MAX HERRE, 04.03.2020, Liederhalle, Stuttgart

MAX HERRE, 04.03.2020, Liederhalle, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Bitte nicht „Esperanto“. Das war mein nur zu 50% ironisch gemeinter Wunsch vor dem Max-Herre-Konzert und Symbol für eine gesunde Portion Skepsis.

Und das hat zwei Gründe: Zum einen habe ich Max Herre in den letzten knapp 25 Jahren wirklich sehr oft live gesehen, zum ersten Mal 1996. Und zwar in den verschiedensten Konstellationen – mit Freundeskreis, mit den FK Allstars, mit Joy Denalane, allein. Oft mit Band. Immer gut, sehr gut, auf musikalisch höchstem Niveau. Aber immer, egal wie wo und wann, kam irgendwann die Runde mit den Freundeskreis-Hits. Was ja super ist und verdient und alle wollen es und es sind super Lieder und sie wurden in der Interpretation auch immer wieder variiert. Aber irgendwann kam halt immer Esperanto, und ich hatte einfach keinen Bock auf das nächste FK Allstars whatever Konzert.

Zum anderen ist das aktuelle Album von Max Herre, „Athen“, für mich das beste Album 2019. Ohne Einschränkungen und ohne Diskussion. Ich bin großer Fan, wofür man meiner Meinung nach ein gewisses Alter und vielleicht noch eine ähnliche Sozialisation braucht. Ich bin fast so alt wie Max Herre und ich fühle das Album einfach. Jeden Song, jeden Text.

Und darum will ich bei einer Tour, die „Athen“ heißt, verdammt noch mal am liebsten nur Songs vom Album „Athen“ hören. Das wäre rein konzeptionell sicher nicht besonders originell, aber man hat ja noch Wünsche.

Ein wenig wurde mein Wunsch dann in den fast drei Stunden Konzert auch erfüllt, denn es wurden fast alle Songs vom Album gespielt. Weshalb mir die Leute etwas leidtun, die wegen Freundeskreis gekommen sind und vielleicht sogar das aktuelle Album gar nicht kennen.

MAX HERRE, 04.03.2020, Liederhalle, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Das Setup ist auf den ersten Blick nicht überraschend – eine große Leinwand und davor im Halbkreis angeordnet die Bandmitglieder, alle inklusive Herre in West-Sunday-Service-beige Outfits gehüllt. Das ergibt aber spätestens dann sehr viel Sinn, als bei „Sans Papiers“ die Punktstrahler ausgehen und Musiker und Max auf der Bühne mit der Leinwand in der Projektion aufgehen und fast verschwinden. Nicht der einzige Gänsehaut-Moment am Abend. Ein anderer ist, als der Bassist Dirk von Lowtzows Punchline in „Dunkles Kapitel“ als Solo performt.

Wo wir schon bei einem für mich positiven Aspekt des Abends sind. Max Herre hat, und das ist wie eingangs beschrieben sehr ungewöhnlich, keine Gäste auf der Bühne. Keinen einzigen. Die Gesangspart werden souverän von der Sängerin übernommen, weitere wichtige Features werden intelligent und passgenau über die Leinwand eingespielt, so wie Trettmann bei „Villa auf der Klippe“ oder Joy Denalane beim als Höhepunkt bis zur letzten Zugabe aufgesparten Hymne „Das Wenigste“.

MAX HERRE, 04.03.2020, Liederhalle, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

In der Mitte des Konzerts bei „Berlin – Tel Aviv“ kommt dann auch die genauso erwartete wie wichtige Ansage von Herre zur aktuellen Situation an der griechischen Grenze. Ansonsten schafft er es, was mich nicht sehr überrascht, das Album live nahezu genauso dicht zu präsentieren wie „auf Platte“. Was wie immer bei ihm natürlich auch an den fantastischen Musikern liegt, wie so oft angeleitet von Lilo Scrimali.

Partysound ist das natürlich nicht, aber das Publikum kennt die „großen“ Songs von Album, weiß sie zu schätzen und wird dafür schon relativ früh mit „1ste Liebe“ belohnt, was ich beim Stuttgart-Konzert noch gern hinnehme. Und auch eine Runde mit älteren Solosongs wie „1992“ oder „Rap ist“ machen für mich Sinn. Aber dann kommt als erste Zugaberunde halt doch ein Best of Freundeskreis mit „A.N.N.A.“, „Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ und „Halt Dich an Deiner Liebe fest“ (immerhin Reggae).

Ich finde das dann schon schade, aber der Rest des Abends versöhnt mich genug. Und enttäuscht bin ich auf keinen Fall – nicht weil „Esperanto“ wirklich nicht kommt, sondern weil es einfach ein verdammt gutes Konzert war.

MAX HERRE, 04.03.2020, Liederhalle, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

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