ILGEN-NUR, MARTHA ROSE, 17.04.2019, Merlin, Stuttgart

Ilgen-Nur

Foto: Martin Schniz

Zweimal wurde in diesem Blog bereits über Martha Rose berichtet, in beiden Fällen ’nur’ als Support-Act. Und auch heute werden es wieder nur ein paar einleitende Worte. Was eigentlich schade ist, denn Martha Rose hätte auch mal einen ausführlicheren Bericht verdient. Die sympathische Engländerin eröffnet den Abend alleine auf der Bühne stehend. Sie nimmt ab und zu eine Gitarre in die Hand und singt ansonsten über die Beats, die sie auf dem vor ihr stehenden Casio-Synthie spielt.

Martha Rose

Foto: Martin Schniz

Die Kolleginnen hier im Blog haben Martha Rose in ihren Berichten mit Joanna Newsom bzw. Kate Bush verglichen, ich fühlte mich öfters eher an Halleluwah erinnert, aber das ist vielleicht eine zu obskure Referenz. Letztendlich ist es Indie-Pop , bei dem mal etwas Folkiges anklingt, der aber auch mal so sphärisch daher kommen kann, dass man sich in Twin Peaks wähnt (nur ohne die Angst dass jeden Augenblick ein Kleinwüchsiger um die Ecke kommt und einem kryptische Weissagungen macht).

Auf jeden Fall eine tolle halbe Stunde mit einem kleinen Versinger beim letzten Lied, der das Ganze aber noch charmanter macht. Sollte Ms. Rose mal wieder in Stuttgart gastieren, wird es hier bestimmt einen ausführlicheren Bericht geben.

Über Ilgen-Nur wurde im Gig-Blog auch schon mal geschrieben, aber auch nur über einen Vorprogramms-Auftritt. Das soll sich nun ändern.

Ilgen-Nur

Foto: Martin Schniz

Erst eine EP hat Ilgen-Nur Borali bisher veröffentlicht, das von Max Rieger produzierte „No Emotions“. In ihrer Band, die sie die „Soft Boys“ nennt, spielt neben Laurens Maria Bauer, Simon Starz und auch Paul Pötsch, der ansonsten bei der Band Trümmer singt. Als neue deutsche Slacker-Queen wird Ilgen-Nur in allen Musikpublikationen angepriesen. Zu Zeiten als der gleichnamige Linklater-Film in den Kinos lief, als die „Generation X“ keinen Fick auf irgendwas gab, war Ilgen-Nur aber ja noch lange nicht geboren. Doch mit zur Zeit erfolgreichen Leuten wie Mac DeMarco oder dem angegrungten Sound einer Courtney Barnett, die auch häufiger als Referenz genannt wird, scheint die Musik von Ilgen-Nur gut in den Zeitgeist zu passen. Arte nannte es neulich „Neo-Slack“.

Es ist dieses ein bisschen raue, unfertige, das mit einer freundlichen Egal-Attitude rübergebracht wird. Die Darbietung nicht glattpoliert, aber eben auch nicht gewollt dilettantisch, es ist einfach nur Cool.

„Wir sind Ilgen-Nur aus Hamburg“, so stellt sie sich nach dem ersten Song vor. Um im nächsten Augenblick dann den Menschen am Mischpult um mehr Sound auf ihrer Monitorbox zu bitten, mit deutlich schwäbischem Zungenschlag. Und wenn ihr Resting Bitch Face sie sonst ein bisschen unterkühlt und emotionslos erscheinen lässt, so huscht ihr hier doch ein kleines Lächeln über die Lippen. Denn ursprünglich kommt sie aus Wendlingen und ist erst vor wenigen Jahren in den Norden gezogen.

Den einen Hit „Matter of Time“ gleich als zweites zu spielen, auch irgendwie cool. Auch wenn man erst sechs Songs überhaupt veröffentlicht hat.

Ilgen-Nur

Foto: Martin Schniz

Unter den Augen der mehr oder weniger vollständig im Publikum anwesenden Stuttgarter Indie- und Underground-Szene besingt die inzwischen 22-Jährige Post-Adoleszente Unsicherheiten („Just because I’m 20, doesn’t mean I know what to do“) und andere Coming-of-Age-Problematiken. Dabei ist das Fundament aller Songs, neben dem locker-flockigen Garagen-Sound, die unglaublich gute und umfangreiche Stimme Ilgen-Nurs. Von ruhigen, beinahe hingehauchten Passagen bis in fast schon hysterischen Höhen klettert sie gekonnt durch die Oktaven. In der Nürtinger Zeitung würde man vielleicht „Rockröhre“ schreiben.

Die neuen Songs, die mehr als die Hälfte des Sets ausmachen, wirken teils etwas weniger ’slackig’, manchmal blitzte meiner Meinung nach sogar ein bisschen mehr Pop durch. Ob sich dieser Eindruck bestätigt, wird sich zeigen wenn das Album veröffentlicht ist. So oder so, ich denke man kann sich drauf freuen.

Laut eigener Ansage findet Ilgen-Nur das Zugabenspiel eigentlich doof, trotzdem geht die Band nach 45 Minuten kurz von der Bühne um dann den anderen Hit „Cool“ zu spielen. Für den letzten Song „No Emotions“, ein Höhepunkt zum Abschluss , legt Ilgen die Gitarre zum ersten mal ab, um nur zu singen. Und wie. Auf dem Boden in der Mitte des Clubs kauernd, wird uns noch einmal der vollen Umfang ihrer Stimme und ihrer Stimmungen („Everyone thinks I’m grumpy when I look at them, everyone thinks I’m having no emotions“) um die Ohren gehauen.

Zum ersten Mal wurde hier heute im Gig-Blog also über Ilgen-Nur als Main Act geschrieben. Aber sicher nicht zum letzten Mal.

Ilgen-Nur

Foto: Martin Schniz

Ilgen-Nur

Martha Rose

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