A SUMMER’S TALE FESTIVAL, 01.-04.08.2019, Open Air, Luhmühlen
Ein Sommermärchen also.
Letztes Jahr waren wir zum ersten Mal bei diesem Festival in der Lüneburger Heide und haben so geschwärmt, dass 2019 Freunde aus dem Süden angereist sind. Wer mit Kindern auf ein Festival möchte, kann mit diesem Event in der Lüneburger Heide irgendwie alle Bedürfnisse unter einen Hut bekommen. Was ja schon beim Familienurlaub eine etwas größere Herausforderung ist.
Und großer Pluspunkt: Das Line-Up hat mit Suede eine Lieblingsbands einer gig-Bloggerin parat.
Es ist aber einiges anders in diesem Jahr. Die Zeltbühne gibt es nicht mehr. Was für Unmut sorgt, schließlich war es toll zwischen den zwei großen Bühnen hin und her zu wandern. Aber: es macht mehr Platz für noch mehr Kulinarisches, mehr Platz zum rumhängen.
Ansonsten: vieles wie immer. Das Gelände ist schön, schattig, liebevoll dekoriert. Die Essensauswahl großartig. Es gibt einen Designmarkt, Woodworkshops und Kanufahren. Und Bullet-Journal-Kurse. Und so weiter und so fort. Und einen ganzen Bereich für die Kids.
Wichtigste Accessoires: Kopfhörer, Feuchttücher, Bollerwagen. Gerne mit Lichterketten.
Natürlich kann man als harter Musikfan only die Workshops und das ganze Drumherum doof finden. Man kann es aber auch feiern, dass hier Menschen sind, die sich mehr für Vinyasa-Yoga als für Bierbongs interessieren. Keine Einwegflaschen mitnehmen dürfen und es einfach sehr, sehr entspannt zugeht. Und wenn man ehrlich ist, sind Festivals ja immer mehr als nur Musikveranstaltungen. Da geht es oft um das Drumherum.
Wir starten mit Whitney auf der Waldbühne. Wie schön das ist. Das passt perfekt hier her. Perfekt auf das Festival. Die Band aus Chicago macht bezaubernden Indie-Folkpop.
Aber genauso passen Die Nerven hier her, auch wenn die vielleicht einige Gemüter, nun ja, überraschen. „Wir dürfen nicht lauter. Aber dann können sich die hinten ja auch besser unterhalten“, sagt Max Rieger mal. Schlimmer als Konzertquatscher sind vielleicht nur Leute, die mit leuchtenden Hoola-Hoops zu „Explosionen“ tanzen? Oder sich bewegen? Ja, was machen die da eigentlich? Jedenfalls war das wirklich zu beobachten. Und eine starke Band. Ein Musikkenner aus Hamburg schreibt danach auf diesem fatzebook: „die Nerven beste deutsche Band seit 250 Jahren.“
Übrigens: Die noch wachen Kinder staunen gebannt. Da können sich so manche Weiterhinten-Quatscher was abgucken.
Erster Tag vorbei. Auf dem Campingplatz wird man am nächsten Morgen nicht mit „Helga“-rufen geweckt, sondern mit „Mathildaaaa Frühstück“.
Tag 2
Auf der großen Bühne auf dem Turniergelände hätte Dermot Kennedy auftreten sollen. Einer der im November übrigens in der Porschearena spielen wird. Er musste aus gesundheitlichen Gründen absagen. Dafür springen Kettcar ein. Für die Hamburger Band quasi ein Heimspiel. Eine Band, die über Ankunftshallen und Landungsbrücken singt. Die Leute feiern sie. So wie letztes Jahr.
Großes Pech für den Künstler auf der Waldbühne, weil da eben nicht viel los ist. Hinter uns sprechen sie darüber, ob sie zum Handstandworkshop oder zur Weinverkostung gehen. Überall muss man angeblich früh da sein, um reinzukommen.
Aber hey: vor den Bühnen ist Platz. Vor dem Auftritt von Tina Dico sind alle etwas bange, ob ein Gewitter kommt oder ob es doch beim besten Festivalwetter (nicht zu heiß, kein Regen) bleibt. Aber alles gut. Nur dunkle Wolken. Dico ist angenehm, aber jetzt nicht überraschend.
Verdammt gut sind Maximo Park live. Der Sänger scheint nicht zu altern, die Songs auch nicht. „Books from Boxes“ „Girls who Play Guitar“ „Apply some Pressure“ – super Lieder, da gibts nichts.
Und dann Suede als Headliner. Ein paar Hardcore-Engländerinnen stehen schon seit ein paar Stunden in der ersten Reihe. Müssten sie eigentlich nicht, weil man auch kurz vor Setbeginn locker durchkommt. Dann also Nebel, viel Nebel. Applaus, erst mal nicht so viel. Suede spielen hier eben nicht ausschließlich vor Fans, die jede Zeile mitsingen können. Und müssen also noch mehr geben. Also Brett Anderson halt. Von dem einer mal meinte, er sieht im Alter immer mehr aus wie der junge Udo Jürgens. Stimmt irgendwie.
Jedenfalls gibt er alles, gockelt wie nur Brett Anderson gockelt, wirbelt Mirkofonkabel umher, klatscht, stampft, spuckt.
Und es gibt die perfekte Setlist. Unter anderem ist das wunderschöne „Life Is Golden“ von dem aktuellen Album dabei. Klassiker wie „Animal Nitrate“, „Trash“, „Beautiful Ones“ natürlich. „New Generation“ als allerletzten Song. Dazwischen auch mal ganz leise „The Wild Ones“ nur mit Gitarre intoniert, dann steigt Brett Anderson immer wieder hinunter in den Graben und tanzt durch die Menge. Er gibt alles. Beste Band des kompletten Festivals einfach. Punkt. Das sagen übrigens auch Menschen, die das eher objektiv betrachten können.
Im Atelier steigt jeden Abend eine Indieparty, auf der Musik läuft, als wäre es 2008 und die Tights würden auflegen. Verrückt!
Tag 3
Nach zwei Tagen Festival hat man auch mal einen Durchhänger, und es machen sich Ermüdungserscheinungen breit. Vor allem ist’s musikalisch heute nicht ganz unsere Tasse Tee mit Shantel, Xavier Rudd und Faber, dessen Texte befremdlich sind.
Höhepunkt: Die goldenen Zitronen.
Und es ist viel voller heute. Weil die Familien aus Hamburg für einen Tag in die Heide fahren. Und wir haben gelernt, dass es sogar Babysitter-Tickets gibt. So erklärt es sich auch dass viele Omas und Opas dabei sind. Da können die Eltern dann abends zu Zaz tanzen. Oh la la. Während die Großeltern auf die Kleinen aufpassen.
Tag 4
Der Sonntag startet für die Kinder mit der neuen Lieblingsband Deine Gäng. Aber auch für die Erwachsenen ist viel dabei am letzten Tag: The Charlatans mit einem charming Tim Burgees, die bezaubernde Kate Nash mit einer fast Girls only Band. Sie hat sich verändert, wurde von ihrer Plattenfirma fallen gelassen und hat sich frei geschwommen. Steht ihr alles gut. Auch die teils noisy Songs. Sie lobt das Festival für die Nachhaltigkeit und meint, dass wir doch alle Veganer werden sollten.
Das Konzert von Kate Nash mit ihren hauptsächlich Kolleginnen an den Instrumenten war so gut, dass man Menschen weinen hat sehen. Später spaziert sie mit ihren Bandfreundinnen über das Gelände. Und wer überlegt, warum Kate Nash einem so bekannt vorkommt: Sie spielt in der Girl-Wrestling-Serie „Glow“ mit.
Apropos Serien: „Big Little lies“ ist ja sehr gut und das tolle Titellied ist von Michael Kiwanuka. Auch alle anderen seiner bezaubernden Songs passen so gut zu der Sonntagabend Stimmung: die Kinder spielen, die Füße stecken im Sand. Perfekt!
Und Elbow zum Abschluss. Groß! So sind wir wieder versöhnt nach dem eher schwachen Samstag.
Fazit:
Das A Summer’s Tale ist toll für Eltern mit relativ kleinen Kindern (unter sechs zahlen sie nichts). Hier sind viele Menschen, die eigentlich nicht auf Festivals gehen. Menschen, die sonst auf Festivals gehen, finden alles wahnsinnig komfortabel (warme duschen, echte Toiletten) und verrückt mit all diesen Workshops und dem tollen, aber teuren Essen.
Whitney
Die Nerven
Trixie Whitley
Kettcar
Tina Dico
Maximo Park
Suede
Shantel & Bucovina Club Orchestar
Xavier Rudd
Die Goldenen Zitronen
ZAZ
Die höchste Eisenbahn
The Charlatans
Kate Nash
Michael Kiwanuka
Elbow
A Summer’s Tale