DIE FANTASTISCHEN VIER, 23.12.2022, Schleyerhalle, Stuttgart
Kaum eine Zeit im Jahr, in der es mehr feste Termine, Rituale und Traditionen gibt, als in der „stillen“ Zeit um Weihnachten. Für viele gehört dazu das Weihnachts-Konzert der Fantastischen Vier, das dieses Jahr unter der „witzigen“ Überschrift „Alle Jahre Die Da“ steht. Für mich nicht wirklich ein Pflichttermin und ich muss weit in meinem Konzertkalender zurückblättern, wann ich das letzte Mal überhaupt die Fantas gesehen habe. 2004 war es, ebenfalls in der Schleyerhalle, damals mit dem Newcomer Clueso. Und davor waren wir 1992 im Schützhauszelt auf dem Frühlingsfest. Dreimal in dreißig Jahren, da kann ich mich – anders als die meisten der 12.000 Anwesenden – wohl kaum als echten Fan bezeichnen.
Aber ich bin neugierig, wie sich die Vier – die ja irgendwie immer präsent waren – denn live so gehalten haben. Und die Aussicht auf einen spaßigen Vorweihnachts-Abend mit alten Freunden lockt mich ebenfalls zum dritten Besuch der Schleyerhalle innerhalb eines Jahres, obwohl ich die sonst zu meiden versuche. Dass man für knapp 80 Euro gerade mal Plätze im hintersten der drei Sektoren im Innenraum bekommt – und damit gefühlte 50 Meter von der Bühne entfernt ist – ist schon krass. Es tut aber der Stimmung keinen Abbruch, wie der Abend zeigen wird. Vor allem, da der Innenraum-Bierstand dadurch gefährlich einfach zu erreichen ist.
Nach einem gefälligen DJ-Thomilla-Warmup-Set voller gut abgehangener HipHop-Gassenhauer startet der Gig um 19:45 Uhr mit einem weihnachtlichen Opener und Kunstschnee. Ich bin kurz verunsichert, ob dies wirklich das Setup für den Abend sein wird. Der Sound ist schwächlich, die Bühne bis auf den Backdrop mit vier Fanta-Weihnachtsmännern praktisch leer. Als dann aber der große Vorhang fällt, die komplette Band auf zwei weiteren Podest-Ebenen sichtbar wird und vor allem mal kurz zehn Dezibel draufgelegt werden, passt alles. Zumal mit „Jetzt passt auf“ und „Bring It Back“ mit Vollgas gestartet wird.
Das Publikum ist sehr schnell auf Betriebstemperatur, selbst auf den Sitzplätzen kommt zügig Bewegung auf. Keine Frage: Die alten Herren wissen immer noch sehr genau, wie man es krachen lässt. Sie können aus einem derartigen Fundus von zeitlosen Hits schöpfen, dass sie viele in einem Medley nur kurz anreißen, was dem Abend noch mehr Tempo gibt. Bejubeltes Highlight im ersten Drittel des Sets: eine der raren Rap-Einlagen von And.Ypsilon.
Die Bühnenausstattung ist mit drei großen LED-Wänden und klassischer Beleuchtung relativ simpel und konventionell, tut aber, insbesondere durch die farblich schick gestalteten Livebilder durchaus ihre Wirkung. (Wenn ich mir allerdings überlege, welch opulenten Technik-Bombast wir bei Udo Lindenberg für kleineren Eintritt bekommen haben, ist das heute schon eher schmale Kost. Allerdings ist es auch eine einmal gespielte Show und keine mehrfach genutzte Tour-Produktion.) Thomas D., DJ Hausmarke, Smudo und And.Ypsilon sind jedenfalls in bester Spiellaune, unentwegt großräumig auf der Bühne unterwegs und stimmlich top. Zumal die Anlage das Gerappte bei bester Verständlichkeit auch zu uns ganz hinten überträgt. Die Live-Band ist bekanntermaßen ebenfalls hervorragend besetzt. Jeder Musiker bekommt im Laufe des Abends Gelegenheit zu einem Solo und speziell beim jazzigen Keyboard- und dem rockigen Gitarren-Solo wird ausgiebig Szenenapplaus gespendet.
Kurzum: wir sehen eine äußerst dynamische Show mit einem hervorragend aufgebauten Spannungsbogen und gut 25 Titeln vor den Zugaben. Einziger Tiefpunkt: das Pennäler-humorige „Pipis und Popos“ mit dem Helium-Intro, das einfach nur albern wirkt und gerne aus der Setliste gestrichen werden könnte. Ansonsten ist das gut zweistündige Programm mit Hits aus allen Schaffensphasen gespickt und endet mit „Troy“, bevor als Nachschlag mit „MfG“, „Die Da?“ und „Zusammen“ die größten Klopper rausgehauen werden.
Und ich stelle fest: Bei meinen drei Schleyerhallen-Gigs dieses Jahr landen die Fantas – was die Performance, Unterhaltungswert und Dramaturgie betrifft – knapp hinter Udo Lindenberg und weit vor The Cure. Jedes Jahr brauche ich es wohl nicht, aber rein rechnerisch wäre ein Besuch ja erst wieder in 15 Jahren fällig. Und ich habe keinen Zweifel, dass die Vier angesichts ihrer beeindruckend guten Alterung auch dann noch eine mitreißende Weihnachtsshow spielen werden.