WATAIN, ABBATH, TRIBULATION, 28.09.2022, FilHarmonie, Filderstadt
Es ist unser Bestreben das Feuer zu schüren,
welches unser heiliges Schicksal ist.
Bis schwarzer Rauch an den Himmelspforten empor steigt.
Auf dieses Feuer waren mein Herz, mein Geist und meine Erwartung am heutigen Abend eingestellt. Alles sollte brennen. Alles sollte in Flammen stehen, untermalt von messerscharfen Gitarren, hämmernden Rhythmen, „Gesang“, der sich giftig in die Seele hineinfrisst und einem Hauch von Tod, der die Luft versüßt. Ein Feuer, das den Geist reinigt und neue Energien herausbrennt.
Wir alle wissen, wie es einem an manchen Tagen die Stimmung erdrücken kann, wenn man die Erwartungen zu hoch ansetzt. Doch möchte ich dabei den auftretenden Bands keine Mitschuld geben. Manchmal soll es einfach nicht so recht klappen in Zeiten, in denen man sich nicht mehr sicher sein kann, ob Konzerte stattfinden. Das erste Indiz für einen durchwachsenen Abend liefern bereits die vielen noch freien Parkplätze direkt vor der FilHarmonie, da waren es nur noch 10 Minuten bis zur ersten Band. Als wir die Halle betreten, bietet sich wirklich ein erschreckender Anblick. Nichtmal ein Drittel war gefüllt, als Bölzer die Bühne betreten und es sollte im Laufe des Abends auch wirklich nicht mehr allzuviel dazu kommen.
Für uns beginnt der Abend mit den schwedischen Tribulation. Mehr düstere Kreaturen als tatsächliche Musiker gleiten auf die Bühne. Tribulation haben nicht viele Schnittstellen zum abendfüllenden Black Metal, doch versprühen sie schon mit den ersten Tönen von „In Remembrance“ ein kaltes, düster-romantisches Gift in tiefgrünem Licht, welches langsam in die Zuschauer hineinströmt und eine wohlige, dunstige Atmosphäre erzeugt. Sänger Johannes Andersson erinnert mit seiner tiefen, kratzigen Stimme an einen Geschichtenerzähler aus der Gruft, der seine Poe’schen Albträume mit willigen Jüngern teilt. Tribulation haben einen glasklaren Sound, bei dem jeder Ton seine einnehmende Wirkung entfaltet. Als Gitarrist und offensichtlicher Vampir Adam Zaar das Intro von „Nightbound“ (Anspieltipp!) beginnt zu spielen, wird schnell klar, dass mit Tribulation die musikalisch ausgefeilteste und abwechslungsreichste Band des Abends am Zug ist.
Absolut verdient haben sie für ihre bisherigen Werke als Krönung den schwedischen Grammis erhalten und unterstreichen dies auch nochmals beim letzten Song „Strange Gateways Beckon“. Ich möchte Bölzer in keinster Weise ihre Daseinsberechtigung bei dieser Tour absprechen, doch ich glaube, man wäre mit drei Bands und jeweils längerer Spielzeit besser gefahren. So wirkt es, als bräche man den Fluss von Tribulation einfach mittendrin ab. Das hätte gerne noch ein paar Songs länger gehen dürfen!
Ich hatte im Vorfeld, als ich das Tourplakat gesehen habe, so meine Bedenken mit Abbath. Bölzer und Tribulation sind solide, seriöse Opener für einen Act wie Watain. Aber Abbath? Da fehlt doch sicherlich die nötige Ernsthaftigkeit und der böse Wille, um das Publikum in die richtige Gemütslage zu bringen, wenn im Anschluss den Vier Königen gehuldigt werden soll.
Doch schwierige Abende verlangen spezielle Mittel und so stellt sich der Auftritt von Abbath als ein Segen heraus. Natürlich, Tribulation haben musikalisch komplett überzeugt, doch reicht das am heutigen Abend nicht, um die noch schläfrigen 200-300 Leute in Bewegung zu bringen. Dafür muss Abbath die skandinavische Axt auspacken und aus allen Rohren feuern. „Winterbane“ ist der perfekte Opener und jagt gleich eine anständige Salve nordischer Garstigkeit von der Bühne. Selbstverständlich immer mit einem kecken Grinsen im Gesicht und einem grazilen Hüftschwung. Abbath ist ein gestandener Entertainer, der auch an herausfordernden Abenden überzeugen kann, mal von der Bühne hinunterstürmt, um die Leute zusammenzutreiben und im nächsten Moment wieder auf der Bühne zu stehen und irgendwas in Richtung seiner Bandkollegen zu grummeln, die sofort verstehen und „In My Kingdom Cold“ anstimmen. Als Höhepunkte dieses Sets folgen mit „Tyrants“ und „Withstand The Fall Ov Time“ noch zwei weitere Immortal-Cover, hat man sich bei den vorangegangenen Teilen der Setlist eher auf die Solowerke von Herrn Abbath fokussiert. Weder Licht noch Stage-Props waren hier spektakulär, doch dieser Auftritt hat die erhoffte Wirkung entfalten und eine gewisse euphorische Stimmung erzeugt, die hoffentlich bis zu Watain anhält.
Seit dem ersten Gig-Blog-Bericht über Watain 2010, als sie den Club 2 in der Rofa in ein komplettes Schlachtfeld aus Tier-Kadavern, verdorbenem Blut und viel Schwefel in der Luft verwandelt haben, ist viel passiert. Die Bühnen wurden größer, der Aufbau auf selbigen aufwendiger und überfüllt mit allen möglichen Devotionalien, die man irgendwie mit Gas oder Öl zum brennen bringen kann. Höhepunkt war sicherlich der Auftritt 2018 im Lido in Berlin, als wirklich alles brannte, selbst diverse Tierschädel und die Luft unerträglich stank. Was erwartet uns da heute Abend wohl, wenn die Bühne nochmal größer ist? Nunja – da hat scheinbar die Feuerwehr von Filderstadt gesagt „Bis hierhin und nicht weiter“. Denn brennen sollten heute Abend dann nur ein paar Kerzen, während man auf Bildern der aktuellen Tour aus anderen Städten gesehen hat, wie diverse Gasleitungen auf der Bühne verlegt wurden und auch die berüchtigten Dreizacke lichterloh brannten. Also Zündelverbot für heute Abend. Da war ich natürlich enttäuscht, denn mehr Licht zum Ausgleich fehlenden Feuers sollte es auch nicht geben und so spielt sich vieles im viel zu Dunkeln ab, sodass viele Details der reich geschmückten Bühne einfach untergehen, wie zum Beispiel das riesige Bandlogo, geschmiedet in den Feuern Uppsalas.
Gegen 22:00 Uhr schreiten Watain auf die Bühne, angeführt von Sänger Erik Danielsson, der den Weg mit einer Fackel erhellt und wie im Wahn mit sich selbst spricht. Diverse Kerzen werden angezündet und auch die umgedrehten Kreuze am Bühnenrand gehen in Flammen auf. Einem enthusiastischen Fan wird dann die Fackel übergeben, welcher sie das restliche Konzert über in die Höhe hält. Mehr Feuer soll es heute nicht geben und in beinahe völliger Dunkelheit beginnt mit „Ecstasies In Night Infinite“ der Ritt in den Abgrund. Es dauert tatsächlich und ungewöhnlicherweise eine ganze Zeit, bis der Funke auf das Publikum überspringt. Meine Vermutung bewahrheitet sich dabei, dass es schlicht und einfach die falsche und zu große Location für Watain ist. Watain sind Dreck, Dunst, dichte Atmosphäre und Feuer, die jedem einzelnen Song dadurch das Rituelle verleihen und der Besucher nicht nur hört, sondern auch fühlt, riecht und sieht, was Watain ausdrücken möchten. Das alles passiert leider viel zu weit weg vom Publikum und entfaltet darum nicht diese berühmte sog-artige Wirkung, die ein Watain Konzert ausmacht.
Auf der Bühne herrscht grenzenlose Energie und jeder einzelne spielt sich in Ekstase. Sänger Danielsson redet beinahe durchgehend mit sich selbst und zu seinem Altar, während er auf den Punkt wieder am Mikrophon erscheint und die Hölle eröffnet. Mit „The Howling“ folgt direkt der nächste Titel der neuen Platte, die wieder um einiges chaotischer und gleichzeitig durchdachter ist als der Vorgänger. Das ist alles sehr gut gespielt, messerscharf klingen die Gitarren und das Schlagzeug hämmert durchgehend wie eine unbarmherzige Kriegsmaschine. Doch der Funke fehlt. Der Funke, der auch die Herzen des Publikums in Brand setzt.
Und dann endlich. „The Devils‘ Blood!“ Danielsson schreitet vor der Bühne an den Leuten vorbei und markiert sie mit vergorenem Schweineblut. Sofort verbreitet sich dieser widerliche und doch verlockende Duft und bringt Watain von der Bühne in die Köpfe der Leute. Der Rest Blut im Kelch wird von der Bühne herunter einfach in die ersten Reihen gekippt und die Stimmung steigt. Watain liefern nun was es braucht, um diese Stimmung und Atmosphäre zu halten und entfalten. „Reaping Death“ und „Black Flames March“ sind sichere Garanten, um pechschwarze Philosophien in die Seelen zu brennen. Und Watain betreiben das mit einer Überzeugung und Ernsthaftigkeit, dass man sich oft verliert im einfach nur beeindruckt Dastehen und Starren.
Gegen Ende wird dann zu „Nuclear Alchemy“ doch noch ein bisschen gezündelt und eine Flamme scheint etwas außer Kontrolle zu geraten, da steht auch schon jemand von der FilHarmonie vor der Bühne und beäugt das Treiben kritisch. Watain sind definitiv nichts für solche Locations. Zu viele Unberechenbarkeiten auf Veranstalterseite und zu eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten für die Band. Es mag vielleicht an meinen Erwartungen liegen, doch hatte ich auch den Eindruck, dass Watain nicht so die Lust hatten wie an anderen Orten oder Tagen zuvor. Vielleicht ist darum mit „Malfeitor“ als Closer schon nach einer Stunde Schluss und Sänger Danielsson erstickt alle Kerzen und schreitet zurück in die Dunkelheit.
Es war solide. Aber es war nicht „The Agony & Ecstasy of Watain!“
Und dennoch gilt bei Watain knallhart:
Hail Satan!