TREES SPEAK, SALLY GRAYSON, 13.11.2022, Wagenhallen, Stuttgart
Seltsam: Vor Kurzem noch haben wir uns noch gefragt, ob es überhaupt noch Konzerte in den Wagenhallen gibt, und jetzt sind wir an einem Wochenende gleich bei zweien. Verglichen mit dem ausverkauften Konzert von Moderat gestern, ist dieses Event im „Kleinen Raum“ aber eher ein Minderheitenprogramm. (Vermutlich der schönste Ort in den Wagenhallen, dieser kleine Raum. Hier würden wir uns viel mehr Konzerte wünschen.)
Mit dem Booking von Trees Speak aus Tucson/Arizona hat die Stuttgarter Musikerin Sally Grayson einen echten Überraschungscoup gelandet. Zu der Band, die gerade auf Europa-Tour ist (und dort deutlich größere Venues spielt), gibt es eine besondere Verbindung, die das Ganze erklärt: Gabriel Sullivan bedient nämlich nicht nur die Drums bei Trees Speak und ist Gitarrist und Songwriter bei der Rock’n’Roll-Cumbia-Band XIXA, er ist auch der Produzent des ersten Solo-Albums, das Sally Grayson in Tucson mit niemand geringerem als Mitgliedern von Giant Sand und XIXA aufgenommen hat. So liegt es dann wohl nahe, die Kollegin – wenn schon mal „in der Nähe“ – kurzerhand in Stuttgart zu besuchen.
Selbstverständlich beginnt der Abend mit einem Support-Set von Sally Grayson und ihrer Band sowie Gabriel Sullivan an der Gitarre. Schon hier stellt sich das wohlige Gefühl ein, einem einmaligen Konzert beizuwohnen. Unwahrscheinlich, dass dieses Setup so schnell nochmal zusammenkommt. Authentischer, stimmungsvoller Americana-Sound, eine tolle Stimme und selten gehörte Gitarrensounds von Gabriel Sullivan – dies alleine ist schon ein feiner Gig und Grund genug, den Sonntagabend fernab des Sofas zu verbringen. Und macht neugierig auf das hoffentlich bald erscheinende Album.
Doch der Hauptact Trees Speak hat noch einige Überraschungen in petto. Dass sich eine Band aus Arizona dem Krautrock à la Neu! oder Cluster verschreibt, ist ja schon skurril genug, und lässt uns auf stoische Beats, und abgespacete Elektronik hoffen. Dass sie aber darüber hinaus auch noch den Bogen zu Genres wie Dark Ambient oder Soundtracks à la Morricone schlägt, ist dann schon wirklich wild. Mal wird mit Synthesizern, Gitarren, Bass und Schlagzeug eine mächtige Wall of Sound aufgebaut, über der ein sphärisches Saxophon schwebt, dann begibt man sich herab in mystisch dunkle, fast opernhafte Soundwelten, die von einem Theremin geformt und von der ausladend agierenden Sängerin spektakulär gestaltet werden. Verstärkt wird das Erlebnis für alle Sinne durch den reichlichen Einsatz von Weihrauch und Akzenten von tibetischen Glöckchen. Verrückt.
Vielleicht fehlt hier ein wenig der musikalische rote Faden, dafür lauert hinter jeder Ecke eine neue Überraschung für die neugierige Zuhörerschaft. Und obwohl das Set mit einer Dauer von gut einer Stunde recht überschaubar bleibt, haben wir nach dem spektakulären Finale das Gefühl, mehr als nur zwei Konzerte erlebt zu haben. Definitiv das Beste, was uns an einem dunklen Herbstsonntagabend passieren kann.