LAURA GIBSON, 10.04.2019, Manufaktur, Schorndorf
Die Wölfe kehren wieder zurück in die Wälder. Lange Zeit wurden sie gejagt in ihrer Heimat, dem Staat Oregon, erzählt uns die amerikanische Sängerin Laura Gibson. Doch nun sind sie wieder da. In der Natur meiden Wölfe, wenn möglich die Menschen, wenngleich sie keine angeborene Scheu haben. Die Natur und ihre Phänomene liegen Laura Gibson sehr am Herzen. In ihrem Song „Tenderness“ spielt Laura mit Fabelhaftem und lässt Frauen als Wölfe leben.
Angereichert mit Bläser- und Streicherarrangements sind die folkigen, ruhigen und getragenen Songs auf Laura Gibsons Album „Goners“. Live tritt sie heute Abend solo auf und spielt vor einem vollen, bestuhlten Saal. Erst habe ich mich noch gewundert, warum das Konzert bestuhlt ist. Es stellt sich als ein guter Rahmen heraus, wie ich finde. Durch die Bestuhlung erhält es Konzertantes und eine andere Art der Konzentration ist gefordert. Voll und ganz kann man den Songs der Singer-Songwriterin und Multiinstrumentalistin lauschen: Wie im Wald zu stehen und die Geräusche und Klänge des Waldes zu genießen.
Einen Moment benötigt Laura Gibson noch, um in das Spiel zu kommen. Ihr langes Haar fällt ihr ins Gesicht. Gekleidet in ihrer Oversize-Jacke wirkt es, als würde diese ihr den Schutz eines Kokons bieten. Sehr persönliche Momente durchziehen die Songs von Laura Gibson, mit allem, mit dem das Leben reinspielen kann: Momente des Verlustes, der Trauer, der Liebe, aber auch Veränderung um neue Ufer zu betreten. Ein langgezogener Umzug mit dem Zug „Empire Builder“ von der Westküste nach New York City gab ihr die Inspiration zu dem gleichnamigen Song. Die Strecke ist die mehrmals hin- und hergefahren, weil sie immer nur einen Koffer dabei hatte, erzählt sie uns, um so das Gefühl einer Entfernung richtig zu verstehen.
Wenn sie ihre Akustikgitarre zupft oder zu dem auf E-Piano gestimmten Keyboard wechselt, legt sich ihr Gesang ganz zart als eine Art Storytelling darüber. Dieser ist mal zurückgenommen und lässt das Spiel an der Akustikgitarre in den Vordergrund treten, mal hat der Gesang im wahrsten Sinne des Wortes das Sagen. Das ist schon eine Menge Stoff an Emotionen. Diese spielerische Weise von Laura Gibson lässt mich aufhorchen und dranbleiben und nicht ganz unruhig auf dem Stuhl hin- und herzuwackeln.
Jeder Song bekommt die Note eines kleinen Kammerstücks. Laura Gibson wirkt sehr behutsam, auch wenn sie zum Publikum spricht und ganz behutsam führt sie mit leicht tröpfelnden Gitarren- oder Pianoklängen wieder aus den Songs raus. Ganz zum Schluss wird das Publikum mit eingebunden. Laura Gibson tritt an den Bühnenrand hervor, nur das Mikro in der Hand und die singt die Harmonien vor, die das Publikum gleich singen darf. Das klingt zusammen sehr schön und besonders dann, wenn Laura Gibson den getragenen Gesang von „The Rushing Dark“ darüber legt. Manchmal bin ich gehalten, dass mir das zu viel Pathos hat. Aber hier passt es einfach und auch zu Laura Gibson, wie sie am Bühnenrand singt, eingehüllt in den Strahl des Scheinwerfers.