DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN, 11.11.2022, Goldmark’s, Stuttgart
Uff, wo war ich stehengeblieben in Sachen Konzerten? Ah ja, das war vor der Pandemie, vor der Kapitolerstürmung, vor Querdenken und diversen Promi-Meltdowns, Putin-Krieg plus sonstiger mannigfaltigster Scheiße, too much to mention. Was Besseres, als einen Wiedereinstieg mit einem der klügsten und stabilsten Texteschreibern Deutschlands, Carsten Friedrichs, und seiner Die Liga der Gewöhnlichen Gentlemen zu wagen?
DLDGG sind auf ‘ne Art die Motörhead des deutschsprachigen Mod Powerpop. Hauen mit einem hohen Arbeitsethos eine Platte nach der anderen raus, dabei immer klug und humorvoll, in gleichbleibender, hoher Qualität. Auf der Grundformel des schnörkellosen Powerpop-Songs kann es mal in etwas softere, sunshine poppigere Richtungen gehen, oder aber auch in motownige Gefilde. Es finden sich aber auch genügend dreckigere, pubkompatible Hymnen.
Im ziemlich vollgepackten Goldmark’s geht es mit der ersten, von mehreren life-affirming Hymnen, “Die Welt braucht mehr Leute so wie dich”, los. Erster Gedanke, hui, ist das laut. Aber nein, der Sound ist tatsächlich klar und druckvoll, und bleibt auch so bis zum Ende. Die stöpselfreien Ohren danken es mit einem rauschfreien Folgetag. Well done, zuständige Person für die Abmischung des Klangs!
Mit “Yo Zwanie” und “Song für Eis-Gerd” kommen danach erst mal zwei Lieder, welche die etwas punkigere, bzw. modpoppige Seite des Quintetts zeigen. Publikum natürlich sofort auf 180, keine Frage. Oder, um es mit einem, beim Mittagessen am Nebentisch aufgeschnappten Begriff zu sagen: “Zippzapp, Laminat im Bauwagen!”.
So wie es keinen Ausreißer nach unten bei den Studioplatten der Band gibt, so habe ich die Hamburger auch noch nie underperformen gesehen. Aber irgendwie merkt man heute schon einen speziellen, die Pandemie-hinter-sich-lassen-wollen-Kick oben drauf. Oder ich bilde ihn mir ein (wegen des selben Pandemie-hinter-sich-lassen-wollen-Kicks). Auf jeden Fall durchströmt eine positive Energie das Goldmark’s und in den ersten Reihen werden die Tanzmoves immer häufiger und raumgreifender.
“Ferien für immer” mit seinem Prä-Klimawandel-Feeling im Pan Am Look, bzw. Hear, und “Es ist nett, nett zu sein” präsentieren die melodischere Popseite der Band, die mir noch besser gefällt als die rauere. Großartige Songs!
Launige Ansagen, teilweise gemacht, um “kompliziertere” Gitarrenumstöpselungen vorzunehmen, geben uns etwas Luft zum Durchatmen. Man erfährt dann, warum Matratzen-Concord der DLDGG noch einen Weihnachtsgig schuldet, oder wo man in Hamburg für wenige Euro sich wie die herrschende Klasse einkleiden kann. Beides die respektiven Einleitungen für die Songs “Der kleine Matratzenmarkt” und “Kilo Shop Mod Tip Top”.
Bei mittlerweile sechs Studioalben vermisst man trotz eines prallen 19-Songs Sets, natürlich manchen Hit seiner persönlichen Bestenliste. In meinem Fall wäre das z.B. “Das Unglück bin ich”, “Ich verlieb mich wieder in mich”, “Der beste Zechpreller der Welt” oder “Das härteste Mädchen der Stadt”. Keine Kritik, sondern Erstaunen, wie einem 19-Song Set, an dem es nichts auszusetzen gibt, immer noch eine Reihe Hits fehlen.
Die Party, denn das ist es mittlerweile, geht indes vergnügt weiter und bietet mit “Kennst Du Werner Enke?”, “Ein Leben in Rot mit purpurnen Blitzen” und “Jeder auf Erden ist wunderschön” noch einige meiner Highlights aus dem umfangreichen Schaffenskatalog der Hamburger. Dass das Publikum dann nach Ende des Konzerts die letzte Zugabe “Alleine auf Parties” noch minutenlang ohne Band weiter singt, ist der passende Abschluss dieses Feelgoodevents mit Dämonenaustreibungstouch.
Ich las mal, dass die Kunst oftmals klüger als der/die dazugehörende Künstler*in ist. Gut fürs Gemüt, wenn man wie heute das Gefühl hatte, dass es ein Patt war.