DIE HEITERKEIT, HANS UNSTERN, 16.03.2019, Manufaktur, Schorndorf

Wir freuen uns riesig über diesen Gastbeitrag von Yvy Pop. Mangels eines Fotografen vor Ort greifen wir ausnahmsweise auf Archiv-Bilder zurück.

Die Heiterkeit

Die Heiterkeit 2016 – Foto: X-tof Hoyer

Das schmale haarige Wesen namens Hans Unstern zupft im sanften Kegel der Manufakturbühne die Saiten seiner Harfe. Schräg in der Erscheinung, ab und zu in den Tönen, immer aber in seiner Prosa. Von zerbrechlicher Liebe, traurigen Träumereien, Bonbons und Haut handeln seine Erzählungen, manchmal auch vom Erbrochenen des Freundes, um das sich die Fische reißen. Im Zuschauerraum das Publikum wie erstarrte Bäume, lauscht fast andächtig der hohen fragilen Stimme. Unstern ist in sein Instrument, das gegen ihn fast übermächtig, massiv und klobig schwer wirkt, versunken. Der Nagellack und die Saiten verbinden beide zu einer eigenwilligen Einheit. Die konzentrierte Stille ebnet den spärlich beleuchteten Raum für die große dunkle Stimme der Heiterkeit.

Die Heiterkeit

Die Heiterkeit 2016 – Foto: X-tof Hoyer

Seit ihrem letzten Auftritt hat sich das Musikergefolge um Sängerin Stella Sommer komplett ausgetauscht. Während am vorderen Bühnenrand „Das Mädchen“ das Mikrofon einnimmt, flankieren vom Bühnenrand der hochgewachsenen Schlagzeuger („Garagen-Uwe“ mit Gelfrisur und Oliba) mit dezentem Beat und die neue Keyboarderin mit dem warmen zurückhaltenden Chorgesang, während hinter der Frontfrau der Bassist fast unsichtbar zu werden scheint. Im Zentrum strahlt von der ersten Minute an und ohne großes Zutun die dunkelwarme Sonne Stella Sommers, ungeschminkt und mondän. Immer an der Untergrenze ihres Gesangsspektrums wird ihre Stimme kurz kalt wie ein Eisschauer, bevor sie wieder in warme Wasser taucht. Ernsthaft und ohne Ansagen, wechselt Sommer zwischen einsamem Mikrofon, Keyboard und Gitarren und singt die Lieder, die vornehmlich aus dem aktuellen Album stammen, einer Predigt ähnlich, für die zu ihr aufschauenden Zuschauer. Erst beim ungewöhnlich fröhlich vorgetragenen „Wort“, welches das Grundgefühl der Heiterkeit auf den Punkt bringt: einsam, da taut die Stimmung und ein Lächeln huscht über die Gesichter. Die Musiker tauschen flirtende Blicke aus, ein wenig Bewegung belebt die Bühne. „Wir finden uns“. Dann taucht die musikalische Entourage Sommers hinter ihren Instrumenten ab, geht in die Knie, versteckt sich, ganz, um dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied für ihre Kompositionen den gesamten Raum zu überlassen. Nur bei der „Linie im Sand“ verschwindet Stimme und Lied unter einem diffusen Klangteppich. Sommer tauscht das E-Piano wieder mit der Gitarre intoniert das berührende „Jeder Tag ist ein kleines Jahrhundert“, an das sich fast nahtlos „Große Namen“ anschließt. Dem dezenten Pathos tut auch die leicht dissonante Gitarre keinen Abbruch. Kurz vor dem Ende nun doch eine kurze Ansage, mehr Anpreisen der neuen Single Unsterns als Eigenwerbung, und ein letzter Kraftakt kündigt sich an: „Sterne am Himmel“. Die hart angeschlagenen tiefen Tasten lassen den Konzertraum noch einmal bebend anschwellen, danach ist „Der Himmel [ist jetzt] ein Aschehaufen“.

Nach kurzen Zugaberufen betritt Die Heiterkeit für ihren Epilog die Bühne. Die Perfektionistin Stella Sommer lächelt mit einem Kommentar („Jetzt gibt es eh nichts mehr zu verlieren“) über kleinere Schönheitsfehler hinweg. Bleibt, solange ihr wollt, oh ja. Fünf weitere Stücke, „für den nächstbesten Dandy“ bis die der Band und insbesondere ihrer Sängerin oft zugeschriebene „Kälte“ kommt. Von dieser ist an diesem Abend jedoch nichts spüren. Auch die Weiterentwicklung der Heiterkeit von „Pop & Tod I+II“ hin zur aktuellen „Was passiert ist“ strahlt live mehr Milde und Glanz als Distanz und Abgeklärtheit aus, ohne dass ihr Klugheit und ungeschminkte Unschuld abhandengekommen wären. Während die Rhythmusfraktion die Bühne bereits verlassen hat, beschließen die beiden Frauen an den Tasteninstrumenten mit „The End“ den Abend und lassen uns beseelt in die Nacht, alleine, aber nicht einsam.

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