bearbeiten und in Anbetracht des noch ziemlich leeren Saales machen sie das absolut solide und tight. Mit kompromisslosem Death Metal, der von Minute eins an nach vorne prügelt, macht man nie etwas verkehrt, um als Support die noch lethargische Zuschauerschaft sanft an den Abend heranzuführen. Ich muss gestehen, dass ich noch nie der große Death Metal Hörer war und in den meisten Fällen live oft enttäuscht oder gelangweilt war, wenn mal eine Band spielt, von der ich eine Platte habe. Meine Erwartungen, dass, wenn die Platte mit 200 PS protzt, die Band diese Pferdestärken dann auch in Kombination mit Auftreten und Hingabe auf die Bühne bringen muss und nicht nur starr ihr Zeug runterzockt, wurde in Sachen Death Metal wirklich nur seltenst erfüllt. Leider trifft das zumindest für mich auch auf Alteration zu und so ziehen die sechs Songs recht emotionslos an mir vorbei, was nicht als Abtun des Könnens der Band und der musikalischen Qualität gleichzusetzen sein soll. Meine Sinne sind nun auf jeden Fall wachgerüttelt und lechzen nach mehr.

IMPERIAL TRIUMPHANT, ALTERATION, 15.04.2023, P8, Karlsruhe

Foto: Madita Nair

Im experimentellen Jazz verlaufen Songstrukturen und Tonfolgen des Öfteren ja in schwer durchzusteigenden Abfolgen und so werte ich das Abfeuern der Konfetti-Kanone in die ersten beiden Zuschauerreihen während des Bühnenumbaus nicht als kleines Malheur der Tontechniker, sondern schon als konfusen Teil des Auftritts, während das Licht noch an und die Band noch nicht auf der Bühne ist. Experimentelle Kunst kann so etwas schon mal beinhalten, ohne hinterfragt werden zu müssen.

Meine erste Berührung mit den New-York Patrioten Imperial Triumphant hatte ich, als ich auf der Suche nach Bands war, die ähnlich klingen und gleichermaßen für Verwirrung im Gehörgang sorgen, wie die konfusen und genialen Portal aus Australien. Und so bin ich auf das 2018 erschienene Album Vile Luxury gestoßen und habe nach dem ersten Hördurchlauf erstmal für mich selbst entschieden, das ist mir zu viel. Versuchte ich auch nur im Ansatz Teile der Songstruktur und des Drummings verstehen/nachspielen zu wollen, würde ich vermutlich nach den ersten paar Songs mit glasigen Augen und Nasenbluten auf dem Boden liegen. Ich kann freiheraus sagen, dass ich mich mit Jazz und vor allem Free-Jazz noch nie intensiv beschäftigt habe und das auch nach dem heutigen Abend nicht anfangen werde. Ich würde wohl nur noch mich am Kopf kratzend vor der Anlage sitzen, ohne diese Kunst genießen und angemessen würdigen zu können. Doch ich möchte heute Abend Imperial Triumphant auch nicht verstehen lernen, sondern dieses Gesamtkunstwerk genießen und auf mich wirken lassen.

IMPERIAL TRIUMPHANT, ALTERATION, 15.04.2023, P8, Karlsruhe

Foto: Madita Nair

Eine Fanfare kündigt das Erscheinen des Trios an und nach und nach, angefangen bei Schlagzeuger Kenny Grohowski, der die goldene Maske Hekates‘ trägt, betreten die drei in schwarze Roben gehüllten Musiker die Bühne. Sänger Zachary Ezrin, mit goldener Jackson Gitarre und einer vergoldeten Maske Apollos, stimmt die ersten schief klingenden Töne an, und wenn dann Bassist Steve Blanco, verhüllt in die goldene Maske Ba’als‘, in komplett anderer Tonlage mit einsteigt, nimmt der, zumindest in den Köpfen der Band komplett durchstrukturierte Wahnsinn seinen Lauf. Ich kenne bis heute Abend nur die Songs von Vile Luxury und so beginnt dieser Auftritt für mich zumindest mit dem „vertrauten“ „Swarming Opulence“. Durch die durch ihre Masken herbeigeführte „Entmenschlichung“ wirken die teilweise unnatürlichen Bewegungen von Steve Blanco und Zachary Ezrin noch intensiver und untermalen die schwer zu greifenden Songs. Im Hintergrund werden immer wieder visuelle Referenzen an New York abgespielt und sollen mit der Darstellung des Reichtums, der Dekadenz und Opulenz das Gegenspiel zum musikalisch vorgeführten Schmutz, der Armut und Entartung entgegentreten.
Ist es schon für Bands mit eingängigeren Songstrukturen und nachvollziehbaren Abläufen eine Katastrophe, wenn während des Songs das Schlagzeug ausfällt, so könnte man meinen, dass der Ausfall des Takt- und Tempogebers bei einem Song wie „Lower World“ zum vorläufigen Abbruch führen würde, zeigen uns Ezrin und Blanco mit welcher Virtuosität sie in Sekundenschnelle in einen atmosphärischen Jam übergehen, als wäre nichts passiert und alles gehöre zum täglichen, routinierten Ablauf. Weit über fünf Minuten braucht der Tontechniker, um das Problem am Schlagzeug zu beheben und Grohowski steigt unter dem Jubel der Zuschauer zum unglaublich rauchig und whiskeylastig anmutenden „Atomic Age“ wieder ein, das sich mehr und mehr aufbaut zu einem Blast Beat Gewitter und einer Kakofonie aus schiefen Tönen und grauenvollen Geräuschen. Wahnsinn. Immer wieder dringt panisches Frauengeschrei durch diese Wand aus schrägen Harmonien, atonalen Riffs und gegenläufigen Basslinien. Neben der beeindruckenden Bühnenpräsenz ist dieses Konzert tatsächlich auch Arbeit. Um nichts zu verpassen, alles aufzusaugen und im Ansatz zu erfassen.

IMPERIAL TRIUMPHANT, ALTERATION, 15.04.2023, P8, Karlsruhe

Foto: Madita Nair

Und was darf in Bezug auf die New Yorker Dekadenz der Reichen und Machtvollen natürlich nicht fehlen? Champagner. Diesen gießt Esrin genüsslich und verschwenderisch über die ersten Reihen hinweg und schüttet ihn den Gierigen in die Mäuler. Unglaublich sinnbildlich und erschreckend. Beeindruckend und schön.

Das nachfolgende „Chernobyl Blues“ kommt wieder sehr schleppend, sich langsam aufbauend und mit krächzenden Growls von Esrin unterlegt daher, und tendiert man schon ein wenig in Trance mitzuwanken, explodiert alles wieder in ein Black Metal Geballer, bei dem Esrin und Blanco wie Wahnsinnige über die Bühne gleiten, immer wieder ausgelassen und ausladend miteinander „performen“, doch hat man zu jeder Sekunde die Gewissheit, dass beide genau wissen, was der andere jetzt und im nächsten Moment tut.

Zum Ende von „Cosmopolis“ darf sich Blanco mit dem Bass noch alleine auf der Bühne austoben und spielt immer wieder mit verrückten Geräuschen und dem abrupten Abbrechen, sodass komplette Stille im P8 herrscht, um sogleich wieder in Chaos auszubrechen. Dieses Spiel treibt er immer weiter, spaziert mit dem Bass durch die Zuschauer, bricht ab und man blickt in die schwarzen Löcher seiner Maske und fragt sich, was dahinter vor sich geht. Auf der Bühne kommen die anderen beiden wieder dazu, sodass Blanco sich die Zeit nehmen kann auf das Bühnengerüst zu klettern, während Esrin weiter Gitarre und Blancos auf dem Boden liegenden Bass mit dem Fuß spielt. Ausschweifend, wahnsinnig und unglaublich unterhaltsam. Man kommt sich vor wie auf einer Party von „The Great Gatsby“, der eben zur Unterhaltung Imperial Triumphant eingeladen hat, die freudig an der Orgie des gemeinsamen Untergehens und Vergessens aller guten Sitten und Moralvorstellungen teilnehmen.

Mit „Rotted Futures“ als krönendem Abschluss dieses Abends zeigen uns Imperial Triumphant noch einmal mit ihrem ganz eigenen dissonanten Charme auf, was die Zukunft für uns bereithält und verschwinden dann, so elegant wie sie erschienen sind, hinter den Vorhängen der Bühne und lassen uns mit Fragen, Antworten und beeindruckten Gesichtern zurück.

Imperial Triumphant

Alteration

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.