LBT, 28.01.2023, Schloss, Isny
Ich bin immer wieder baff, was die kleine Stadt Isny im Allgäu für ein Kulturprogramm bietet. Die kleine, feine Reihe Klavier plus bestätigt dies wieder mal. Sie findet in der Kunstgalerie im Isnyer Schloss statt, in dem man übrigens wohnen kann und in dessen Innenhof ein wunderschöner kleiner Weihnachtsmarkt veranstaltet wird. Ich würde am liebsten alle Programmpunkte der Kammermusikreihe mitnehmen, da ich aber leider nicht mehr um die Ecke wohne, hab ich mir LBT ausgesucht. Und das war auf jeden Fall eine gute Wahl. LBT steht für Leo Betzl Trio, der Namensgeber bedient in der Gruppe den Flügel. Weitere Mitglieder der Band sind Maximilian Hirning am Kontrabass und Sebastian Wolfgruber am Schlagzeug. Das Trio spielt laut Beschreibung auf der Website Techno – rein akustisch erzeugt.
Als wir die Räume der Kunstgalerie betreten, zählen wir 36 Stühle im dafür sehr großen Raum und fallen erstmal drauf rein. War der Vorverkauf wohl nicht so der Knaller. Als der Saal sich aber plötzlich in sekundenschnelle füllt, wird uns klar, dass hier heute auf jeden Fall auch getanzt werden soll und wird. Die jüngsten Zuschauer sind etwa 10, die ältesten etwa 80 Jahre alt und Letztere wirken wie Opernpublikum. Zusammengenommen stellen sie die kleinste Gruppe, aber sie sind da und das finden Fotograf Armin und ich richtig gut!
LBT tauchen relativ pünktlich auf und kündigen an, dass sie 80 Minuten durchspielen und dann wird Schluss sein. Wir dürften aber schreien und tanzen und klatschen, während sie spielen. Anfangs gibt es wohl technische Probleme, die wir ehrlich gesagt nur wahrnehmen, weil die Techniker hin und her laufen und irgendwas richten, was rasch erledigt ist. Nach etwa 20 Minuten bittet der Kontrabassist darum, die Stühle wegzuräumen. Ein paar der älteren Zuschauer gucken erst zerknirscht, der Großteil bleibt aber und trägt den Stuhl entweder in den hintersten Teil des Saals oder wippt einfach mit. Auf jeden Fall hat es der Atmosphäre gutgetan, die Leute rücken zur Band vor und es wird wild getanzt. So viele strahlende Gesichter habe ich lange nicht gesehen. Und dass hier so gestrahlt wird, ist kein Wunder, LBT spielen Techno vom Feinsten, mit allem, was dazu gehört. Immer wieder bauen sie neue Spannungsbögen, spielen mal sanfter, fast psychedelisch, um dann wieder ordentlich Druck aufzubauen. Bei vielen Tönen fragt man sich, ob nicht doch irgendwo heimlich elektronische Hilfsmittel versteckt sind, aber es ist wohl eher so, dass die Instrumente auf uns unbekannte Weise gespielt und manipuliert, werden. Auf dem Kontrabass kann man mit dem Bogen tolle Loops erzeugen und es werden auch irgendwelche Dinge zum Klangerzeugen hinzugenommen. Beispielsweise streicht Maximilian Hirning mit dem Bogen mal direkt die Saiten des Flügels oder Sebastian Wolfgruber schraubt die High-Hat runter und ersetzt sie mit einer Fahrradfelge. Interessant ist auch ein Instrument aus (Heizungs?)Rohren, das mit Schuhsohlen gespielt wird. Hirning vaped immer wieder, ich habe aber den Eindruck, dass dies eine Nebelmaschine ersetzen soll.
Die Decke des Saals besteht aus vielen Gewölben. Gibt sicher einen Fachbegriff dafür. Ich mache mir einen Spaß daraus, immer mal den Standort zu wechseln, denn der Sound ist unter jeder Kuppel etwas anders. Insgesamt ist er richtig gut, einen Ticken lauter könnte es aber ruhig sein. Fotograf Armin ist ebenfalls vom Konzert begeistert und ich bin sehr froh darüber. Er hat bei meiner Einladung zum Fotografieren nur Allgäu gehört und sich nicht durchgelesen, worum es geht. Als ich meinte, wir gehen zu einem Technokonzert, hat er sich etwas erschreckt und jetzt ist er richtig glücklich. Sehr schön.
LBT haben bis in den Sommer einige Termine auf dem Plan, ich werde auf jeden Fall versuchen, sie so schnell wie möglich wieder zu hören, egal ob in Kempten, Karlsruhe oder Kassel.