DESPERATE JOURNALIST, MELODY LA LA, 10.05.2019, Merlin, Stuttgart
(Ja, ja, das hat schon ein „Gschmäckle“, über das „eigene“ Konzert zu berichten. Versuche ich auch immer zu vermeiden, aber was soll ich denn tun, wenn keiner der Kollegen einspringen will? Und weil mich die Schreiberei ein Konzert immer nochmal erleben lässt, mache ich es – ehrlich gesagt – auch gerne. So gibt es jetzt keine sachlich-neutrale Konzertbesprechung, sondern einen subjektiven Hintergrundbericht zu dem Gig, auf den ich mich als Mitveranstalter vom InDieWohnzimmer schon seit Monaten gefreut habe. Ist damit der Transparenzpflicht Genüge getan?)
Wenn es bestimmte Musiknerds nicht gäbe, würde dieses Konzert heute nicht stattfinden. Und ich meine nicht uns vom InDieWohnzimmer, ich rede von unserem Freund Christoph in Köln. Er hat Desperate Journalist nämlich 2015 auf dem Indietracks Festival in Derbyshire entdeckt und dann 2016 eines der Konzerte auf deren erster Deutschland-Tour organisiert. Und er musste uns nicht lange überreden, mit unserem bis dahin größten Konzert die Tour um einen Stop in Stuttgart zu bereichern. (Für mich damals das Konzert des Jahres und alle, die dabei waren, bekommen heute noch ein seliges Grinsen ins Gesicht). 2017 wiederholten wir den Spaß im Goldmark’s mit gut 150 Zuschauern. Und als sich Simon, der Bassist, bei uns wegen eines Konzerts für 2019 meldete, wollten wir es natürlich noch etwas größer machen. (Wegen der Unsicherheiten durch den Brexit wurde es übrigens extra zwei Monate verschoben um einen Zeitpunkt zu haben, bei dem das Thema sicher erledigt ist. Haha.) Unsere Kooperations-Anfrage im Merlin wurde freudig aufgenommen und unser Ziel war klar: Wir wollen den Laden ausverkaufen. Und da sich Desperate Journalist unbedingt einen Support wünschten, konnten wir uns endlich mal einen langgehegten Wunsch erfüllen: Melody La La, die seit 12 Jahren als Geheimtipp gehandelte Indie-Pop-Perle, endlich mal auf einer angemessenen Bühne zu sehen.
Dass die Band um Katharina Puscher eine zuverlässige Fan-Base hat, war sicher ein weiterer Grund dafür, dass Merlin-Booker Arne gegen halbneun tatsächlich das begehrte Schild „Ausverkauft“ vor die Tür hängen konnte. Bis dahin hatten wir für Indiewohnzimmer-Verhältnisse einen erfreulich entspannten Konzert-Nachmittag verbracht. Und zudem gab es für uns Hobby-Veranstalter interessante Einblicke, wie richtige Profis arbeiten. Die Ankunft der beiden Bands, das Aufbauen, der Soundcheck, das Ausleuchten, die Einweisung in Backstage und Band-Appartment – alles unglaublich routiniert und freundlich. Selbst, als um 19:30 die ersten Gäste vor der Tür scharren, Mischer Johnny aber immer noch daran schraubt, für den Support-Act einen genauso perfekten Sound wie für den Headliner zu zaubern, bleibt alles cool.
Als es dann um 20:45 endlich losgeht, ist der Laden schon bestens gefüllt und Melody La La präsentieren in einem dreiviertelstündigen Set eine Mischung aus ganz alten und ganz neuen Songs, darunter natürlich auch den Disco-Kracher „Elastique“. Besonders begeistert sind einige Mädels in der ersten Reihe, die – wie ich später erfahre – ihre Lehrerin bejubeln. Musikalischer Erziehungsauftrag erfüllt, würde ich sagen.
Um 21:45 eröffnen Desperate Journalist ihr Set mit dem schwermütigen „Murmuration“ vom aktuellen Album „In Search of the Miraculous“ und wir stellen sofort fest: so gut hat die Band noch nie geklungen. Das ist schon ein massives Brett, das da von der Bühne in den Raum gestellt wird. Und das nicht nur wegen der Verstärkung durch die Tour-Gitarristin Charley Stone, es ist vor allem der transparent gemischte Sound, der Desperate Journalist den notwendigen Druck gibt. Und den ein Album einfach nicht reproduzieren kann. Nahtlos geht es über in meinen Lieblingssong „Why Are You So Boring?“ und es ist klar: Desperate Journalist haben den Laden im Griff.
Ja, die Band spielt großartig zusammen, jeder auf seiner Position gibt das Maximum, und die Band hat sich seit den letzten Auftritten enorm weiterentwickelt. Letztlich ist es aber Sängerin Jo Bevan, die den Auftritt von Desperate Journalist prägt. Die zierliche Britin schmeißt sich mit einer derartigen Wucht in die Songs, spielt die ganze emotionale Palette von Zorn bis Verzweiflung, dass man sich schon fast Sorgen um sie machen muss.
Der massive Auftritt tut jedenfalls seine Wirkung und der besorgte Blick als Mitveranstalter über die Reihen beruhigt: Das Publikum scheint wirklich begeistert. Besonders zwei englische Fans, die ihrer Lieblingsband auf der Deutschland-Tour hinterher reisen, sind komplett aus dem Häuschen. Und so kommt das Merlin nach mehr als einer Stunde letztlich sogar noch in den Genuss einer der wenigen doppelten Zugaben.
Ein guter Teil des Vergnügens am (Hobby-)Veranstalten besteht natürlich auch darin, nach dem Konzert noch etwas mit der Band zu unternehmen. Diese ist allerdings – angesichts der morgigen langen Fahrt nach Münster – sehr vernünftig und drängt auf frühe Bettruhe. Und so machen wir uns daran, einen Teil der Band ins heimische Gästezimmer zu verfrachten, noch ein Betthupferl zu kredenzen und dafür zu sorgen, dass sie am nächsten Morgen rechtzeitig wieder auf die Autobahn kommen. Aber nicht, ohne die völlig verschlafene Band vorher noch zu einem Minimal-Sightseeing zu nötigen. ;)
Dafür liest man doch Gig-Blog, weil die Konzertberichte so absolut subjektiv sind!
Auch wenn ich manche Vorlieben ( Dagobert zB) nicht teile, machen Eure Besprechungen einfach Spaß! Und man lernt Bands kennen, die man bisher nicht so beachtet/ gekannt hat. MelodyLaLa zB habe ich vor Jahren mal gehört und war nicht sooo mein Ding, aber vielleicht doch nochmal hin gehen, wenn die spielen.
Vielen Dank fürs fleißige Konzertgehen und Besprechen!
Vielen Dank, liebe Elke! Wir tun unser Bestes. ;)