JOHN MOODS, SHARI VARI, 31.01.2020, Merlin, Stuttgart
Perform like nobody´s watching
John Moods steht in Begleitung seines iPhones allein auf der Bühne und hält sich an seiner zwölfsaitigen E-Gitarre fest. Zu weichem Synthie-Pop mit Jan-Hammer-Drums singt der Berliner Jonathan Jarzyna in hoher Stimmlage mit viel Hall seine gefühlvollen, englischen Songs. Singer-Song-Writer trifft 80er Electro-Funk. Hat was von Karaoke, mit diesem Playback-Sound. Schöne Musik.
Er sieht aus wie ein Hipster mit seiner Hochwasserstoffhose, dem angedeuteten Schnurrer und der rundlichen Brille. Er tänzelt herum, reißt die Augen auf, ist von seiner Musik und seinen Texten ergriffen, zeigt sich verletzlich. Das könnte als uncool empfunden werden, aber genau das macht seinen Auftritt stark, weil er hier sich nicht vor dem Pseudoschutzschild der Ironie versteckt, sondern er meint, was er tut und er hat Spaß daran. Das Konzept geht auf, er zieht das Publikum in seinen Bann, und er scheint fast ein wenig überrascht, dass er hier so gut aufgenommen wird. Gelöst plappert er darüber, dass er sich freut, hier sein zu können und über die neue Bekanntschaft zu Shari Vari und über unerkannte Krebserkrankungen, die man vielleicht schon hatte, die aber dann – ohne es zu merken – wieder weggegangen sein könnte und fängt sich dann in dem schönen Satz:
„Ich habe keine Ahnung wie das Universum funktioniert, aber ich habe Merch dabei.“
Zur beharrlich geforderten Zugabe muss sein iPhone schweigen und John Moods singt zu seiner Gitarre. Geht doch!
Perform like: This is my stage
Ansatzlos wird vom Anspielkreis aufs Tor geballert. Ohne Begrüßung gehen Shari Vari in die vollen, Sophia Kennedy schnappt sich das Mikro, Helena Ratka wirft die Maschine an und haut auf die Trommel.
Wir wollen uns heute von unserer besten Seite zeigen.
Dass sich nur 150 Leute im kleinen Merlin befinden und dass das hier nicht die Main Stage des Melt Festivals ist, kann ja kein Argument sein, nur Ergebnisfußball zu spielen. Bevor der Schiri pfeift noch einen letzten Soccer-Sprech-Vergleich: Sophia Kennedy ist einfach eine Bank. Soll heißen: Wenn die Hamburger Amerikanerin auftritt, ist Verlass auf Platzhirsch-Präsenz und Power-Performance, egal mit welchem Projekt sie hier antanzt, ob 2014 mit Erobique oder 2018 mit Mense Reents.
Diesmal ist sie mit Helena Ratka hier, einer äußerst vielseitigen Künstlerin. Das Theater Heidelberg fasst Ratka hier so zusammen:
„Die Filmemacherin und Musikerin Helena Ratka hat an der HfbK in Hamburg Visuelle Kommunikation bei Wim Wenders studiert. Währenddessen fing sie an, im Golden Pudel Club aufzulegen und Soundtracks für ihre Filme zu schreiben. Seit 4 Jahren hat sie mit Sophia Kennedy zusammen das Projekt »Shari Vari« das sich musikalisch zwischen Pop und Clubmusik ansiedelt. „
Ratka fordert mit ihrer harten Elektronik Kennedy auf eine ganz neue Weise heraus. Anstatt sich von den bollernden Beats und dem bösen Brummen gängeln zu lassen oder dagegen anzusingen, nimmt Kennedy die Stärke der Musik auf und führt sie mit ihrer kräftigen Stimme an. Zwischendurch spielt Kennedy auf einem kleinen Keyboard, welches durch einen Gitarrenverzerrer gejagt wird. Ratka wiederum unterstützt Kennedy durch ihren Zweitstimmengesang.
Can we dance together? Can we live together?
Über einem bedrohlichen Soundteppich werden diese irritierenden Phrasen immer und immer wiederholt. Das repetitive Moment der Musik wird im Text aufgriffen und so wie bei Wire (späte 70er) oder DAF (frühe 80er) dem Publikum eingepeitscht, eine tanzbare Performance im Proto-Techno-Gewand 2020.
Jetzt noch ein weiteres starkes Album und ein längeres, sich entwickelndes Set im Konzert einbauen, und die Moderat-Vergleiche lassen sich nicht mehr abwenden. Mehr davon!
Perform Pop Freaks
Das Merlin zeigt mal wieder auf ganzer Bandbreite, wozu es fähig ist: Ein super kuratiertes Musikfestival mit ganz unterschiedlichen und in ihrer Art jeweils sehr qualitätsvollen Acts in feinem und freundlichen Ambiente. Echte Pop Freaks am Start.
Shari Vari
John Moods