DER NINO AUS WIEN, 14.11.2022, Merlin, Stuttgart
Nachmittags höre ich fasziniert-neidisch auf Horads zwei Studentinnen zu, die übers Ausschlafen und spätes oder frühes Aufstehen philosophieren. Sie sind sich einig, dass sie gerne ausschlafen, aber kein gutes Gefühl haben, wenn sie den halben Tag im Bett verbracht haben und erst gegen 16 Uhr so richtig in die Puschen kommen. Hach, Privileg der Jugend denke ich, und erledige weiter dies und das – wie es halt scheinbar so ist, im Erwachsenenleben um die vierzig.
Wie angenehm inmitten dessen: Der Nino aus Wien am Montagabend im ausverkauften Merlin! Schon vier Mal oder so war er laut eigenen Aussage da (und manche im Publikum wohl auch) und jetzt tourt er gemeinsam mit seiner Band endlich wieder durch die Lande, wie man so sagt, und singt immer noch vor allem Lieder über die Schule der Nacht: Abseitige Gestalten, Orte, Begebenheiten, lauwarmen und sauren Spritzer (Weinschorle), das Schicksal, natürlich Wien, den Herbst und schließlich auch den Winter, denn:
Die Erinnerung zeigt deutlich
Kein Sommer ist für immer
Es wird bald wieder scheußlich
Und dann wird’s immer schlimmer
Doch es hat immer noch gepasst
Weil all you need is love
Und meist gelingt’s nicht ganz, aber manchmal fast
Nino (Nachname Mandl) besingt einerseits den Schmerz, Woche um Woche, z.B. angesichts des oft ausbleibenden Erfolgs seines Lieblingsfußballklubs Rapid Wien im Song Unentschieden gegen Ried, aber auch die Hoffnung z.B. ganz wunderbar in Die Blume – gesungen in samtig-moosigem österreichischen Idiom mit abgerundeten Ecken. Dort finde ich den Auftritt am stärksten: Wo es wehtut, aber nicht hoffnungslos ist, wo es um Kaputtheit geht, die durchaus Schönheit in sich trägt oder wenn die Hoffnung schwindet, aber der Humor gewinnt. Darum steht auch die Lyrik für mich im Vordergrund, das Musikalische betreffend ertappe ich mich ab und an dabei, gedanklich schon an der Bar zu stehen. Dies ändert sich insbesondere beim Song Es geht immer ums Vollenden (super: Klarinette) und auch beim großartigen Praterlied als Teil der Zugabe. Einsetzende Fangesänge kommentiert er mit „ihr könnt ja besser singen, als ich!“, und auch zwischendrin macht er sympathisch-verhuschte Ansagen.
Und überhaupt: Niemand spricht das Wort „Katastrophe“ so schön aus, und wieso ist mir noch nie aufgefallen, dass „Katzen“ sich total gut auf „wachsen“ reimt, zumindest wenn man Nino heißt? „Danke, es war wunderbar!“ verabschiedet er sich kurz nach zehn. „Ja Danke, gleichfalls! Pass auf dich auf, Nino!“
Konnte leider nicht kommen, danke für den schönen Bericht.