MAIFELD DERBY, Tag 3, 16.06.2019, Maimarkt, Mannheim

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Konnte ich am Samstag mein spätes Eintreffen auf dem Festivalgelände noch auf den Mannheimer ÖPNV schieben, wäre dies für den Sonntag etwas unfair. Nein, wenn schon Freunde in Mannheim wohnen, die man selten sieht, dann müssen The Mauskovic Dance Band und Stonefield leider ohne Begutachtung auskommen.

So ein dritter Tag geht dann einfach nicht mehr so lockig flockig von der Hand. Die Notizen werden deutlich weniger, die Auszeiten deutlich mehr und der Verarbeitungsprozess der vergangenen beiden Tage setzt schon ein, während weiter neue musikalische Eindrücke auf einen einströmen. Und gleichzeitig möchte ich auch nochmals diese schöne Stimmung des Maifeld Derbys aufnehmen, bevor es eine mindestens zweijährige Pause gibt. Klar, es gibt noch viele andere schöne Festivals in ähnlicher Größe, aber man verbindet ja auch immer Erinnerungen und liebgewonnene Gewohnheiten mit einer solchen Veranstaltungen. Und wenn es nur das Dosenbier mit den Mitreisenden am Tischchen in der Monnemer Straßenbahn ist. Aber da gibt es natürlich noch viel mehr – eine weitere sehr geschätzte Besonderheit sind die überraschenden Auftritte im Parcours d‘amour geworden, die mir an den vorigen beiden Tagen nicht beschert waren.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Doch bevor es dazu kommen sollte, stehen die wunderbaren Postcards im gut aufgeheizten Hüttenzelt auf der Bühne. Leider bekomme ich nur die letzten drei Songs mit, doch die selig strahlenden Gesichter von Claudia sowie der Kollegen Holger und Jens bestätigen meine ersten Eindrücke: verträumter Pop mit ab und an ausreißender Gitarre, wunderbar zum Zuhören und sich treiben lassen. Wie immer bestens informierte Informanten raunen, dass man die durchaus schon mal auf dem Marienplatzfest begutachten konnte. Spricht einmal mehr für Reiner Bockas feines Händchen beim Booking.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Es folgen Stephen Malkmus & The Jicks auf der Fackelbühne. Die Musik passt zur flirrenden Luft auf dem Gelände – solider Rock mit etwas Funk, perfekt für das erste Bier und Handbrot mit massiv Käse. Kollege stegoe feiert das etwas mehr als ich und erweist sich (wie bei The Streets) erneut als äußerst textsicher. Der isst aber auch gerade kein Handbrot und kennt Malkmus vor allem noch aus seiner (also Malkmus‘) Zeit bei der Band „Pavement“.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Frisch gestärkt und mit einem frischen Woinemer geht es im Anschluss zu Ava Luna aus NYC ins Hüttenzelt. Da werde ich freundlicherweise auf den wirklich seltsamen Beschreibungstext im Programmheft aufmerksam gemacht, in dem es heißt:

„Der Name klingt nach Porno, die Musik Gott sei Dank nicht. Denn hinter AVA LUNA verbirgt sich eine der verrücktesten Bands, die je frei in Brooklyn herumlaufen durfte. Und das will was heißen! Momentan zum Beispiel verschwurbelte Elektronik, messerscharfe Gitarrensalven und eine Liveshow ohne Tabus.“

Was jetzt genau nach „Porno“ klingen soll, erschließt sich mir nicht. Nun denn, man kann da auch mal daneben liegen bei über 60 Bands. Die fünf Musiker*innen präsentieren leicht schrägen, aber immer auch eingängigen Pop mit teils ausladenden Live-Arrangements („Steve Polyester“). Dabei ist die Stimme von Sängerin Becca Kauffman deutlich prägnanter als die von Bandkollegin Felicia Douglass, was aber zu den jeweiligen Stücken gut passt. Dazu ein sehr präziser und dabei die Stücke vorantreibender Drummer, vielfältige Gitarren- und Synthie-Sounds sowie eine große Bühnenpräsenz (vor allem von Kauffman). Wenn das aber – laut Infotext – „eine der verrücktesten Bands“ aus Brooklyn ist, dann ist es um die Innovation am Big Apple wirklich nicht mehr so weit her. Nicht dass das nicht innovativ oder in Teilen etwas schräg und insgesamt sehr gut ist. Aber da müsste sich doch noch was Schrägeres am Big Apple finden lassen.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Teenage Fanclub lasse ich hernach – ebenso wie The Twilight Sad am Vortag oder später Tocotronic, Madrugada, International Music, Amyl And The Sniffers und Faber – nonchalant aus und begebe mich für das restliche Festival in das Reitstadion und zu den zu Beginn erwähnten Überraschungen. Zunächst lausche ich, was Charlotte Brandi, ehemals die Hälfte des von mir geschätzten Projekts Me And My Drummer mittlerweile so macht. Die ersten 3 Songs passen sich meinem Nachmittagstief an und so können Kaffee und Brownie das kurze Schließen der Augen nicht verhindern. Zu sehr klingt das zunächst nach Hotel-Lobby-Musik. Die Aufmerksamkeit zurück bringt tatsächlich die bisher schönste Ballade des Festivals. Da entfaltet Brandis Stimme zum ersten Mal Kraft und ab da an wird das Set abwechslungsreicher und entwickeln die folgenden Songs den nötigen Druck um Brandis klarer, höher und oft jazziger Stimme den passenden Rahmen zu bieten.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Zwei Songs gebe ich dann Tocotronic doch Zeit, bevor es mich zum Glück erneut zum Parcours zieht, wo vielleicht für 50 Minuten die heftigste Mischung aus Überraschung, Begeisterung und Liebe zu spüren ist, die nicht nur bei mir zu Rührung führt. Madames et Monsieur, Ladies and Gentlemen, JNR Williams! In einem BBC-Interview spricht Williams davon, dass er sich nirgends so frei, so lebendig und so mit Menschen verbunden fühle als auf einer Bühne. Die Verbindung mit dem Maifeld-Publikum ist jedenfalls vom ersten Moment an da. Man muss kein/e Liebhaber*in von Soul-Musik sein, um von der Stimme und den Songs in den Bann gezogen zu werden. Einen enormen Beitrag dazu leisten die beiden Background-Sängerinnen Patrice Alisha und Liz Lubega, die den Songs ein nie übertriebenes Volumen verleihen. Alex Lanyon an Gitarre und Stage-Piano sorgt für den passenden Groove und Sound. Das klingt organisch, ernsthaft mit ein wenig Pathos und einfach richtig gut. Neben allen musikalischen Experimenten und Innovationen ist es manchmal doch erstaunlich, was eine überragende Stimme auszulösen vermag. Der Parcours tobt und weint, JNR Williams lacht und weint – welch ein Auftritt!

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Ich bleibe auf der von warmer Abendsonne gefluteten Tribüne des Reitstadions sitzen, hole mir ein letztes Bier und verfolge den Aufbau und Soundcheck meiner letzten Kapelle für dieses Wochenende: Wyvern Lingo. Schön und angenehm ist diese letzte musikalische Stunde: Die mehrstimmigen Songs mit poppigen R‘n‘B-Beats und wohl dosierter E-Gitarre gefallen mir immer besser und runden das Festival musikalisch auf die beste Art und Weise ab. Die drei Tage sind natürlich wieder schneller vorbei als man dreimal „Woinemer“ sagen kann und hinterlassen Spuren. Leicht übermüdet, hier und da doch vergessen nachzucremen und zuhause werden mit großer Sicherheit wieder Derby-Dollar in Hosen- oder Pullitaschen gefunden werden. Macht aber nichts, vielleicht sind das ein paar Euro, die mit dafür sorgen, dass wir die zehnte Ausgabe dieses schönen Festivals auch genießen werden können. Ein ganz dickes Dankeschön geht natürlich an unseren Fotografen Micha, der die drei Tage so wunderschön eingefangen hat, und alle lieben Menschen, welche die Zeit noch schöner gemacht haben.

MAIFELD DERBY, Tag 2, 15.06.2019, Maimarkt, Mannheim

Foto: Michael Haußmann

Atmo Tag 3

The Mauskovic Dance Band

Stonefield

Children

Postcards

Ava Luna

Teenage Fanclub

Madrugada

Charlotte Brandi

Tocotronic

JNR Williams

Faber

Amyl and the Sniffers

Wyvern Lingo

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