THE LAST INTERNATIONALE, SALLY GRAYSON, 05.03.2020, clubCANN, Stuttgart

THE LAST INTERNATIONALE, SALLY GRAYSON, 05.03.2020, clubCANN, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Was für ein Glück, dass uns Sally Grayson auf dieses Konzert hingewiesen hat! Ganz ehrlich, wir hatten The Last Internationale, die zum ersten Mal in Deutschland auf Headliner-Tour sind, überhaupt nicht auf dem Schirm. Ein kurzer Check in der Auskenner-Runde war auch nicht erhellend: „The Last What? Noch nie gehört“. Nach nur zwei Videos war klar, dass wir uns diesen Gig nicht entgehen lassen werden. Und um das Fazit vorwegzunehmen: das war eine verdammt gute Entscheidung!

THE LAST INTERNATIONALE, SALLY GRAYSON, 05.03.2020, clubCANN, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Der clubCANN ist an diesem trüben, nasskalten Donnerstag leider nur etwa knapp zur Hälfte gefüllt. Ein guter Teil des Publikums scheint wegen Sally Grayson gekommen zu sein, die hier ihr neues Solo-Projekt präsentiert. Ein bisschen peinlich sei es ihr, hier vor Musikern ihrer Band aufzutreten, scherzt sie. Die anfänglich etwas gnadenlose Ausleuchtung der Bühne ignoriert sie gekonnt. Allein an der Gitarre präsentiert sie eine Mischung aus neu-arrangierten Songs ihrer Band Black Swift und neuen Solo-Stücken. In kürzester Zeit hat sie die Zuschauer mit ihrer Solo-Rockshow zum Mitmachen animiert. Aktuell geht sie den Weg der regelmäßigen Veröffentlichung einzelner Songs, die sie vorab ihren Patreon-Unterstützern zu Gehör bringt. Der neueste davon, „Melt Into Your Arms“, ist für mich der Höhepunkt des Auftritts. Bei inzwischen stimmungsvoller Beleuchtung spielt Sally Grayson das gesamte Spektrum ihrer Stimme aus und präsentiert einen ergreifenden, melancholischen Lovesong, der eindeutig zu ihren besten gehört.

THE LAST INTERNATIONALE, SALLY GRAYSON, 05.03.2020, clubCANN, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Wir hadern ja gerne mit unglücklichen Zusammenstellungen aus Support und Main Act. In diesem Fall ist es aber eine perfekte Kombination, wie sich schon bei den ersten Tönen von The Last Internationale zeigt. Delila Paz, Frontfrau und Bassistin dieses Trios, könnte geradezu die Schwester von Sally Grayson sein, was Stimme und Bühnenpräsenz betrifft. 2008 in New York von Delila Paz und Gitarrist Edgey Pires gegründet, bekam The Last Internationale 2014 größere Aufmerksamkeit, als Rage Against The Machine Drummer Brad Wilk zu der Band stieß. Shows mit Robert Plant und The Who sowie Gastauftritte von RATM-Gitarrist Tom Morello machten sie dann einem größeren Publikum bekannt und brachten sie sogar zu Letterman.

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Foto: Steffen Schmid

The Last Internationale sehen sich in der Tradition des amerikanischen Folk mit einem guten Anteil Blues und Soul. Der weit größte Teil ist allerdings straighter, harter Rock, den sie live unfassbar energiereich raushauen. Und sie sind – der Name lässt es erahnen – eine hochpolitische Band. In Songs und Interviews nehmen sie Stellung zu vielem, was in den USA schiefläuft. So weisen sie zum Beispiel immer wieder auf die Situation der indigenen Bevölkerung der USA hin, die sie durch einen Genozid bedroht sehen. Eine seiner Gitarren hat der studierte Politologe Edgey Pires mit dem Slogan „Free Peltier“ bemalt, womit er sich auf den unter fragwürdigen Umständen zu lebenslanger Haft verurteilten American Indian Movement Aktivisten Leonard Peltier bezieht. Konsequenterweise haben sich TLI 2015 von dem Major Label getrennt, um vollständige künstlerische Freiheit zu haben. Ihr aktuelles Album „Soul on Fire“ haben sie mittels Crowdfunding finanziert.

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Foto: Steffen Schmid

Falls dies nun nach verbiestertem Agitprop klingen sollte, können wir Entwarnung geben: Das Gegenteil ist der Fall. Selten haben wir eine derart intensive und mitreißende Rockshow gesehen! Delila Paz hat – trotz ihrer zierlichen Statur – eine mächtige Stimme, mit der sie in allen Tonlagen brilliert. (In ihrer einnehmenden Art erinnnert sie mich übrigens an Teri Gender Bender von den Butcherettes) Edgey Pires wütet wie ein Derwisch über die Bühne und ist mehr in der Luft als auf den Bühnenbrettern unterwegs. Und der clubCANN bietet nicht nur den Platz für diese raumgreifende Show, er beweist einmal mehr, dass er zu den besten Live-Locations in Stuttgart gehört. Der Sound steht mächtig und transparent im Raum und Nearfills verwöhnen die ersten Reihen, die sich immer näher zum Bühnenrand drängen.

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Foto: Steffen Schmid

Wie es zu einem guten Rockkonzert gehört, gibt es auch einen kurzen ruhigen Part, in dem Delila Paz eine Ballade am Piano zum Besten gibt (und dabei weitere Facetten ihrer Stimme präsentiert), bevor es in ein fulminantes Finale geht, das neben Ausflügen ins Publikum auch eine Stage Invasion umfasst. Und während draußen versucht wird, ein Endzeit-Szenario aus Virenwahn und Hamsterkäufen heraufzubeschwören, regiert hier im Saal ein kollektives „So What?“, oder wie es Delila Paz formuliert: „Im Leben braucht man nur zwei Dinge: Liebe und etwas Geld, um Essen zu kaufen.“

THE LAST INTERNATIONALE, SALLY GRAYSON, 05.03.2020, clubCANN, Stuttgart

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The Last Internationale

Sally Grayson

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