DERYA YILDIRIM & GRUP ŞIMŞEK, 25.11.2022, Kulturhaus Schwanen, Waiblingen
Dunkel und kalt ist es auf unserem Weg in die Kreisstadt Waiblingen an diesem Novemberfreitag. Diesen kleinen Ausflug als Abenteuer zu bezeichnen, wäre nun doch des Guten um Längen zu viel, auch wenn wir Stadteier leichte Orientierungsprobleme in der Remstalmetropole an den Tag legen, aber schließlich doch wohlbehalten im Kulturhaus Schwanen ankommen. Was sonst meistens der Manufaktur (die ja noch weiter vom Kesselrand liegt, Himmel hilf!) vorbehalten ist, darf sich dieser kleine, aber sehr feine Ort der Kultur auf seine Fahne schreiben: Brighton, London, Paris, Brüssel, Amsterdam, Winterthur, Waiblingen prangen auf dem Tourplakat zum neuen Album „Dost 2“ von Derya Yıldırım & Grup Şimşek.
Die Vorfreude brachte uns sehr zeitig in den kleinen, auf einer Seite bestuhlten Raum, wo mit erstem beeindruckten Blick die technische Ausstattung begutachtet wurde. Alles schien angerichtet, nur die bis dato spärliche Anzahl an Besucher*innen machte uns noch etwas Sorge – wäre eine Location in Stuttgart nicht vielleicht doch die bessere Wahl gewesen (abgesehen von der dann für uns bequemeren Anfahrt)? Mit Freude nahmen wir in den nächsten 30 Minuten sowohl weitere Getränke zu uns als auch zur Kenntnis, dass sich der Raum immer mehr füllte.
Ein Bericht über diesen Abend war eigentlich nicht vorgesehen, aber mit jedem weiteren glanzvollen Stück dieser vier hervorragenden Musiker*innen, wird klar – das muss raus in die Gig-Blog-Welt. Was Derya Yıldırım (Gesang, Bağlama), Greta Eacott (Schlagzeug, Percussion), Antonin Voyant (Gitarre, Bass, Querflöte) und Graham Mushnik (Orgel, Synthesizer) hier auf die Bühne zaubern, begeistert minütlich mehr.
Yıldırıms glockenklarer Gesang, Eacotts dynamisches Spiel, Voyants psychedelische Soundästhetik und Mushniks Orgel-Sounds sowie beeindruckender Tastenbass werden in einem perfekten Sound und – umhüllt von stilsicherem Bühnenlicht – zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk. So können wir dabei zusehen, wie die Begeisterung immer mehr um sich greift und plötzlich schwebt dieser Raum, geht alles auf in der Musik, im Halay, im Strahlen der Gesichter aller Anwesenden vor und auf der Bühne. Niemand kann sich diesem Zauber mehr entziehen und niemand will das auch nur ansatzweise.
Auch dieses Konzert ist irgendwann zu Ende und die einsetzende Analyse versucht die einhellige Begeisterung in Worte zu fassen. Eine Neujustierung der Liste der besten Konzerte des Jahres wird in den Raum geworfen und auch das Vorhaben, das Programm des Kulturhaus Schwanen in Zukunft weiter im Blick zu haben. Und ja, auch meinen eigenen Blick auf Musik sollte ich vielleicht etwas anders ausrichten – mehr Beachtung für Musik, die in den letzten Jahrzehnten in diesem Land stattfand und keinen Platz in den Fernsehshows der Republik angeboten bekam. Da gibt es einiges nachzuholen, gar nicht mal nur auf die Musik bezogen.