JAZZANOVA, 31.01.2019, Spardawelt, Stuttgart
Make some noise for… J-a-z-z-a-n-o-v-a
Jazzanova also. Mit dem Namen werden entspannte Erinnerungen an die späten 90er mit ihrer Lounge- und Nu-Jazz-Phase wach, Rainer Trübys Glücklich-Sampler, Wiener Schule mit Kruder/Dorfmeister oder die Amerikaner mit Thievery Corporation… Bei genauem Hinsehen bzw. Hinhören ist zu erkennen, dass die alle noch aktiv sind, sich umformiert und/oder weiterentwickelt haben. So auch das Produzenten-Kollektiv Jazzanova, das im Rahmen der jährlich im Winter stattfindenden Jazzopen Nights uns heute Abend von Jürgen „Jazzopen“ Schlensog persönlich angesagt wird.
Schlappe neun Musiker stark mit Keyboard, Posaune, Saxophon, Bass, E-Gitarre, Schlagzeug, Conga+Elektronik, Laptop und dem aus Detroit eingeflogenen Sänger Paul Randolph erklingen Jazzanova Punkt 20.30 Uhr in der Spardawelt, dem Eventbereich der namengebenden Bank: Funk-Soul-Jazz-Latin-Dub-House-Disco-HipHop-TripHop mit Nile-Rogders-Gitarre und Kool-&-The-Gang-Gesang, mal Uptempo, mal Downtempo. So. Mehr Fusion geht dann auch nicht. Alles druckvoll, tanzbar und schwungvoll, aber liegt es an der Location, die mit ihrem hochwertigen, jedoch auch etwas gesichtlosen Interieur keine Clubatmosphäre aufkommen lassen will, oder liegt es daran, dass die geladenen Gäste durch eine Absperrseil abgetrennt vom zahlenden Publikum an Bistrotischen dem Treiben zusehen und der Veranstaltung ein Hauch von Pflichttermin vermitteln – Jazzanova kommen nur schwer in Kontakt mit der Zuhörerschaft. Erst als der Gitarrist David Lemaitre zum Mikrofon greift und seinen sehr persönlichen bluesartigen Song anstimmt, der sich dann doch zu einem wunderschönen Elektrobluestrack entwickelt, ist die Brücke geschafft.
Die auf der Bühne stehenden Produzenten Axel Reinemer (Laptop) und Stefan Leisering (Conga+Elektronik) sind mit Leib und Seele dabei, aber ihr Kollektivprodukt Jazzanova verliert sich gelegentlich in einer Art gedeckelten Produzentenmusik. Vielleicht geben sie ihren Musikern zu viel vor, halten sie in zu engen Bahnen, lassen ihnen zu wenig Raum für energiegeladene und grenzüberschreitende Ausuferungen. Ludvic Navarre stand mit seinem Projekt St Germain damals im Hegelsaal in den Nullerjahren ähnlich wie Reinemer und Leisering hinter seinen Musikern auf einem Riser und dirigierte sie durch seine sparsamen, aber wohlgesetzten Houseloops, ließ ihnen aber alle Freiheit der Welt und schaffte so das Kunststück eines absoluten Live-Jazz-House-Erlebnisses. Uwe „Senior Coconut“ Schmidt grinste bei seinem Konzert in den Wagenhallen wie ein Honigkuchenpferd über das Ergebnis seiner Musiker, die nach seinen Grundvorstellungen Kraftwerk und Yellow Magic Orchestra in Big-Band-Latin-Manier zu Gehör brachten. Andererseits ist Jazzanova so beeindruckend musikalisch breit aufgestellt, dass diese Vergleiche vielleicht nur bedingt greifen.
Bei Jazzanova gibt’s jedenfalls auch Hip-Hop-Beats und ein Beatles-Sample: „Number Nine“ von der verstörenden Klangwolke Revolution 9, auch lange nicht mehr gehört, vor allem in so einem Laid-Back-Track wie heute Abend. In Sachen virtuoser Crossover-Fusion ist Jazzanova ganz vorne dabei, so viel steht fest. Das lässt sich allein daran feststellen, dass in einem Gig-Blog-Beitrag noch nie so viele Bindestriche zur Beschreibung der gerneübergreifenden Musik verwendet wurden, nämlich Fünf-Und-Vierzig.