TRÆNAFESTIVAL, 05. – 08.07.2018, Træna, Norwegen

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Foto: Carsten Weirich

Wow! Ein Festival wie das Træna habe ich noch nicht gesehen. Auch zwei Tage später bin ich immer noch sowas von geflasht und kann nicht glauben, dass ich wirklich da war. Da draußen am Ende Europas knapp unter dem Polarkreis. Drei Tage lang spielen fast ausschließlich norwegische Bands, die ihren internationalen Kollegen aber locker das Wasser reichen können, weit draußen im Meer in einer atemberaubenden Kulisse für rund 3500 Fans. Absoluter Wahnsinn!

Ich bin mir nicht mehr so ganz sicher, wann und wo ich zum ersten Mal vom Træna gehört habe. Soweit ich mich erinnern kann, hat mich mein Freund Björn Musikliebhaber Christian (er hat scheinbar ein wesentlich besseres Gedächtnis als ich) vor einigen Jahren darauf aufmerksam gemacht. Die Fotos haben mir gleich die Kinnlade runterklappen lassen. Da in dem Jahr aber erstmal wieder das Iceland Airwaves auf dem Plan stand und es auch an Mitreisewilligen mangelte, wurde das kleine norwegische Festival erstmal hintenangestellt. Dieses Jahr sollte es dann aber endlich klappen. Die Vorbereitung war nicht ganz einfach, da die sowieso schon spärlichen Infos auf der Homepage bis kurz vor Beginn nur auf norwegisch waren. Dank Google-Translator und meiner Freundin Alex, die letztes Jahr zum ersten Mal dort war und viele nützliche Tips hatte, haben wir es dann aber trotzdem irgendwie hinbekommen.

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Foto: Carsten Weirich

Paar Tage vorne drangehängt – wenn man schon mal vor Ort ist – und los geht es. Roadtrip Norwegen. Was für ein Land! Wir sehen die ziemlich niedliche Stadt Trondheim, gehen in wunderschönen Fjorden schwimmen, grillen am Lagerfeuer am Strand von Namsos, klettern auf Hängebrücken über rauschende Flüsse, sehen Lachse aus dem Wasser springen, trinken mit Einheimischen und schauen mit ihnen ein paar WM-Spiele, überqueren den Polarkreis und sind einfach nur baff, weil es an fast jeder Ecke wunderschön ist. Wir freuen uns über die angenehmen Temperaturen und die wunderschön warmen Farben der Mitternachtssonne. Denn wirklich dunkel ist es um diese Jahreszeit nie. Irgendwie schräg.

Vor lauter Verliebtheit neige ich fast dazu die abartig hohen Preise für Alkohol (vor allem Bier) und Essen zu verdrängen. Ein Zehner für eine Hopfenkaltschale in der Bar ist hier vollkommen normal und den Burger mit Fritten kann man meistens für rund 14 Euro erstehen. Stattlich. Aber gottseidank habe ich die in solchen Fällen äußerst nützliche Angewohnheit, so Sachen schnell aus meinem Gedächtnis streichen zu können, um meine Urlaubsfreude nicht trüben zu müssen. Und für so nebenbei haben wir uns ja im Dutyfree-Shop eingedeckt. Ja mein Gott, man kann Geld sicher sinnloser anlegen.

Wer mit einem Trip nach Norwegen liebäugelt, sollte übrigens vorab richtig gut planen. Haben wir nicht gemacht, daher schaffen wir nicht alles, was wir uns im Reiseführer angestrichen haben. Wenn es mal dumm läuft, kann ein Weg von rund 40 Kilometern Luftlinie hier auch mal zweieinhalb Stunden dauern und eine Fährfahrt inklusive Rennen gegen die Zeit miteinschließen (letzte Fähre und so). Der vielleicht härteste Nackenschlag, den ich ich dem Zusammenhang wegstecken muss: Wir schaffen es nicht mehr rechtzeitig zur Elchfarm Svartisen Moose. Dabei habe ich mich wie ein Kleinkind auf mein Elchkussselfie gefreut. Das muss man sich mal geben: ein Elchkussselfie! Sicher der Porsche unter den Tierkussselfies. So reicht es leider nur für ein Elchschild auf Foto. Muss ich wohl drüber wegkommen. Den Donnerstag, an dem auf dem Festival auch schon Bands spielen, hängen wir noch auf dem Festland dran. Wir kennen sowieso keine davon und eine Nacht weniger im Zelt wird mir mein Rücken (und vielleicht auch meine Leber) sicher danken.

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Foto: Carsten Weirich

Am Freitagmorgen ist es dann aber soweit. Extrem gespannt geht es Richtung Træna. Wir sind um 9.05 Uhr an der 9.15 Uhr-Fähre in Stokkvågen, die ganz lässig um 9.08 Uhr ablegt und uns auf einer dreieinhalbstündigen Fahrt weit raus aufs Meer bringt. Es geht vorbei an bizarren Felsformationen und wenigen bewohnten Mini-Inseln, bei denen nur der Herr allein weiß, wie es Menschen hierher verschlagen haben mag. Træna ist eigentlich der Name der ganzen Kommune, die aus rund 1000 kleinen Inseln besteht, von denen nur fünf von gerade mal 456 Menschen bewohnt sind. Stattfinden wird das Festival auf der Hauptinsel Husøy und der Nebeninsel Sanna. Nach etwa eineinhalb Stunden sehen wir weit entfernt am Horizont die charakteristischen Umrisse der kleinen Bergkette, die im Festivallogo wiederzufinden ist und dem Ganzen eine spektakuläre Kulisse bietet. Die wird immer größer und größer bis wir endlich da sind und anlegen. Man kann übrigens auch über mehrere Tage mit einem Segelschiff von Bergen aus anreisen, wie wir später erfahren. Sicher nicht ganz billig.

Erstmal orientieren. Wir gehen vorbei an den wenigen Häusern und dem kleinen Supermarkt, den es auf der gerade mal 12 Hektar großen Insel gibt und merken schnell, dass die meisten der wenigen Einheimischen hier mit eingebunden sind. Manche verkaufen Essen oder Getränke aus dem Garten, andere bieten ihr Haus gegen Entgelt als Akku-Ladestation an, geschäftstüchtige Kinder fahren das Camping-Equipment der Besucher mit dem Bollerwagen bis zum Zielort und wieder andere bieten ihre Boote als Wassertaxi an. Wer nicht mitmacht, sitzt mit seinen Nachbarn im Garten und schaut dem bunten Treiben von da aus zu. Gefällt mir verdammt gut diese Atmosphäre. Wir haben die Wahl zwischen normalen Camping links und Stillecamp rechts (manchmal versteht man norwegisch auch ohne Google-Translator). Wir entscheiden uns für letzteres. Das Alter und so. Das sei auch das angenehmere Eck, erklärt uns ein deutscher Helfer, den es vor vielen Jahren nach Norwegen verschlagen hat.

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Foto: Carsten Weirich

Sein Zelt stellt man irgendwo auf die hügeligen Wiesen oder auf die Felsen am Meer. Platz gibt es in Hülle und Fülle. Statt den Trampelpfad zu nehmen, entscheiden wir uns ganz pfiffig dafür die kleine Senke zu durchqueren, um zum von uns auserkorenen Platz zu kommen. Erst lachen wir herzhaft über unseren Freund Thorben, der plötzlich nur noch halb so groß ist. Zwei Minuten später brauchen auch Dani und ich trockene Socken und Schuhe. Dass in der angenehm windgeschützten Senke niemand zeltet, hätte uns stutzig machen können. Nach ein bisschen Kampf mit den Tücken des Zeltaufbaus steht unser Zuhause für die nächsten zwei Tage. Die kleine Gay Pride Parade zieht währenddessen tanzend und singend über das Gelände und schwenkt fröhlich Regenbogenfahnen. Wir setzen uns ins Moos, genießen die Sonne und das erste Bier und freunden uns mit unseren Zeltnachbarn an. Die sind, wie sehr viele hier, aus der Gegend und wundern sich, dass wir extra für das Trænafestival hierherkommen.

Jetzt aber mal ab aufs Konzertgelände. Nett gemacht hier. Es gibt eine größere Openair-Bühne, eine kleinere Zeltbühne und ein paar Stände für Verpflegung und Merchandise. Am Hafen gibt es noch einen zur DJ-Location umgebauten Fischtrockenschuppen. Das eher edle Restaurant mir Mehrgängemenü sparen wir uns (wenn man bedenkt was schon der Burger mit Fritten kostet!). Hätte man eh vorab reservieren müssen, wenn ich das richtig verstanden habe. Auch die Toilettensituation ist äußerst zufriedenstellend (nicht ganz unwichtig auf einem mehrtägigen Festival). Alles Keramiktoiletten, alle ziemlich sauber. Keine ekelhaften Dixies. Und auf dem Gelände werden zusätzlich noch kostenlos kleine Fläschchen mit Desinfektionsmittel verteilt. Auf den Hügeln sitzen diejenigen, denen es reicht das ganze Treiben gemütlich von oben zu sehen. Und über allem thront das kleine Bergmassiv der Nachbarinsel Sanna, das oft majestätisch in der tiefstehenden Sonne leuchtet. Altersmäßig ist hier so ziemlich alles vertreten. Auch Familien und ältere Norweger scheinen die Gelegenheit zu nutzen, dass hier mal was los ist. Die Stimmung ist extrem entspannt. Ein Clown bringt gerade Kinder dazu, sich vor Lachen auf dem Boden zu kugeln, während angeschlagene Jugendliche durch die Gegend tanzen. Es dauert keine zehn Minuten, bis wir das erste Mal angesprochen werden. Wird uns noch oft so gehen. Mal von Teenie-Jungs, die uns erklären wollen was man hier zu hübschen Frauen sagen muss (ihr hämisches Lachen und ihre ziemlich bescheuerten Sonnenbrillen lassen uns die Ernsthaftigkeit ihrer Übersetzungsvorschläge ein wenig anzweifeln), mal von Musikfreaks eher unseren Alters und mal von einer der ganz wenigen Deutschen, die wir an diesem Wochenende hier sehen werden. Keine Ahnung ob das so ist, weil wir als Touristen hier Exoten sind, oder weil man hier generell sehr viel miteinander spricht. So oder so, wir fühlen uns sofort pudelwohl und sehr willkommen.

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Foto: Carsten Weirich

Die erste Musikerin, die wir an diesem Freitag sehen, ist Kari Bremnes, eine norwegische Popsängerin und Liedermacherin von den Lofoten. Gefällt mir für den Anfang ganz gut. Den anderen Leuten wohl auch. Immerhin singen viele fleißig mit. Im Zelt spielt dann die offensichtlich noch sehr junge Norwegerin Daniela Reyes. Wir kriegen leider nicht mehr allzuviel mit, aber genug um zu ihrem zweiten Auftritt am nächsten Tag nicht zu verpassen. Und der wird uns echt die Locken glätten. Auf der Bühne gibt es jetzt aber erstmal RnB von Philip Emilio, einem jungen norwegischen Musiker, der vor allem bei den Frauen gut anzukommen scheint. Gefällt uns auch ganz gut. Ist zwar musikalisch nicht ganz so meine Tasse Tee, aber die Stimmung wird immer ausgelassener und das Ganze entwickelt sich langsam zu einer richtig satten Party. Da kann man schon mal bissle absteppen. Viel besser gefällt mir aber die schwedische Samin Maxida Märak, die neben ihrer musikalischen Karriere auch noch Schauspielerin und politische Aktivistin ist. Sprechgesang mit fetten Beats, samischen Einflüssen und sphärischen DJ-Klängen. Geht schon mächtig in die Füße. Und mit Hiphop geht es auch weiter. Bei Kjartan Lauritzen flippt das Volk dann richtig aus. Vor allem die Jungen lassen es richtig krachen. Mir knurrt aber erstmal der Magen. Es gibt Fischeintopf, Sushi, Gyros mit Kartoffelsalat und noch ein paar Sachen, die ich anhand des norwegischen Namens nicht identifizieren kann. Für mich werden es erstmal Fish’n’Chips. Saulecker, wie auch alles andere hier an der Fressbude, die ich in den nächsten zwei Tagen noch ausgiebig testen werde. Ausklingen lassen wir den musikalischen Tag mit dem norwegischen Frauentrio Sassy 009. Melodiöse Dancetracks mit teilweise wuchtigem Beat, poppigen Stimmen und Flöte. Ich wiederhole: Flöte. Geht trotzdem direkt in die Füße. Einige Bier mit unseren Nachbarn später fallen wir am frühen Morgen in unsere Schlafsäcke. Dass ich meine Isomatte vergessen habe, stört mich genausowenig wie das Gewummer aus irgendwelchen Ghettoblastern, das vom lauteren Teil des Campinggeländes rüberschallt oder die Tatsache, dass es immer noch hell ist.

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Foto: Carsten Weirich

Für den nächsten Tag stellen wir uns sogar den Wecker. Denn erstmal geht es mit dem Boot auf die noch kleinere Nebeninsel Sanna, auf der vor einiger Zeit 9000 Jahre alte menschliche Überreste entdeckt wurden. Wohl die ältesten Besiedlungsspuren Norwegens. Wir gehen vorbei an kleinen Häusern vor denen Fisch zum Trocknen hängt, hinein in den nur mit ein paar Teelichtern erhellten Tunnel Of Love (scheinbar so genannt, weil er ansonsten stockfinster ist). Der geht mitten durch den Berg hinauf auf den Gompen, wo wir immer noch leicht verkatert schnaufend in etwa 300 Metern Höhe mit einem Sekt empfangen werden. Die Besucher sitzen auf den Felsen, genießen den wundervollen Ausblick über die Inselgruppe und den Zeltplatz auf der Hauptsinsel und warten auf Nuorta & Louisa, die dann Sprechgesang mit Akustikgitarre machen, während über uns ein Adler kreist. EIN ADLER!!! Während eines Konzertes! Auf einem Berg! Komm mal klar Træna! Das macht mich echt fertig.

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Foto: Carsten Weirich

Im Anschluss geht’s wieder bergab zur wohl genialsten Konzertlocation des Træna. In der Felskathedrale Kirkhelleren spielt der norwegische Singer-Songwriter Moddi mit großem Gefolge, bestehend aus Keyboarder, komplettem Orchester und der Joikerin Marja Mortensson, die das Konzert startet. Letzteres ist abgefahren schräg und ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber vor allem nachdem ich mich zu Hause ein wenig über die Bedeutung des Joik informiert habe (ein mit dem Jodler verwandter eintönig-gutturaler Gesang der Samen, der Ureinwohner Lapplands), auch sehr faszinierend. In der mächtigen Location der Höhle mit ihrer ganz besonderen Akustik vermittelt das vor allem eins – Ehrfurcht vor einer uralten Kultur. Danach wird es mit Moddi wieder poppiger. Die Höhle ist gerammelt voll und auch sämtliche Felsen rundherum sind besetzt. Was da manche in zumindest für mich schwindelerregender Höhe machen… da krieg ich ein ganz unangenehmes Ziehen. Geht aber alles gut. Und für uns geht es nach Moddi mit dem Boot zurück auf unsere kleine Hauptinsel. Vorbei an den wenigen Festival-Besuchern, die über die kleinen Felsen klettern und sich im recht kalten Wasser abkühlen.

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Foto: Carsten Weirich

Wir legen uns erstmal ein bisschen auf die recht bequemen, mit weichem Moos bedeckten Steine neben unserem Zelt und genießen die Sonne. Bier trinken, bissle die Augen zumachen. Danach geht es nochmal zu Daniela Reyes, die diesmal in der weißen Holzkirche am Hafen spielt. Die ist dann auch fast voll besetzt, als die gerade mal 17-jährige Norwegerin mit ihrem Konzert beginnt. Sehr schöne Location. Gleich das erste Stück macht uns ziemlich ergriffen. Mit ganz viel Gefühl singt sie wohl von irgendwas sehr Traurigem, nur begleitet von ihrem Akkordeonspiel. Ziemlich traurig werden ihre Stücke auch weiterhin bleiben, ab und zu wird sie dabei von einer Violinistin begleitet. Ansonsten zeigt sie, was sie selbst musikalisch drauf hat. Daniela Reyes spielt manchmal abwechselnd Bass und Gitarre, bedient dabei noch ihr Drumpad und erschafft so mittels Loops ihre eigene kleine Band. Das aber auf eine völlig zurückhaltende, bescheidene Art und Weise. Ihr extrem gefühlvoller, eher leiser Gesang steht dabei immer im Mittelpunkt, der Rest bleibt im Hintergrund. Zwischen ihren Songs, von denen zwei sogar auf englisch sind, erzählt sie viel und lacht dabei ein wenig schüchtern. Da man immer mal wieder ein paar Wörter versteht, glauben wir heraushören zu können, dass sie sich manchmal für den ein oder anderen kleinen Fehler entschuldigt, der ihr passiert. Die Norweger um uns herum strahlen jedenfalls um die Wette und lachen sehr viel. Unglaublich sympathisch. Am Ende dieses wundervollen Konzertes gibt es donnernden Applaus und Standing Ovations. Ihr scheint das fast schon ein wenig peinlich zu sein. Wir sind berührt.

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Jetzt aber erstmal ein Bier und was essen was in einer der drei Festival-Kneipen. Wir entscheiden uns für den Schweden, weil da auch die WM übertragen wird und wir so nebenbei bei Russland gegen Kroatien mitfiebern können. Eines der spannenderen Spiele. Die einheimischen Alten zeigen uns derweil wie man hart feiert. Aber so richtig: mit Mädels ansingen, durch die Gegend torkeln und vollstock über die aufgestellten Stühle auf die Fresse hageln. Alle Achtung! Die wissen immer noch, wie man’s krachen lässt. Danach geht es wieder zurück auf das Konzertgelände. Gåte spielen und begeistern uns vom Start weg. Folkrock mit sphärischem weiblichen Gesang, fetten Gitarren und E-Violine. Wie Derwische springen die Musiker über die Bühne während die Sängerin entweder komplett stillsteht oder sich wahlweise äußerst seltsam tanzend verrenkt und verdreht. Wir sind ein wenig gerädert und setzen uns mit einem Bier in der Hand auf den Hügel gegenüber. Von hier aus sehen wir noch Ezzari und Joddski, zwei norwegische Hiphop-Acts, die hier wohl recht bekannt sein müssen. Jedenfalls strömen aus allem Ecken vor allem die jungen Besucher auf das Konzertgelände, die Einlasskontrollen tanzen und überall werden die Hände in die Luft geworfen.

Der Abend heute endet für uns weit früher als der letzte, da wir am nächsten Tag die früheste der wenigen Autofähren zurück aufs Festland nehmen wollen. Uns steht dann noch eine 8-stündige Fahrt nach Trondheim bevor. Dieses Mal werden wir nicht ganz so gut schlafen. Es ist taghell und das Gewummer aus den Ghettoblastern, das aus der Ferne zu uns dringt, kommt mir deutlich lauter vor als in der Nacht zuvor. Und dieser unbequeme große Stein unter dem Zelt, der mir ohne Isomatte ekelhaft spitz in die Rippen drückt – war der gestern auch schon da? Liegt vielleicht alles daran, dass der Alkohol ein wenig zähflüssiger lief, als am Tag zuvor. Das Gute daran ist, dass wir nach wenigen Stunden Schlaf nicht ganz so zerstört sind und mit der Fähre alles gut läuft. Wir haben es mit vielen anderen übernächtigten Menschen an Bord geschafft. Fast überall sitzt oder liegt jemand, viele schlafen den Schlaf der Gerechten. Der Abtransport der Besucher ist übrigens verdammt gut organisiert. Haufenweise Personenfähren legen nacheinander an und schippern voll beladen wieder zurück zu verschiedenen Orten auf dem Festland. Die kleine Insel Husøy und ihre Nachbarinsel Sanna werden am Ende des Tages langsam zur Ruhe kommen und wieder das sein, das sie an 361 Tagen im Jahr sind. Kleine wunderschön idyllische Inseln, die von der Zeit vergessen wurden.

„Was für ein Wahnsinn!“ denke ich mir, als ich an Deck der Autofähre stehe und Træna immer kleiner wird, bis Sannas Bergkette komplett am Horizont verschwindet. Wir waren wirklich da. Auf dem nördlichsten Indie-Festival Europas. Ich werde sicher noch lang davon zehren und mich erstmal ausgiebig mit norwegischer Musik beschäftigen. Vielleicht ist ja norwegisch das neue isländisch? Das Træna kann ich jedem nur allerallerwärmstens empfehlen, sofern er die nötigen Penunzen dafür hat. Billig ist die Reise nach Norwegen sicher nicht (vor allem wenn man noch ein paar Tage im Land dranhängt), aber für uns hat sich jede norwegische Krone gelohnt, die wir hier liegenließen (und wenige waren das sicher nicht). Das Land mit seiner wunderschönen Natur, die Musik, die freundlichen Menschen, die Mitternachtssonne… wow! Wir sind noch Tage später verdammt geflasht. Tusen takk Træna!

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