KRASHKARMA, LICENCE, 08.03.2019, Keller Klub, Stuttgart
Alter! Was hat mich eigentlich geritten zu einem Heavy-Metal-Konzert zu gehen? Eigentlich war schon in den Achtzigern Hard Rock und Metal das exakte Gegenteil dessen, was mich musikalisch, mode- und szenemäßig begeistert hat. Dass unser Fotograf – dessen musikalische Sozialisierung der meinen ähnelt – aber zu Krashkarma will, hat mich dann doch neugierig gemacht. Außerdem gibt es nicht mehr allzu viele Möglichkeiten, den Keller Klub zu besuchen. Gründe genug also, an diesem Freitagabend die musikalische Komfortzone zu verlassen.
Als der lokale Support-Act Licence loslegt, bereue ich meinen Entschluss umgehend. Das ist wirklich exakt die Art von Auftritt, die meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Kein Eighties-Metal-Klischee wird ausgelassen: Die Retro-Frisuren, die breitbeinigen Gitarrenposen, die Pommesgabel, die permanenten „Hey! Hey! Hey!“-Animationen. Die Sängerin, die nicht einfach eine gute Stimme, sondern eine „Röhre“ hat. Überhaupt, das Attribut „Female Fronted“, in welchem Genre wird dieser (latent sexistische) Anachronismus überhaupt noch verwendet? (Und dies ausgrechnet am Internationalen Frauentag). So stellte ich mir damals (und eigentlich auch heute noch) in meinen schlimmsten Alpträumen einen Abend in der Rofa vor. Kurzum, ich wünschte, dies wäre eine ironische Achtziger-Metal-Parodie. Ist es aber nicht.
Ich muss aber auch eingestehen: Das ist authentisch (inklusive Lokalkolorit), rein musikalisch ist es picobello und mit vollem Einsatz dargebracht, inklusive eines gefährlich aussehenden Sturzes von der Bühne. Das Vater-Tochter-Projekt ist sympathisch und das aktuelle Album „Licence 2 Rock“ fährt gute Kritiken ein. Die Begeisterung der Fans im Publikum spricht für sich. Ich fasse zusammen: Für eine adäquate Besprechung dieser Art von Musik bin ich definitiv der Falsche.
Nun also Krashkarma. Schon das Intro zum Auftritt lässt erkennen: Hier erwartet uns ein professionell durchchoreografiertes Konzert. Mit Umhängeschlagzeug, Megafon und Funkgitarre bahnen sich Ralf Dietel und Nicole Skistimas den Weg durch’s Publikum auf die Bühne. (Haben wir zwar kürzlich erst bei Interrobang‽ gesehen, ist aber ein guter Trick, um das Publikum vom ersten Moment an mitzunehmen) Und was dann in der nächsten Stunde geboten wird, versöhnt mich nicht nur mit dem etwas holprigen Start in den Abend, es lässt mich sogar meine grundsätzlichen Zweifel am Metal-Genre beiseite schieben.
Mit der gern benutzten Bezeichnung „White Stripes of Metal“ räumt Dietel (dessen zweifarbig geringelte Dreadlocks mich an irgendeine Clone-Wars-Figur erinnern…) sofort auf. Der Vergleich ziehe zu kurz, man sei deutlich besser als das Referenz-Duo. Zwinker, zwinker. Und tatsächlich, was die zwei in dieser Minimalbesetzung aus Schlagzeug und Gitarre raushauen, ist wahrlich ein Brett. Mächtige Riffs, ein wahrhaft wuchtiges Schlagzeug und der Wechsel zwischen männlicher und weiblicher Gesangsstimme macht das Ganze nicht nur geradezu körperlich spürbar, es ist auch erstaunlich abweschslungsreich. Zu meiner größten Überraschung schafft es der Mischer, in den schwierigen Keller Klub den bisher besten Sound zu stellen. Geht doch! Auch lichttechnisch hat die Band aufgerüstet. Mit riesigen Bodenstrahlern und einer taktgenauen Lightshow bekommt der Auftritt auch einen optisch perfekten Rahmen. (Der Fotograf vermisst etwas Nebel, aber wir stellen fest, das wir solchen noch nie im Keller Klub gesehen haben. Außer im Raucherraum nebenan).
Ein Geheimnis des Krashkarma-Sounds ist „Ms. Frankenstein“. Kein drittes Bandmitglied, sondern Dietels Gitarre, die so manipuliert ist, dass sie durch spezielle Besaitung und zusätzliche Pickups, mal den Bass, mal den Gitarrensound oder auch beides gleichzeitig produziert. Dies erklärt Dietel im Rahmen einer kleinen Vorführung. Auch eine weitere Bastelei beweist die Kreativität der Band: eine Metalltraverse über der Bassdrum erlaubt dem Gitarristen in der direkter Nähe der Drummerin zu agieren, spektakuläre Fotomotive zu liefern und sich in Sprungeinlagen zu üben. Überhaupt: An jeder Stelle der Show spürt man, dass sie von der optischen Wirkung her für größere Bühnen gemacht ist. Und genau dies macht den Reiz des Abends aus. Eine absolute Profiband, mit maximaler Publikumsnähe und einer wohldurchdachten, aber niemals runtergespulten Show.
Krashkarma leben in Los Angeles. Man habe aber nicht zurück in die USA gewollt, bevor man nicht ein Konzert in Stuttgart gespielt habe, behauptet Dietel, der auch als Bassist bei WIZO agiert. Er kommt ursprünglich aus der Region und hat auch einige WIZO-Fans angelockt. Weitere Show-Einlagen des Abends sind ein Akustik-Set inmitten des Publikums und ein Percussion-Einsatz mit Baseball-Keule. Die Stimmung ist jedenfalls sensationell und die vom Publikum geforderten Zugaben enden mit einem Highlight: als Verneigung vorm kürzlich verstorbenen Keith Flint gibt es eine Metal-Version von Prodigy’s „Breathe“. Mit spontaner Unterstützung des Dr-Aleks-and-the-Fuckers-Gitarristen Marko Raketa. Auch wenn mich dieser Abend nicht zu einem Hard-Rock- oder Metal-Fan gemacht hat und ich mir solche Musik wohl kaum daheim aus der Konserve anhören würde, eine derart intensive und professionelle Live-Show kann einfach nur begeistern!