RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

Wenn ich etwas noch nie bereut habe, dann waren es Ausflüge zu mir unbekannten Clubs im Umland. Die Kaiserhalle, die Bastille oder die Galerie X in Reutlingen oder auch die Rock’n’Roll-Bar in Ludwigsburg haben mir hervorragende Konzerterlebnisse beschert. Warum soll das also nicht auch im Club Thing in Metzingen funktionieren? Vor allem, wenn man dort ganz gewagt die Punklegende TV Smith und den Techno-Schlager-Koloss Rummelsnuff zu einem Doppelkonzert kombiniert. Die Anfahrt verunsichert uns: im Dunkel auf einer Wiese am Ortsrand steht ein wenig vertrauenserweckendes ehemaliges Industriegebäude, von Zäunen und Sperrmüll umgeben. Der altgermanische Name und der Schriftzug in Fraktur lassen uns zögern: sollte dies etwa ein verkappter Nazi-Treff sein? Rummelsnuffs alter Mercedes auf dem Hof und andere aus dem Dunkel kommende Konzertbesucher, die eher nach Punks aussehen, beruhigen uns. Eine außenliegende Stahlgittertreppe führt ins Obergeschoss. Und was wir beim Betreten sehen, zerstreut die letzten Zweifel: ein recht gemütlicher, sehr hoher Raum mit einer Atmosphäre zwischen autonomem Jugendzentrum und Rockerkneipe. Ein buntes Völkchen – Iros neben Dreadlocks und stiernackigen Bodybuildern – belagert die ausladende Theke. Ein netter Empfang, freundliche Bedienungen und eine amtliche Bierauswahl versprechen einen feinen Abend.

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

Die nächste angenehme Überraschung: Der Veranstaltungssaal hat eine richtig große und hohe Bühne und eine ziemlich beeindruckende technische Ausstattung. Für TV Smith, den ehemaligen Frontmann der Ur-Punks The Adverts, braucht es allerdings nicht viel: Ein Mikro und ein Anschluss für seine akustische Gitarre tun es. Und was der sehnige 62-Jährige damit in der nächsten Stunde produziert, hat es in sich. Jeden seiner Titel erklärt er (auf deutsch), bevor er seine Akustikgitarre auf das Heftigste bearbeitet. Das ist roher, purer Punk. Auf’s Minimum reduziert und mit seiner leicht heiseren Singstimme umwerfend direkt ins Publikum geschleudert. Und in diesem befinden sich einige echte Kenner, die nicht nur seine alten Hits mitsingen können, sondern auch bei denen seines aktuellen Albums „Land of the Overdose“ erstaunlich textsicher sind. Keine Effekte, kein Gitarrenstimmen stört diese Kaskade an Songs, die sich nahezu unterbrechungslos über das Publikum ergießt.

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

Und kurz bevor der reduzierte Vortrag und eine gewisse Ähnlichkeit der Songs das Publikum ermüden könnten, holt Timothy Smith seine alten Hits heraus und dreht nochmal mehr auf. „Bored Teenagers“ und natürlich „Gary Gilmore’s Eyes“ werden begeistert mitgegrölt und vor der Bühne hat sich schon längst eine augenzwinkernde Kuschel-Pogo-Runde gebildet. So viel Punk-Folklore muss sein.

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

Wie gesagt: so krass Rummelsnuff und TV Smith optisch kontrastieren, so riesig sind auch die musikalischen Unterschiede. Hier der rohe, akustische, authentische Punk, dort die ins Groteske übertriebene „Derbe Strommusik“, die – außer dem Gesang – komplett aus dem Playback kommt. Wie ein Abend mit Käptn Rummelsnuff und seinem Maat Asbach abläuft, habe ich anläßlich seines Auftritts in Esslingen bereits ausgiebig beschrieben und im Wesentlichen finden wir hier das selbe Set-Up: Rummelsnuff und Asbach eröffnen den Abend mit dem schwülstigen Seemannslied „Die Liebe der Matrosen“ uns schon schunkeln die ersten Reihen, die sich eben noch im Pogo übten. Eine Änderung gibt es: im Hintergrund agiert der „Eisenkumpel“ an Laptops und Backing Vocals.

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

Leider wirkt die Show lange nicht so perfekt wie damals in Esslingen. Etwas fahrig stürzen sich die Musiker ins Programm, das Timing stimmt bei den ersten Titeln nicht so recht und die Stimmung steigt nicht in dem Maße, wie wir es bereits erlebt haben. Natürlich werden ruckzuck willige Zuschauer und Zuschauerinnen auf die Bühne geholt. So richtig geht es aber erst los, als sich Rummelsnuff und seine Mannen der Oberbekleidung entledigen. Der Maat bekommt Gelegenheit, seine starke Gesangsstimme bei „Poi Soldat“ zu präsentieren und Rummelsnuff brummelt sich quer durch das Repertoire aus Arbeiterliedern wie „Der Schrauber“ und „Gerüstbauer“, Chanson-Coverversionen wie „Nathalie“ und Klassiker wie der Bodybuilder-Hymne „Pumper“ und den Hit „Bratwurstzange“. Das ganze natürlich fast durchgängig mit ultraharten Techno- oder EBM-Beats unterlegt, hat aber leider auch gewisse Längen. TV Smith steht übrigens im Publikum und schaut sich das absurde Spektakel mit einem breiten Grinsen an.

Unser Fazit: TV Smith ist der lebende Beweis, dass Punk sowas von überhaupt nicht tot ist, der Club Thing ist eine feine Konzertlocation und Käptn Rummelsnuff haben wir schon in besserer Form erlebt. Das Gesamtpaket aber hat mal wieder bestätigt, dass wir häufiger zu einem Törn in unbekannte Gewässer in See stechen sollten.

RUMMELSNUFF, TV SMITH, 15.12.2018, Club Thing, Metzingen

Foto: Steffen Schmid

TV Smith

Rummelsnuff

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