JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

Foto: Armin Kübler

Meinen ersten Kontakt mit dem Jamhed-Stück „Big City Supercat“ vom neuen Album „Gelée Royale“ (Treibender Teppich) kann ich zufällig auf den Tag genau rekonstruieren. Am 19. August 2016 im Merlin Kulturzentrum war das (Quelle: eigener Social-Media-Feed), vor 173 Wochen, das entspricht drei Jahren und vier Monaten. Und ja, so lange darf ein sehr gutes Album auch mal brauchen.

In den Gig-Blog-Archiven ist der erste Eintrag zu (Baby-)Jamhed vor fast einer Dekade verzeichnet. Im Oktober 2012, also noch vor Erscheinen des Debütalbums „Taken Apart“. Das war das mit dem Fuchs-Cover. Im April 2015 kam das zweite Album „Lollipop Giveway in Wee-Wah-Wonderland“ (Setalight) heraus. Zu Recht viel gelobt, von diversen Auftritten flankiert, und natürlich wartete man ab da gespannt auf Nachfolge-Material.

JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

Foto: Armin Kübler

Bei Jamhed hat sich in den zwölf Jahren seit Bandgründung nicht nur optisch einiges verändert. Bezüglich der Hippie-Ästhetik wurde deutlich abgerüstet. Auch musikalisch ist eine schlüssige Weiterentwicklung zu beobachten. Auffällig gekonnt waren Songwriting und Arrangements schon immer. Stilistisch ist das Ganze etwas (ich sag’s ungern) rockiger geworden (hier aber durchaus positiv gemeint, weil eher wie z.B. Supergrass oder Kula Shaker). Die Sitar, einstiges Signature-Instrument, wird beim Auftritt im Komma nur ganz am Anfang kurz zum Einsatz kommen.

Auf der Hinfahrt nach Esslingen hören wir das neue Album durch und sind sehr angetan. „Big City Supercat“ mit seiner catchy Keyboard-Tonfolge sticht heraus, ist aber gleichzeitig stimmig in die Gesamtheit der anderen Stücke eingebettet. Musikalisch gibt es viel zu entdecken, neben den eher gitarren-/basslastigen Stücken auch federleichte, zarte Songs wie „Marble Slide“ (mein neuer Favorit) mit dreamy Glockenspiel-Einsatz oder „Elevator No. 3“, dazu durchaus Jazziges und schöne Pianoparts. Gastmusiker Alexander Mink (Flöte) ist wieder auf zwei Stücken zu hören. Von uns dreien hat Super-Fan Kollegin S. Jamhed definitiv schon am längsten auf dem Zettel, nach eigenen Angaben hat sie „keine Album-Release-Party verpasst.“

JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

Foto: Armin Kübler

Schließlich angekommen freuen wir uns alle, endlich mal wieder Komma zu sein. Liegt’s an uns oder waren in letzter Zeit wirklich irgendwie weniger Konzerte dort? In der angeschlossenen Bar „fuenfbisneun“ statten wir uns noch mit Weißweinschorle und Chips aus und stellen begeistert fest, dass man dort kostenlos Tischkicker spielen kann. S. entdeckt einen Dartbereich, das wäre jetzt natürlich auch toll. Bei aller Liebe zum Kneipensport entscheiden wir uns aber doch für die Band. Fotograf A. und ich sind ja schließlich auch dienstlich hier.

Der große Saal im Komma ist üppig gefüllt, trotz der Konkurrenzveranstaltung „20 Jahre Waggons“ in Stuttgart, die sicher eine ganze Reihe Besucher*innen abgezogen hast. Rechts auf der Bühne steht ein Klavier, das heute Abend mehrfach zum Einsatz kommt. Das Schlagzeug steht erhöht auf einer Extra-Bühne. Sänger und Multi-Instrumentalist Philip Jost hat die Sitar im Anschlag. Luis Deffner steht am Keyboard, Jeremias Heinz ist am Bass und Christoph Mack sitzt am Schlagzeug. Kann losgehen. Nach wenigen Minuten wechselt Philip zur Gitarre, langsam schält sich eine poppige Hook heraus. Zehn Minuten dauert dieser Instrumentalpart, bis der Gesang einsetzt. Es gibt viel Applaus, das Publikum wird begrüßt und Christoph kündigt an: „Wir werden heute wahrscheinlich das längste Jamhed-Konzert aller Zeiten spielen.“ Jamhed lassen sich Zeit, bauen in aller Ruhe Spannung auf und spielen durchaus auch unveröffentliche Stücke. Das geht alles sehr gut auf. Stimmig werden alte Hits mit neuen Hits und sehr vielen ausgiebigen Instrumentalparts gemischt. „Pythia“ vom aktuellen Album spielt die Band in einer neuen Liveversion.

JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

Foto: Armin Kübler

Beim melancholischen „Cold Turkey“ kommt die Discokugel zum Einsatz. Während des sehr persönlichen Stück „Not There“ ist es tatsächlich auch ganz leise im Publikum. „Lollipop Giveaway in Wee Wah Wonderland“ wird im Anschluss mit Jubel begrüßt. Dieser Hit bleibt ein Hit. „Elevator No. 3“ kündigt Schlagzeuger Christoph an mit den Worten: „Wenn euch jemand gesagt hat, Jamhed, die machen ja so Fahrstuhlmusik – genau so eine Nummer ist das.“ Der eher ruhige Song – auch das kann man am Samstagabend mal machen – geht über in den lupenreinen Britrock-Hit „I’m Fine,“ auch hier gelingt der Stimmungs-/Tempowechsel sehr gut. Es folgen diverse Danksagungen, u.a. auch an Ralv Milberg, bei dem das Album aufgenommen und gemastert wurde. „Big City Supercat“ beschließt das offizielle Set. Natürlich gibt es Zugaben, da lassen sich Jamhed nicht lange bitten – sehr sympathisch. Philip spielt solo am Klavier ein Lied, das er „als Teenager“ geschrieben hat. „But I always was a stranger / and always gonna be.“ Ein Hauch von Elton John weht durchs Komma. Das allerletzte Stück gehört dann wieder der ganzen Band, jetzt mit Luis am Piano.

Am Merchstand gibt es Glückwünsche und viele Kaufinteressierte. Wir müssen uns pünktlich auf den Weg machen und ich schaffe es nicht mehr, die Bedeutung des Albumtitels „Gelée Royale“ plus der Symbolik zwei Walnusshälften (Motiv des Posters zur Platte) zu erfragen. Hier bleibt bis auf Weiteres Platz für Ihre eigenen Interpretationen. Sicher ist: Das lange Warten auf „Gelée Royale“ hat sich gelohnt.

JAMHED, 14.12.2019, Komma, Esslingen

Foto: Armin Kübler

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