CELESTE, HANGMAN’S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

CELESTE, HANGMAN'S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

Foto: Madita Nair

„Das Licht ist der Finsternis untergeordnet“

-Wilhelm Stapel

In der Finsternis vermögen Unterschiede keine Rolle mehr zu spielen. Die Augen erblinden für Oberflächlichkeiten. Sie erlaubt und nötigt uns zugleich, den Blick ins Innere zu lenken. Viele Menschen fürchten die Finsternis. Verschluckt sie die oft bedrohliche Umgebung, schützt uns vor gierenden Augen – doch lässt sie uns am Ende zurück mit dem schlimmsten aller Übel – der eigenen Existenz.

Hangman’s Chair reichen uns heute auf dem Weg in eben diese Finsternis die Hand. „An Ode To Breakdown“. Melancholische, wundervolle Harmonien aalen sich in erdrückenden Riffs. Der Nebel im Saal tut sein Übriges, um jegliche Hoffnung auf Positivität zu verschlingen. Songs wie „Who Wants To Die Old“ umarmen mit ihren Emotionen die Dunkelheit und verleihen ihr eine bittersüße Wärme, die einem das Gefühl vorgaukelt, es scheine alles ok zu sein.

CELESTE, HANGMAN'S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

Foto: Madita Nair

Ihr Sound schwebt irgendwo zwischen Type O Negative und den Sisters Of Mercy. Der Gesang von Cédric Toufouti umschmeichelt mit wunderschönen Klängen, doch klagt im nächsten Moment voller Wut die Ungerechtigkeit des Seins an. „A Thousand Miles Away“ rundet eine intensive Begegnung mit dieser, mir bis dato noch unbekannten, Band gelungen ab und hinterlässt mit den letzten Tönen ein Gefühl des Unbehagens zurück, das sogleich auch in Begeisterung mündet. Während Hangman’s Chair einen sehnsuchtsvollen Blick in ihren Songs auf einen Funken Licht im Nichts zulassen, so hat der heutige Headliner eine andere Auffassung von Musik, Poesie und Gefühlen.

CELESTE, HANGMAN'S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

Foto: Madita Nair

Celeste gelingt schon beim Betreten der Bühne die erste Vergiftung der Gefühle und Erwartungen. Man wartet gebannt auf die einkehrende Finsternis und wird beinahe schon enttäuscht von einer hellen Videoeinspielung, zu der die Band ein Instrumental spielt.

Doch Celeste wissen nach über 400 Konzerten die Gefühle der Teilnehmenden zu lenken und zu manipulieren. Unscheinbar faded jeder Funken Licht auf der Bühne ins Nichts und entzieht dem Raum jegliche Tiefe. In diesem Moment verweilen Celeste, um aus der Dunkelheit heraus das bedrohlich rote Licht auf uns zu richten.

CELESTE, HANGMAN'S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

Foto: Madita Nair

Was nun auf uns einschlägt, ist brachial abgemischt und bahnt sich seinen Weg durch Mark und Bein. Celeste begeben sich nicht auf meist üblich satanischen Pfaden des Black Metals, sondern hämmern uns mit glasklarem Sound die Abgründe menschlichen Verhaltens ins Gesicht. „Comme Des Amants En Reflet“ und auch „Draguée tout au fond“ sind eine dieser schleppenden Highlights, die immer wieder unterbrochen werden von hämmernden Blast-Beats und den schmerzenden Schreien von Sänger Johan.

Als ich Celeste das erste Mal auf einem Festival gesehen habe, war ich vor allem ob der Stärke jedes einzelnen Songs begeistert. Um aber diese unglaublich bedrückende Stimmung auf und vor der Bühne zu erzeugen, braucht es einen kleinen Raum, den dann Songs wie „Il a tant rêvé d’elles“ mit so viel Atmosphäre und Schrecken füllen, dass man die Menschen um sich herum beinahe vergisst, verdrängt und nur noch allein mit sich selbst, den Abgründen unserer Welt und dieser unglaublich guten Musik ist. Dieser Wechsel zwischen geschlossenen Augen, um die Musik zu spüren, und einer Art Verunsicherung, wenn einem das rote Licht ins Gesicht strahlt, ob man gerade von einer Person beobachtet wird, wie man sich dessen Kunst hingibt, erzeugen einen beinahe schon spürbaren Druck auf der Brust.

CELESTE, HANGMAN'S CHAIR, 25.05.2022, clubCANN, Stuttgart

Foto: Madita Nair

Es ist fast, als wache man aus einem finsteren Traum auf, der einen wie gelähmt in einem Würgegriff gehalten hat. Ich fühle mich nach diesem Konzert definitiv so, als hätte ich einen düsteren Ort besucht, der auch noch lange in die Nacht hinein erst wieder aus den Knochen und Eingeweiden entschwindet.

Celeste sind auf keinen Fall an der Spitze der Originalität. Doch Härte, Intensität und diese unglaublich erdrückende Atmosphäre machen diese Band zu einer ganz speziellen Erfahrung.

CELESTE

HANGMAN’S CHAIR

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