ALICE COOPER, 18.09.2019, Porsche-Arena, Stuttgart

ALICE COOPER, 18.09.2019, Porsche Arena, Stuttgart

Foto: Madita Nair

A Creepy Tale About Ol‘ Black Eyes

(The local freak with the twisted mind)

Trügerisch blickt die Sonne auf uns herab, verpackt in romantischem Licht die schmerzende Kälte des aufziehenden Herbstes. Ein Jahrmarkt, noch menschenleer, markiert den Beginn des Pilgers, hin, zur magischen Nacht des Boogeyman. Tausende scheinen es zu sein, und noch einmal doppelt so viele starre, schwarze Augen blicken einen von Kutten, Hüten und Körperverzierungen an. Verstörend mag diese schwarze Meute für die Ungläubigen wirken, doch wandern sie unbeirrt ihrem Ziel entgegen. Nightmare Castle. Dort soll er erscheinen, uns verschlingen, in die verrückte, schaurige Welt von… Ol‘ Black Eyes.

Blauer Dunst legt sich schwer über den Vorhof dieser Nacht. Black Stone Cherry obliegt es am heutigen Tag, uns Auserwählten den Sixth Sense zu weiten, all irdischen Dingen Bedeutungslosigkeit zuzuweisen und den Geist zu öffnen für Morbidität und andere Teufeleien, die sich hinter gigantischen Backdrops verbergen. So wie der Hofnarr es schwer hat dem König ein Lachen zu entlocken, erscheinen auch die ersten Minuten für Black Stone Cherry ein Tanz auf der Klinge. Doch schmutziger Southern Rock mit viel Blues verwandelt die stummen Katakomben der Arena in eine stickige kleine Bar in Kentucky, in der dem Alkohol gehuldigt, dem weiblichen Geschlecht und Promiskuität geschmeichelt wird. Me and Mary Jane, welch Loblied kann besser vermitteln, an einem verlassenen See zu liegen, vernebelte Gedanken, rote Augen und ein speichelloser Mund, ohne eine Ahnung, dass die nächste Machete schon gewetzt ist. Black Stone Cherry liefern mit ihren Songs und allem voran ihren Texten den Lifestyle derer, die in Hinterwäldler B-Movies zuerst bluten. Wachsender Beifall zollt dem Gezeigten die wohlverdiente Anerkennung und mit Cheaper To Drink Alone erledigt sich auch, begründet, der Wunsch mit Gleichgesinnten zu trinken, wenn es doch allein viel schöner und billiger ist. Mit heißerer Stimme erkundigt sich Sänger Chris Robertson, ob wir nun bereit sind für die Legende. Ein sonores Gröhlen bejaht die scheinbar überflüssige Frage und so entschwinden Black Stone Cherry in die Dunkelheit und zwei riesige schwarze Augen verhüllen die Bühne vor unseren staunenden Blicken…

Here I Go Again… Up And Down Alone…All My Friends Went Home… Years Ago…

Eine traurige Melodie zeichnet Bilder im Kopf eines verlassenen Zirkus‘, dessen Direktor auf das Zerbrochene blickt, was einst den Menschen Freude brachte, nun vergangen ist und langsam erlöschen die Lichter um uns herum. Der Vorhang fällt und das Nightmare Castle öffnet seine Tore. Es ist Fütterungszeit und der Schlossherr lässt sein Monster von der Leine. Feed My Frankenstein! verlangt er von uns, während die Kreatur bedrohlich und hungrig auf die Beute vor ihm blickt. Vor den Burgmauern tummeln sich gleich drei Gitarristen und wandern zwischen Grabsteinen grazil umher und betören uns mit ihren Klängen. Das Monster muss zurück in seinen Kerker und Ol‘ Black Eyes erklimmt die Burgmauern, um fies grinsend zu verkünden, dass er noch immer No More Mister Nice Guy ist und nur so vor Schauer und Grusel strotzt. Er tanzt, er springt, er schwingt seinen Stock und blickt seine Jünger mit verrückten Grimassen in die staunenden Seelen. Ist das hier die Realität? Oder haben uns die schwarzen Augen mitten hinein in einen skurrilen B-Movie gesogen, aus dem es kein Entkommen gibt? Ein Flüstern schleicht lauter werdend zwischen den Burgmauern umher… Chi Chi Chi… Ha Ha Ha… He´s back! The Man Behind The Mask! Und wir alle denken zurück an den letzten Freitag. Der 13. des Monats… und in Gedanken rennen wir, denn wir wissen, wer hinter jeder Ecke wartet und todbringend die Machete schwingt. Welch makabrer Schlossherr uns an diesem Abend Einlass zu seinen Abgründen gewährt. Er betört all unsere Sinne und um ganz sicher zu gehen, dass wir ihm vollkommen verfallen, injiziert er uns sein berauschendes Poison. Ol‘ Black Eyes entführt uns immer tiefer hinein in sein Schloss aus Albträumen, in seine Schlafgemächer, in denen er über sein Bed Of Nails düstere Geschichten mit Liebschaften erzählt, nur um im nächsten Augenblick ein Dead Baby um die Ecke stolpern zu lassen. Alles erscheint surreal. Im unheilvollen Licht flackernder Fackeln singt er dem armen Baby Steven sein Abschiedslied und auch den Zeugen dieses Dramas wird bei dem Schicksal Stevens‘ ganz anders. Doch kümmert es Ol‘ Black Eyes nicht im Geringsten, welch trauriges Schicksal das Kind ereilt hat, verkündet er doch wie selbstverständlich I Love The Dead… Und so soll es geschehen… eine Geliebte aus alten Tagen rollt die Guillotine auf den Burghof. Und, während die Band begleitend wieder und wieder der Nekrophilie frönt, verliert unser Gastgeber seinen Kopf. Welch dramatisches Ende einer einstigen Liebe… schwingt diese auch noch sichtlich zufrieden tanzend den Kopf durch die Gegend… Ruhe in Frieden Ol’ Black Eyes.

Finsternis. Das Schicksal scheint endgültig seinen Tribut zu fordern. Doch da! Ein Knarzen ertönt. Eine in Fetzen gehüllte Gestalt entsteigt aus einem alten, hölzernen Sarg und tritt vor die Menge. Ol’Black Eyes ist zurück! Teenage Frankenstein lebt! Mehr tot als lebendig stolpert er über den alten Friedhof vor den Mauern seines Albtraumschlosses und ist sichtlich angefressen. Angefressen und verwirrt steigt er in sein unsichtbares Auto und schreit I got you Under My Wheels! Immer und immer wieder. Vor und zurück. Als er aussteigt hören wir alle die Glocken läuten. Alles löst sich in Nebelschwaden auf. Die Kreaturen verlassen die Bühne. Schools Out. Die Tore schließen sich langsam und wir alle kehren zurück in die Gegenwart und Ol’ Black Eyes in seine Gemächer. Doch wir alle wissen, das Böse kommt immer zweimal.

Cast:

Ol’Black Eyes – Alice Cooper
Dead Baby – Steven
Frankenstein – Frankenstein

Alice Cooper

Black Stone Cherry

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