Zehn Jahre Goldmark’s!

Zehn Jahre Goldmark's!

Foto: Özlem Yavuz

Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das war, als ich das erste Mal ins Goldmark’s reingestolpert bin. Ich weiß nur, dass ich da mal drin war, als das noch ein frivoler Gayclub war, Comix, glaube ich.

Die Spiegelteile über den Pissoirs, die auch heute noch hängen, wurden der Legende nach so angebracht, dass man ohne große Verrenkungen und natürlich nur bei Bedarf das, äh, hihi, Rolle vom Nebenpinkler angucken konnte. Keine Ahnung, ob das wahr ist oder sein muss. Der Mann, der’s mir erzählte, schwörte aber auf diesen gestalterischen Innvoationsgeist.

Irgendwann war dann das Goldmark’s drin, erst als erweiterter Bereich vom Universum, dann selbständig. Brunner sagte damals „Punkrock“ und das klingt wie Musik in meinen Ohren – und ist natürlich auch Einstellungssache. Für mich heißt Punkrock, dass keiner motzt, wenn der DJ Dexys Midnight Runners, danach Slayer und dann Turbostaat raushaut. Und dass es völlig normal ist, wenn Mitbewohner-O-matic da Soul oder Postpunk auflegt, der Reverend Reichsstadt und Alfredo Amore Punkrock aus der Garage, London oder Detroit brettern, Jürgen 1A-Metal rausbumst oder der Joe Bescheidwisserzeug mit Hüfte auflegt. Ich gehe dort hin und es ist manchmal auch ein bisschen egal, wer auflegt, weil’s halt nie blöd oder so weit draußen ist, dass ich die Tür nicht mehr zubekommen würde.

Zehn Jahre Goldmark's!

Foto: Michael Haußmann

Vielleicht laufen hier nicht die neusten Lieder, dafür aber die Kracher, die im ständig hippen Geschwindigkeitsrausch verschütt gehen. Wer ständig auf der Suche nach dem neuen heißen Scheiß ist, übersieht ja leicht, dass in den vergangenen Jahrzehnten ständig einiges unbeachtet liegen geblieben ist. Das ist für mich mehr Kultur, als nebenan auf die Kulturmeile passen würde. Wahrscheinlich beziehen die deshalb das Goldmark’s und Universum, nie in ihre Städteplanung ein. Die haben Schiss vor den Hits.

Und ich habe im, hihi, Goldie immerhin eines der besten Konzerte aller Zeiten gesehen. Das waren die Dwarves, 2015. Richtig saustark war das, auch weil danach nicht klar war, ob das Konzert 18 Minuten, zwei Stunden oder sonst wie lange gedauert hat. Es ging los, wir wurden von einem Sandsturm geföhnt, dann war es auch schon wieder vorbei und keine Wünsche mehr offen. Nix da, „Ja, aber“ oder Quatsch like that. Nee.

Das Konzert war so gut, dass ich dachte, „Orr, da schreibe ich später was im Gigblog drüber“. Das Problem war, dass das Konzert so gut war, und ich deshalb sofort danach angefangen habe, mit allen Leuten anzustoßen und wir haben uns dann sehr lange erzählt, wie gut das Konzert eigentlich war.

Das alles war ganz nah an dem, wie es eigentlich sein sollte. Also, wie alles eigentlich immer sein sollte. Wild, herzlich, korrekt, informativ, ein bisschen albern, lustig, aber mit dieser Ernsthaftigkeit, mit der man schlechten Menschen notfalls auch ohne weiteres die Partitur geigen würde.

So ist auch das Goldmark‘s. Ich meine, im Sommer steht da vor der Tür ein Trinknapf, falls gerade jemand mit Hund, Panda, Braunbär oder Giraffe vorbeikommt und die voll Durst haben. Solche Leute sind das im Goldmarks. Vergangenes Jahr habe ich im Biergarten aufgelegt. Es hat stark geregnet. Während Brunner versucht hat, die Soundanlage und meine Platten einigermaßen zu schützen, haben sie auf der Tanzfläche wie blöd getanzt. „Geeiil!“ hat einer gerufen. Und „Ja, geil!“ habe ich gedacht.

Zehn Jahre ist das nun her, dass der Laden aufgemacht hat. Und es ist eine Schande, dass es gerade nicht möglich ist, dort mit den Verrückten das Glas hochzuhalten und „Alles Gute!“ zu rufen. Ich werde das von zu Hause aus tun und dabei so laut sein, dass die beste Punkerkneipencrew der Welt das auch hören kann.

Alles Gute, Goldmark‘s. Danke, dass es euch gibt. Und weil gerade niemand weiß, wie das alles in der Zukunft aussehen soll: Bitte, bitte haltet durch.

euer
Setzi

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