SUM 41, SIMPLE PLAN, 20.09.2022, Porsche Arena, Stuttgart
Die Stuttgarter Porsche Arena stellt heute Abend die pyrobeladene Bühne für den Auftakt der „Does This Look All Killer No Filler?“-Tour, der zwei wohl größten Exporteure ikonischer Highschool-/Funpunk-Hits, die Kanada zu bieten hat. Mal abgesehen von Avril Lavigne.
Die seitlichen Ränge der Porsche Arena sind komplett abgehangen, mit Ausnahme einer Tribüne mit direktem Blick zur Bühne. Bei einem Best-Of-Konzert denkwürdiger Partysongs würde es eh niemanden auf den Sitzen halten und die gewaltigen Nebelmaschinen, die ich am liebsten für mein eigenes nächstes Konzert hätte mitgehen lassen wollen, entfalten noch intensiver ihre Wirkung. So steht man dicht gedrängt im Dunst und wartet, bis der kurzweilige Ausflug in die Teenie-Tage beginnt.
Und diese Menschenmasse kommt schlagartig in Bewegung, als zur Titelmusik von Star Wars die vier Kanadier von Simple Plan aus Montréal die Bühne entern. Wenn der Abend mit einem Song wie „I’d do anything“ beginnt, dann steht der Plan für den restlichen Verlauf. Es huschen diverse denkwürdige Filmszenen aus einschlägigen Highschool-Komödien und Teenieklassikern wie „Freaky Friday“ oder American Pie vor dem inneren Auge vorbei. Sänger Pierre Bouvier’s Stimme klingt immer noch so frisch und jung wie vor 20 Jahren und auch die restlichen Bandmitglieder fließen nahtlos in einen beinahe perfekten Sound mit ein. Gäbe es die Bierbecher an diesem Abend noch in klassischem amerikanischen Party-Rot, hätte dieser Auftritt den Hauch einer riesigen Homecoming/Abschlussball-Party, die in Filmen immer so übertrieben ausarten, dass man sich beim eigenen Abschluss nach ein wenig Uncle Sam Flair sehnte und hoffte, jemand mit Sixpack zieht sich einfach aus und stülpt sich über ein Bierfass, während der etwas dickere Außenseiter bereits einen Schritt weiter ist und dem heißesten Chick der Party über das Kleid kotzt.
Madita ist ein wenig betrübt, dass sie beim wohl bekanntesten Song der Band „Shut Up“ noch im Graben war, um zu fotografieren und nicht mit der Menge mittanzen konnte. Gewagt, diesen Hit bereits als zweiten Song zu spielen. Doch als kleine Wiedergutmachung gibt es gegen Ende des Sets ein kurzes Medley dreier Hits anderer Partypunk-Größen. „All Star“ von Smash Mouth, der geneigte Shrek Fan wird sich erinnern. „Sk8ter Boi„, von Avril Lavigne, auch mit männlicher Stimme ein absoluter Teenie-Hit. Als Drittes gibt es dann noch „Mr. Brightside“ von The Killers und ich hatte diesen Song, während er auf der Bühne perfekt performt wurde, komplett schräg im Ohr und von einer Frau gesungen, aber ich bin nicht darauf gekommen, wer und wo es war, bis Madita mich erlöste. „Mr. Brightside“ – Danke!
Beim vorletzten Song „I’m just a kid“ hat Schlagzeuger Chuck Comeau scheinbar die unaufhaltsame Lust bekommen, die Stöcke niederzulegen und in die Menge abzutauchen. Sänger Bouvier übernimmt stellvertretend. Doch bevor das Bad in der Menge beginnt, müssen natürlich Vorbereitungen getroffen werden, um in diesen Zeiten keinen infektionsbedingten Tour-Abbruch zu riskieren. Also Schutzanzug und Atemschutz-Maske an – Los geht der Ritt. Man verspürt immer wieder auf den Konzerten in letzter Zeit, wie sehr auch die Menschen auf der Bühne dieses Erlebnis mit den Fans vermisst haben. Und mit „Perfect“ runden Simple Plan diese Happy Hour gebührend ab.
Sum 41 werden es die nächsten 90 Minuten einen Tick rauer, energiegeladener und definitiv heißer hergehen lassen. Schon bei den ersten drei Songs „Motivation“, „The Hell Song“ und „Over my head“ werden sämtliche Pyros gezündet und lassen den riesigen aufgeblasenen Teufelsschädel auf der Bühne noch diabolischer wirken. Mitten in die aufblühenden Moshpits ballert man noch eine Ladung Konfetti rein und fertig ist der rasende Party-Mob. Waren Simple Plan der Mainact beim typischen amerikanischen Prom, sind Sum 41 definitiv die Soundtrack-Lieferanten für die Party danach, bei der man irgendein teures Elternhaus demoliert bis die Cops kommen und aufräumen. Sänger Deryck Whibley lässt heute bis auf wenige Ausnahmen die Gitarre weg und kann sich so umfangreicher um das Anheizen der Willigen kümmern. Stolz resümiert er über das bereits 20-jährige Bestehen der Hit-Alben „All Killer No Filler“ und „Does This Look Infected?“.
– Oh man, sind wir alle alt geworden.
Letzteres war mit drei Songs maßgeblich mitgestaltend am überragenden Soundtrack der American Pie – Reihe. Auch Sum 41 überschütten heute Abend das Publikum mit Dank über das zahlreiche Erscheinen, den damit verbundenen Mühen (Parkplatz suchen, anstehen, Geld ausgeben – ein bisschen kann man es auch übertreiben…) und der Freude darüber, dass man sich endlich wieder sehen kann und die Familie wieder vereint ist. Deryck ist sichtlich darum bemüht, die Moshpits am Laufen zu halten, unter der Sum 41 Verhaltensregel – Jeder passt auf Jeden auf – und alle haben eine gute Zeit. Und natürlich hat hier jeder eine gute Zeit, wenn man Klassiker wie „Into Deep“, „Underclass Hero“ und „We’re All To Blame“ hintereinander geboten bekommt. Auch ein beinahe fertiges neues Album wird angekündigt, doch da es nur fast fertig ist, bekommt man am heutigen Abend auch nichts davon zu hören, sondern bekommt weiter den „oldschool Fun-Punk-Shit“ um die Ohren gehauen.
Zur Abwechslung nimmt Deryck dann doch nochmal die Gitarre zur Hand, stimmt „Smoke On The Water“ und „Seven Nation Army“ an, beendet das Ganze aber rasch wieder mit der Begründung, so hat er Gitarre spielen gelernt und mehr kann er dann auch nicht wirklich. Was er natürlich einige Augenblicke später widerlegt, wenn die Band ein punkiges Cover von „We Will Rock You“ herausrotzt. Das alles sollte aber nur die kurze punkige Ruhe vor dem Sturm sein, bevor sie mit „Still Waiting“ und „Fat Lip“ die absoluten 2000er-Hits raushauen und die komplette Porsche Arena sich in einen wilden Pulk aus Hüpfen, Moshen, Tanzen, Gröhlen und fliegenden Bierbechern verwandelt. Alles noch ein wenig härter und metallastiger gespielt als auf Platte, sodass wirklich jeder irgendwie in Bewegung gerät und noch einmal eintaucht in seine Jugend, als heiße Apfelkuchen, Stiflers Mom, Abhängen am Skaterpark, der erste Joint und ausufernde Partys als höchstes Gut gehandelt wurden.