A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Unfassbar lange 269 Tage ist es her, dass wir hier zum letzten Mal von einem Live-Event berichtet haben! Und nun erscheinen in diesem zweiten Pandemie-Sommer auf einmal so viele Konzerte in den Veranstaltungskalendern, dass wir völlig entwöhnten Konzertblogger uns gar nicht an das plötzliche Überangebot heranwagen. Wenn allerdings der hochgeschätzte A.S. Fanning eines seiner raren Konzerte im vollen Band-Setup gibt, dann fällt die Entscheidung nicht schwer: Ab ins Kulturzentrum Dieselstraße zur Open-Air-Reihe „Parklücke“! Und sogar das aktuell so unberechenbare Wetter macht mit. Mit siebzig Leuten unter Abstandsbedingungen ist das Konzert ausverkauft. Sie verteilen sich auf dem vorübergehend umfunktionierten Parkplatz, die Bühne hingegen ist im Foyer, dessen große Fensterwand zum Parkplatz geöffnet werden kann. Respekt, da haben sich die Architekt:innen des Neubaus etwas Feines ausgedacht. (Ganz was anderes, aber auch super: die kleinen Schilder, mit denen man der Bedienung Durst signalisieren kann.)

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Die Eröffnung des Abends übernimmt Oliver Earnest, der in der lokalen Musikszene wahrlich kein Unbekannter ist. Nicht nur als Sänger und Bassist von Kaufmann Frust, auch mit dem Elekronik-Duo Real War haben wir Oliver Hauber schon mehrfach gesehen. Heute tritt er als klassischer Singer-Songwriter an. Mit Akustik-Gitarre, feinem Picking und einer Singstimme, die besonders in den tiefen Stimmlagen relaxed und wohltönend klingt. Mit „Gathering Speed“ eröffnet er den Abend. Einer der zehn Songs, die im November bei Glitterhouse auf seinem Debütalbum „The Water goes the Other Way“ erscheinen werden. Aber er wagt sich auch an neue, wenig oder noch nie gespielte Titel. Mein Favorit darunter: „The Steering Wheel“. Ein knapp einstündiges Set, das ganz vorzüglich für den kommenden Haupt-Act vorbereitet. Denn was den melancholischen Grundton und den unaufgeregten Gesangsvortrag betrifft, da gibt es durchaus Ähnlichkeiten zwischen Oliver Earnest und A.S. Fanning.

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Als ich vor zwei Jahren A.S. Fanning zum ersten Mal als Support und Mitmusiker von Candice Gordon sah, war mir sofort klar: Ich kenne nur wenige Musiker, die derart unterbewertet sind wie der schlaksige Ire. Das war mit seinem ersten Album „Second Life“ mit dem potenziellen Hit „Carmelita“ schon wahr, und gilt seit seinem Zweitwerk „You Should Go Mad“ noch mehr. 2020 hat es jedenfalls einen Platz unter meinen Top-Alben des Jahres bekommen.

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Für A.S. Fanning und seine Band ist es das erste Konzert seit November 2019. Man hätte ihm auch ruhig sagen können, das man das Ding einstecken muss, scherzt Fanning, als er nach dem Opener „Worms“ feststellt, dass seine Gitarre bisher kabellos war. Da merke man halt, dass sie schon lange nicht mehr auf einer Bühne gestanden hätten. Der einzige weitere Lapsus des Abends – dass er sich ein alkoholfreies Bier auf die Bühne mitgenommen hat – lässt sich leicht beheben. Musikalisch ist jedenfalls alles makellos. Die vierköpfige Band spielt formidabel zusammen, wobei mich Schlagzeuger Fred Sunesen besonders beeindruckt, der neben seinem Schlagwerk auch noch einen Synthesizer bedient und die Backing Vocals liefert.

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Die unverwechselbare Baritonstimme mit dem markanten irischen Akzent, die schon in den Soloauftritten für Gänsehaut sorgt (Fans von Matt Berninger würden sie lieben), wird vor einer teilweise mächtigen Soundkulisse noch besser. Die beiden Singles „Carmelita“ und „Abandoned“ werden ganz unprätentiös schon zu Beginn rausgehauen, aber das kann sich Fanning locker erlauben, gibt es doch keinen schwachen Titel in seinem Repertoire. Zumal er mit „Running Up That Hill“ noch ein ganz feines Cover im Programm hat. Gerade hier wird im Vergleich mit Kate Bush’s Original klar, warum man seinen Stil gerne mal als „Gothic Folk“ bezeichnet. Dunkel, melancholisch, getragen. Gerne aber auch mal mächtig mit üppigem Orgeleinsatz und fast orchestral.

A.S. FANNING, OLIVER EARNEST, 16.07.2021, Dieselstraße, Esslingen

Foto: X-tof Hoyer

Und als wir gerade in diesem wunderbaren Konzerterlebnis zu schwelgen beginnen, meldet sich doch das Wetter. Zuerst nieselnd, dann immer stärker, regnet es auf die stimmungsvoll ausgeleuchtete Parklücke herab. Das Programm muss schnell verkürzt werden. Und mit „Louis Armstrong“ und den Zeilen

But the rain came down in New Orleans
And I heard that you cried
The day that Louis Armstrong died

endet der Abend ebenso stimmungsvoll wie wettergerecht. Und wenn der Satz, dass er in einer gerechteren Welt ein großer Star wäre, bei einem Künstler ganz besonders gilt, dann bei A.S. Fanning.

Setlist A.S. Fanning

Worms
Song To The Moon
Carmelita
Abandoned
Dump Your Dreams
Becoming A Man
Never Been Gone
Running Up That Hill
You Should Go Mad
Find You
Make The Night
Louis Armstrong

Oliver Earnest

A.S. Fanning

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