TRANSGLOBAL UNDERGROUND, YAEL DECKELBAUM & THE MOTHERS, Sommerfestival der Kulturen, 19.07.2018, Marktplatz, Stuttgart
Die gemischt israelisch-palästinensische Frauenband Yael Deckelbaum & The Mothers eröffnet heute das Sommerfestival der Kulturen. Yael ist nicht nur Singer-Songwriterin, sondern auch preisgekrönte Friedensaktivistin und musikalisches Sprachrohr von „Women Wage Peace“, einer jüdisch-arabischen Vereinigung gegen die Gewalt zwischen Israel und Palästina. Und tatsächlich gleicht der Auftritt einem instrumentierten Aufruf für Frieden und Liebe, die Musik transportiert nur. Schon beim ersten Stück („Warriors of Peace“?) muss ich gegen Tränen kämpfen, sie verkündet ihre Botschaft vehement und berührend zugleich und der mehrstimmige Gesang tut sein Übriges daran. Der zweite Song „This Land“ beginnt acapella mit ein bisschen Schlagzeug – Shiri Burstin klopft nur ein bisschen auf den Rändern der Snare rum und die anderen klatschen – später setzen die Instrumente mit ein. Auf jeden Fall ein Lieblingslied dieses Auftritts.
Tatsächlich lässt sich die Musik schwer einordnen. Vieles kommt ziemlich hymnisch und pop-rockig daher, dann kommt mal Reggae, Countrypop oder Blues durch – und immer wieder erinnert mich Yael an Johnette von Concrete Blonde. Auf alle Fälle ist es Message-Musik und ich kann mir schwer vorstellen, das zuhause anzuhören, da brauch ich schon die Botschafterin vor mir.
Eine Frau aus dem Publikum ruft Yael etwas zu, das ich nicht verstehe, aber ob der Reaktion Yaels lässt sich vermuten, dass es etwas gegen Israel war. Daraufhin erklärt Yael wieder das Konzept ihrer Band und ihre Arbeit als Aktivistin für die Versöhnung der beiden verfeindeten Lager und bedankt sich, dass sich die Zuhörerin für andere lautstark einsetzt.
Sie erzählt zwischen den Songs immer wieder kleine Anekdoten von ihren Märschen für Frieden in aller Welt und selbst die anderen Musikerinnen kämpfen mit den Tränen. Ein weiterer sehr berührender Moment entsteht, als die Background-Sängerin Mira Eilabouni erzählt, warum sie von ihren Mitmusikerinnen „Habibi“ (Liebling) genannt wird und sie daraufhin ein Lied vortragen, das Mira mit 16 geschrieben hat. Dieses Stück lässt mich an Gianna Nannini denken – und das, obwohl es nicht italienisch gesungen wird.
Als Zugabe spielen Yael Deckelbaum & The Mothers das Lied „Prayer Of The Mothers“, welches als Hymne von Women Wage Peace gilt: „From the North to the South, from the West to the East, hear the Prayers of the Mothers, bring them Peace, bring them Peace!“
– Maren
Auch ich stehe noch unter dem Eindruck der geballten Musikalität und dem Charisma von Yael Deckelbaum und ihren Mitstreiterinnen, als um Viertel nach acht Transglobal Underground die Bühne betreten. Wiedervereinigt mit der belgisch-ägyptischen Sängerin Natascha Atlas werden sie als eines der Festival-Highlights erwartet. Bereits zum dritten Mal sind sie auf dem Sommerfestival und ich erinnere mich noch gut an den ersten, fulminanten Auftritt, bei dem nur ein Teil der Band antrat, weil der Rest wetterbedingt in Zürich feststeckte. Reduziert auf ihre Rhythmusgruppe und Samples aus dem Laptop versetzten sie das Publikum unter einen gewitterschweren Himmel in Extase.
Ob es nun an der übermächtigen Konkurrenz durch die vorher aufgetretene Frauenband oder an dem anfangs sehr schwachbrüstigen Sound liegt, es dauert jedenfalls sehr lange, bis das Londoner Musikerkollektiv in die Gänge kommt. Natascha Atlas trägt zuerst nur wenig motiviert ihre arabisch-verschlungenen Gesangsparts bei. Die an sich fast zwingende Mischung aus indischer und arabischer Musik mit Dancefloor-Rhythmen wie Banghra oder Drum’n’Bass findet leider erst sehr spät ihren Groove. Mit den Solo-Einlagen des Storytellers TUUP und des Percussionisten Johnny Kalsi nimmt der Vortrag dann merklich an Fahrt auf und als der Mischer endlich etwas beherzter die PA nach oben fährt, zündet der Transglobal-Underground-Treibsatz dann doch noch. Und es entwickelt sich, dank der nun kraftvoll aufspielenden Rhythmusgruppe exakt die ausgelassene Party, die man von Transglobal Underground erwarten durfte.
– Holger