ALTIN GÜN, 20.06.2019, Dieselstraße, Esslingen
Ein Konzert kurz vor der bevorstehenden Sommersonnenwende mit einer Band, die übersetzt aus der türkischen Sprache „Goldener Tag“ heißt, das hat doch was. Konzerte in Esslingen sind für mich meist mit dem Kulturzentrum Komma verbunden. Heute geht es über die Brücke auf die andere Seite des Neckars in das Kulturzentrum Dieselstraße, mit einem wunderschönen Blick auf die Weinberge. Bunt durchgemischt ist das Publikum, die sommerlichen Temperaturen werden draußen auf dem Vorhof noch ausgekostet bevor der Konzertgong ertönt. Ein Stehventilator, der auf der Bühne hinter dem Drumkit steht, arbeitet bereits schon auf Hochtouren.
Die 6-köpfige Band braucht nicht lange, um Schwung in den ausverkauften Saal zu bringen. Dafür sorgen die psychedelisch-orientalisch treibenden Beats. So wie die Band selbst ist auch ihre Musik ein Melting Pot. Die in Amsterdam lebenden Bandmitglieder haben niederländischen, türkischen und indonesischen Hintergrund. In ihrer Musik vermischt sich 70er Jahre Psycheldic Rock und Funk mit Klängen des Orients, dem Anadolu-Rock der 70er Jahre.
Sängerin Merve Dasdemir singt alle Songs auf Türkisch, auch wenn ich kein Türkisch verstehe, ist spürbar, dass eine Menge Energie dahinter steckt. Erdinc Ecevit Yildiz’ Finger gleiten dabei mit einer spielerischen Leichtigkeit über den langen Hals des klassischen türkisches Lauteninstruments, der Saz, und liefert den orientalischen Sound dazu. Nach den ersten temporeichen Songs kann man kurz verschnaufen, Bassist Jasper Verhulst schlägt lässiges Laid-Back Tempo an. Jasper Verhulst (ebenfalls Bassist bei Jacco Gardner) hat einen Faible für türkischen Pop aus den Siebzigern. Aus dieser Leidenschaft und der Idee, Songs von Erkin Koray oder Selda Bağcan neu zu arrangieren, hat sich Altin Gün gegründet.
Zeit, meinen Platz zu wechseln. Der Sound hinter dem Mischpult ist sehr gut, aber ich will doch mitten rein ins Geschehen und wechsle Richtung der Partycommunity, die näher an der Bühne ist. Handys werden immer wieder gezückt, die Selfieproduktion läuft auf Hochtouren. Die jungen multikulturellen Anfang Zwanziger vor der Bühne verbreiten eine sehr ausgelassene Partystimmung. Die Coverversionen können sie textsicher Strophe für Strophe mitsingen.
In der zweiten Hälfte des Sets, so habe ich den Eindruck, wird mehr zu den funkig-psychdelischen Songs übergegangen. Erdinc Ecevit Yildiz wechselt von der Saz mehr zum Synthesizer und singt im Duett mit Merve Dasdemir. Die Rhythmusfraktion ist mit einem Drummer und einem Perkussionist stark besetzt und gibt ordentlich Druck nach vorne. Sängerin Merve Dasdemir wird abgefeiert, immer wieder wird sie angefeuert und es wird ihr zugejubelt. Haben Altin Gün jetzt über eine Stunde gespielt oder fast zwei Stunden? Ich kann es gar nicht sagen, die Zeit ist wie im Fluge verrauscht.