PAULA IRMSCHLER, 08.08.2020, Weingut Zaißerei, Stuttgart

PAULA IRMSCHLER, 08.08.2020, Weingut Zaißerei, Stuttgart

Foto: Madame Psychosis

Lustig, dass Paula Irmschler im März meine letzte besuchte Veranstaltung vor dem Lockdown war und jetzt wieder mit eine der ersten in der sog. „neuen Normalität.“ Sprich, überall E-Mail-Adresse angeben, Maske dabei, Hände desinfizieren, niemanden anfassen (fällt mir SEHR schwer – joke).

Von Balkonen wird total überraschend schon lange nicht mehr geklatscht. Dieser seltsame Text vom „Zukunftsforscher“, der im März zur allgemeinen Erbauung gerne geteilt wurde, liest sich heute noch eigentümlicher als im Frühjahr. „Die gesellschaftliche Höflichkeit, die wir vorher zunehmend vermissten, stieg an.“ Exzellent gealtert, diese messerscharfe Analyse (not).

Ein krasses Privileg, dass man trotz andauernder Pandemie wieder vorsichtig was unternehmen kann. Zumindest solange Sommer ist und das irgendwie draußen geht.

Und prompt kommt es zu Terminkollisionen (Luxusproblem), weil natürlich alles gleichzeitig früh anfängt und Corona-konform beizeiten wieder vorbei sein muss. Auf Kultursommer im Kulturschutzgebiet (17 – 21 Uhr) muss ich darum leider verzichten zugunsten von Poesie & Oechsle mit Titanic-Redakteurin, Autorin und Kolumnistin Paula Irmschler.

Weingut Zaißerei heißt die Location für die heutige Lesung. Mir völlig unbekannt, aber das muss nichts heißen. Schon auf der Anfahrt kreuz und quer durch Zuffenhausen fühle ich mich wie im Urlaub. Süß, was ist das für eine Stadt hier? Am Neckarufer Nähe Max-Eyth-See liegt das „Weingut“, was zu meiner großen Erleichterung nicht besonders fancy aussieht. Hatte mich andererseits auch schon auf ein bisschen Falcon-Crest-Feeling gefreut mit verschlungener Auffahrt und viktorianischem Herrenhaus. Das hier aber auf jeden Fall mehr meine Preisklasse. An einer Art Neckar-Strandpromenade mit Spielplatz ist das Ding gelegen und drinnen im Hof sehr nett mit Bierbänken und Geranien ausgestattet und von normalen, sympathischen Leuten besucht.

Die unmenschliche Augusthitze hat sich schon ein bisschen gelegt. Vielleicht liegt’s auch am kühlenden Fluss? Jedenfalls sehr angenehmes Klima. Ein sanftes Lüftchen lässt die gold glitzernde Tischdecke der Bühnendeko flattern. Nette Begrüßung durch Veranstalter Thomas Geyer, schnell geht noch die Künstlersoforthilfe-Sammelbüchse rum und los geht’s.

Paula Irmschlers Debütroman „Superbusen“ fühlt sich für mich schon sehr vertraut an. Einmal habe ich das Buch vor der Buchpräsentation im Merlin im März gelesen und dann eben nochmal die Auszüge bei der ersten Lesung mitbekommen. Außerdem habe ich vor kurzem die Hörbuchversion durchgehört (auf Spotify, gelesen von Anna Thalbach, sehr zu empfehlen).

Langweilig wird der Abend trotzdem – oder gerade deswegen? – nicht. Paula Irmschler trägt entspannt und natürlich vor. Und eigentlich ist es ein noch größeres Vergnügen, wenn man nicht so genau auf die Handlung achten muss, weil man die schon gut kennt. Kann man sich einfach in den Vorleseflow fallen lassen.

Links und rechts hinter mir giggeln weibliche Zuhörerinnen immer wieder begeistert. Das Abendlicht wird immer sanfter und weicher (ok, es kommt auch noch professionelle Beleuchtung dazu). Schöne, stimmungsvolle Atmo jedenfalls.

„Kennt jemand von euch die Sendung Electric Blue?“ fragt Paula im Zusammenhang mit der Herkunft des Buchtitels „Superbusen.“ Zustimmendes „Jo!“ aus dem Publikum (ich war’s nicht). „Ich frag‘ das immer, aber du bist erst die zweite Person, die das kennt“, freut sich Irmschler. Sehr gut gefällt mir persönlich der Titel des ersten Songs der imaginären Band Superbusen: „Nächste Woche soll’s wieder scheiße werden.“ Es gibt noch ein Buchkapitel, das in Marburg spielt als Zugabe. Dann Schluss und Überblendung zu soften Easy-Listening-Sounds und gemeinsamem Ausklang.

Super schön und bemerkenswert übrigens, dass sich eine ganze Reihe unterschiedlichster Frauen nach der Show nach und nach mit nettesten Liebeserklärungen zu ihrer Kunst an Paula Irmschler wenden. Möchte ich mich hiermit direkt anschließen.

PAULA IRMSCHLER, 08.08.2020, Weingut Zaißerei, Stuttgart

Foto: Madame Psychosis

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